Vorabdruck aus »Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise«

Hysterie und Crash

Immobilienbooms haben viele Gemeinsamkeiten. Sie können nur dann entstehen, wenn die Geldmenge vergrößert wird und mehr Kredite als zuvor vergeben können. So war es in Florida 1925, in den USA 1971 bis 1973 und in Japan in den achtziger Jahren. Drei Geschichten vom Immobilienboom.

»Also höre: Roguin hat uns eine Spekulation vorgeschlagen, die so sicher ist, dass er sich mit Ragon, deinem Onkel Pillerault und noch zwei andern seiner Klienten daran beteiligt. Wir wollen an der Madeleine-Kirche Terrains kaufen, die wir nach der Berechnung Roguins für ein Viertel des Wertes haben können, den sie in drei Jahren erreichen müssen.«Honoré de Balzac, César Birotteaus Größe und Niedergang (1837)

Wenn Menschen plötzlich bereit sind, für ein Haus jeden Preis zu bezahlen, spielt nicht nur ihre psychische Verfassung, sondern auch die Verfügbarkeit von Krediten eine Rolle.
Ein Immobilienboom kann nur entstehen, wenn die Geldmenge steigt und mehr Kredite vergeben werden. Bliebe die Geldmenge konstant, könnten Immobilienpreise nur in dem Maße steigen, wie die Preise anderer Güter fal­len. Getrieben von einem wachsenden Volumen der Hypothekenkredite steigen die Immobilienpreise, was wiederum die Kreditvergabe beeinflusst. Banken handeln prozyklisch: Je besser die wirtschaftliche Lage, desto mehr Kredite vergeben sie. Setzt der konjunkturelle Abschwung ein, beschränken sie die Kredit­vergabe. An dem Zyklus von Boom und Krise haben die Banken daher einen großen Anteil. Das Verhalten der Käufer wird geprägt von der Psychologie des Booms: Gekauft wird in der ­Erwartung, dass die Preise weiter steigen werden. Die Vergangenheit wird in die Zukunft projiziert und der aktuelle Preis einer Immobilie begründet mit dem noch höheren, den sie fünf oder zehn Jahre später angeblich erzielen wird.
Unterstützt wird der Boom durch geschicktes Marketing der Firmen, die am Häuserverkauf verdienen. Ein populäres Argument ist beispielsweise: Bauland ist nur begrenzt vorhanden, die Nachfrage aber wächst und mit ihr der Preis. Der Fehler dieses Arguments liegt darin, nicht zu berücksichtigen, dass Menschen nicht auf Land wohnen, sondern in Wohnungen. Auch bei gleichbleibender Größe des Baulands kann die Zahl der Wohnungen bedeutend gesteigert werden, dadurch, dass man in die Höhe baut statt in die Breite (das hat man bereits im Mit­telalter herausgefunden). Darüber hinaus reagieren sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach Immobilien auf einen steigenden Preis. Die Angebotselastizität ist dadurch ge­geben, dass der Boom zum Bau neuer Häuser führt. Die Nachfrage ist ebenfalls nicht völlig unelastisch: Selbst wenn alle potenziellen Käufer den unerschütterlichen Willen hätten, jeden Preis zu bezahlen, ist den meisten Menschen doch durch ihre ökonomischen Möglichkeiten eine Grenze gesetzt. Wir werden in einem späteren Kapitel sehen, wie Subprimekredite und »exotische« Formen der Kreditverga­be diese Gren­ze angehoben und den Preisanstieg dadurch beschleunigt haben.
