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Frauen im Widerstand

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Der Historiker Henning Fischer hat eine Geschichte der Frauen der Lagergemeinschaft Ravensbrück veröffentlicht. Er verfolgt den Lebensweg der Frauen ab der Zeit ihrer Politisierung in der Jugend, beschreibt ihr Engagement für die KPD in der Weimarer Republik und ihre Entrechtung im KZ-System des Nationalsozialismus. Anschaulich zeigt er, wie die inhaftierten Kommunistinnen eine solidarische Gemeinschaft bildeten, die zugleich alle anderen Gefangenen ausschloss. Die meisten Überlebenden stürzten sich nach 1945 in Ost- und Westdeutschland wieder in die politische Arbeit, was Fischer als eine Form der Trauma­bewältigung deutet. Der Kalte Krieg führte dazu, dass die »Ravensbrückerinnen« in der BRD an den Rand gedrängt und nach dem KPD-Verbot kriminalisiert wurden. Am Beispiel der Ärztin Doris Masse skizziert Fischer die Geschichte der ­Repression in der Bundesrepublik bis in die sechziger Jahre. In den achtziger Jahren konnten einige Frauen als Zeitzeuginnen ihre Erfahrungen einer jüngeren Generation vermitteln.

Die DDR nahm die Ravensbrückerinnen in den Dienst der offiziellen Doktrin vom antifaschistischen Staat, den viele von ihnen bedingungslos verteidigten. Zwei ehemalige Häftlinge sahen ihre Arbeit für die Staatssicherheit als Fortsetzung des kommunistischen Kampfes. Der Streit um die Erinnerung wurde auch unter den linientreuen Kommunistinnen geführt. Schwer hatten es Frauen wie Johanna Krause, die als Jüdin und Kommunistin im »Dritten Reich« verfolgt wurde und der SED später als nicht linientreu genug galt. Fischer zeigt die Frauen in all ihrer Widersprüchlichkeit als handelnde Individuen. Damit setzt er Maßstäbe für eine Geschichtsschreibung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.

Henning Fischer: Überlebende als Akteurinnen. Die Frauen der Lagergemeinschaften Ravensbrück: Biografische Erfahrung und politisches Handeln, 1945 bis 1989. Univer­sitätsverlag Konstanz 2017, 542 Seiten, 29 Euro