Andere Argumente lauten:
– Immobilien sind ein sicheres Investment. Das wäre nur dann der Fall, wenn ein Hauskäufer genau wüsste, mit welchen Erträgen er rechnen kann. Wenn jemand eine Immobilie kauft, weil er erwartet, dass ihr Preis steigen wird, handelt es sich nicht um ein Investment, sondern um eine Spekulation. In Zeiten starker Spekulation können Immobilienpreise zwar tatsächlich innerhalb weniger Jahre um 20, 30 oder mehr Prozent steigen. Hat jemand ein Haus mit einer üblichen Anzahlung von zehn Prozent gekauft und verkauft es im folgenden Jahr zu einem um zehn Prozent höheren Preis, hat er sein Kapital verdoppelt. Es ist aber, wie gesagt, eine Spekulation, denn der Wert der Immobilie kann ja auch fallen. Seit 1895 sind die Preise für Häuser und Grundstücke in den USA im Durchschnitt lediglich 0,7 Prozent schneller gestiegen als die allgemeine Teuerungsrate. Das kann auch gar nicht anders sein, da die Einkommen und Mieten ja auch nicht jedes Jahr um fünf, zehn oder mehr Prozent steigen. Einkommen aber sind das, womit Häuser bezahlt werden müssen, und das Mieten ist der natür­liche Konkurrent des Kaufens.
– Wer mietet, verschwendet Geld. Wer ein Haus kauft, statt es zu mieten, spart nicht nur die Miete, sondern bildet von Anfang an Vermögen, das im Lauf der Zeit immer größer wird. Auch das ist falsch. Die meisten Käufer zahlen in den ersten zehn Jahren mit ihren Raten nur die Zinsen, nicht den Kaufpreis. Trotzdem verfangen solche Argumente immer wieder.
Die folgenden drei Beispiele sollen das Wesen des Immobilienbooms veranschaulichen.

Der Florida-Boom 1925
Die zwanziger Jahre waren in den USA eine Periode des relativen Wohlstands (außer für die Farmer, die unter niedrigen Preisen für Agrarprodukte litten), vor allem ab 1924. Nach dem in dieser Zeit amtierenden Präsidenten sprach man auch von der Coolidge Prosperity. Die Entwicklung der Finanzmärkte begünstigte die Immobilienpreise.
Der Verkauf von Hypothekenanleihen florierte in den USA nach dem Ersten Weltkrieg:
»Die während des Krieges verkauften Liberty Bonds hatten Anleihen populär gemacht. Als man herausfand, dass man dem Publikum große Mengen von Hypothekenanleihen verkaufen konnte, wurden ganze Truppen von Verkäufern trainiert, um dieses Feld zu beackern. Die Nachfrage war so groß, dass neue Möglichkeiten, Anleihen zu verkaufen, geschaffen wurden. Bauunternehmer wurden ermuntert, große Gebäude zu planen, Geschäftszeilen, Bürogebäude, Apartments mit Küche, und Darlehen wurden angeboten, die ausreichend waren, um 100 Prozent der Kosten zu bezahlen und mehr (…) Die leicht verfügbaren Kredite für den Bau oder Kauf eines Hauses stimulierten bis 1928 den Immobilienboom (…) Er hätte nicht ein solches Ausmaß erreichen können, wenn die Spekulanten große Mengen Geld hätten mitbringen müssen. Doch die Möglichkeit des shoestring financing (Hypothekenkredite mit sehr niedriger oder ganz ohne Anzahlung; d.Verf.) ermunterte sie, ihre Käufe bis zum Limit auszudehnen (…) 1928 war der Punkt erreicht, wo Hypothekenkredite in Höhe von 100 Prozent des Kaufpreises vergeben wurden und die Kreditnehmer oft noch eine zweite Hypothek von 20 Prozent aufnehmen konnten.«1
Kredite ohne Anzahlung und Häuser, die nur gebaut werden, damit jemand eine Gebühr für die Vermittlung des Kredits einstreichen kann – wer würde da sagen, Geschichte wiederhole sich nicht? Der mit Abstand größte Boom fand Mit­te der zwanziger Jahre in Florida statt. Menschen aus allen Teilen der USA strömten im Herbst 1925 nach Miami. Viele mussten auf der Straße übernachten, da die Hotelzimmer nicht ausreichten. Es herrschte Mangel an Eis, frisches Gemüse war kaum mehr zu bekommen. Da man eine Hungersnot fürchtete, ordnete Floridas Gouverneur an, dass Güter, die nicht lebenswichtig waren, nicht mehr mit der Eisenbahn transportiert werden durften. Angelockt wurden die Massen vom Immobilienboom im Sunshine State. 1924 hatte ein immenser Wirtschaftsaufschwung begonnen, die Urbanisierung schritt zügig voran. In den Stadtzentren wurden Wolkenkratzer hochgezogen, außerhalb entstanden die so genannten Suburbs. Durch die Verbreitung des Automobils und den Fortschritt des öffentlichen Nahverkehrs war es möglich geworden, in Gegenden zu wohnen, die kilometerweit vom Arbeitsplatz entfernt waren. Die Bevölkerung Miamis hatte sich innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelt, von 30 000 auf 75 000. Dies war mit einem starken Anstieg der Grundstückspreise verbunden. Doch die Verteuerung schreckte die Interessenten nicht etwa ab, sondern lockte im Gegen­teil viele erst an. Sie hatten Geschichten gehört von ehemals armen Leuten, die durch Grundstücke reich geworden waren, wie etwa die von der Frau, die 1896 ein Stück Land für 25 Dollar erworben hatte, das sie nun für 150 000 Dollar verkaufte. Die große Börsen­hausse hatte noch nicht begonnen; Grundbesitz schien der sicher­ste Weg zum Reichtum zu sein, zumal in einer klimatisch so bevorzugten Region, in der jeder gern wohnen würde, sei es auch nur für einen Urlaub. Der Ansturm war so enorm, dass die Stadtverwaltung von Miami gezwungen war, den vielen tausend Maklern Verkaufsgespräche oder das Zeigen von Landkarten auf der Straße zu verbieten, da sie den Verkehr be­hinderten.
Der Boom beschränkte sich nicht auf die Stadtzentren: Auch entlegene, sumpfige Gegenden, in denen es weder Strom noch Wasser noch Straßen gab, wurden zu Höchstpreisen gehandelt – Hauptsache Florida.
»Im Jahr 1925 kauften die Leute alles, überall, solange es in Florida war. Man brauchte nur ein neues Projekt anzukündigen, sei es am Atlantik oder tief in der Einöde des Binnenlandes, schon balgten sich alle um Grundstücke. ›Manhattan Estates‹ wurde beworben als ›nicht mehr als eine Dreiviertelmeile von der prosperierenden und schnell wachsenden Stadt Nettie entfernt‹; eine solche Stadt Nettie gab es jedoch gar nicht (…) Trotzdem kauften die Leute.«2
Wer kein Geld hatte, konnte eine Hypothek aufnehmen. Sobald er das Grundstück wieder verkauft hätte (denn wohnen wollte er dort nun doch nicht), würde er sie ja zurückzahlen können und hätte dabei noch einen saftigen Gewinn gemacht. Im Lauf des Jahres 1926 zeigte sich aber, dass trotz großzügig vergebener Kredite viele Käufer Schwierigkeiten hatten, dem Verkäufer den vereinbarten Preis zu zahlen. Im Juli machten bereits etliche Banken Pleite. Da half es auch nicht, dass in New York Besitzer von Florida-Grundstücken einen Verein gründeten: »500 Besitzer von Florida-Grundstücken haben sich in der Florida Property Owners Association zusammengetan, um Verleumdungspropaganda gegen Florida zu bekämpfen, Informationen über ihre Landprobleme zu sammeln und vor allem, um für ihre Hypotheken Zahlungsaufschub zu bekommen und eine Verringerung der Zinszahlungen«, meldete das Time Magazine am 12. Juli 1926. Es half nichts: Als am 18. September ein Hurrikan die Küste verwüstete, Hunderte Menschen tötete und Tausende obdachlos machte, kam der große Crash. Viele Käufer konnten nicht einmal mehr die Zinsen für die Hypothek bezahlen, Banken gingen reihenweise bankrott.

Der amerikanische Immobilienboom 1971 bis 73
In den sechs Jahren zwischen 1968 und 1974 schlug in den USA eine Wohnungskrise in eine Immobilienkrise um. Es klingt, als sei beides das Gleiche, doch das eine ist das Gegenteil des anderen: Bei einer Wohnungskrise stehen zu wenige Häuser leer, bei einer Immobilienkrise zu viele. Die Vereinigten Staaten befanden sich Mitte und Ende der sechziger Jahre in einer Wohnungskrise, die 1969 kulminierte. »›Wir haben es mit der schwersten Wohnungskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun‹, sagt Walter ­Hoadley, Vizepräsident der Bank of America. ›Die Krise wird noch schlimmer werden.‹«3 Trotz steigender Immobilienpreise ging die Bautätigkeit im Jahr 1969 zurück. Der Grund war Kapitalmangel. 1969 war das Jahr der hohen Zinsen. In ihrem Kampf gegen die im Zuge des Vietnamkriegs ausufernde Inflation hatte die Federal Reserve den Leitzins von unter vier Prozent Mitte 1965 auf über neun Prozent im Jahr 1969 erhöht. Vor allem 1968 und 1969 hatte sie die Geldpolitik deutlich verschärft. Gleichzeitig beschnitt die Regierung die nicht militärischen Ausgaben (da sie nicht Kanonen und Butter bezahlen kon­nte) und erhöhte die Steuern. Viel Geld zum Bauen blieb da nicht. Als Maßnahme gegen die Wohnungsknappheit wurde 1968 zusätzlich zu den beiden schon bestehenden ein weiterer Baufinanzierer ins Leben gerufen (Ginnie Mae) und der Housing Act beschlossen, der unter Sektion 235 Familien, die ein Haus oder eine Eigentumswohnung kauften, weitreichende staatliche Unterstützung gewährte. Unter der restriktiven Geldpolitik der Jahre 1968/69 konnte das neue Stimulans noch nicht wirken, doch als die Zinsen 1971 auf weniger als die Hälfte des Standes von 1969 fielen, brach ein wahrhaft beispielloser Immobilienboom aus.
Der Rückgang der Zinsen hatte einen Doppeleffekt: Zum einen machte er das Bauen günstiger und reduzierte die monatlichen Raten, zum anderen konnten in der Folge auch solche Personen sich für einen Hypothekenkredit qualifizieren, die vorher von einem konventionellen Darlehen ausgeschlossen gewesen waren.
Der Boom verstärkte sich durch weitere Faktoren. Ebenfalls Ende der Sechzigerjahre waren neue Baubestimmungen erlassen worden. Gewerbe- und Wohngebiete sollten weitgehend von­einander getrennt werden (»zoning«); welches Gebäude wo errichtet wurde, wollte der Staat stärker kontrollieren. Insgesamt wurde das Bauland dadurch knapper. Nicht nur die Wohnungsbaupolitik der Regierung und die gelockerte Geldpolitik der Notenbank wirkten darauf hin, mehr Kapital in den Bausektor zu schleusen, sondern auch ein Investmentvehikel, das jetzt seine große Blüte erlebte – der Real Estate Investment Trust, kurz: REIT.
Der Real Estate Investment Act von 1961, der die Struktur des REITs geschaffen hatte, sollte das Prinzip des Aktienfonds, das es in den USA seit 1924 gab, auf den Immobiliensektor übertragen. Aufgabe eines REITs ist es, zum Wohl der Anleger in den Immobiliensektor zu investieren und eine jährliche Dividende von mindestens 90 Prozent des Gewinns auszuschütten. Dafür wird er von vielen Steuern befreit. Noch Ende der sechziger Jahre wusste kaum ein Amerikaner, was ein REIT ist, doch zwischen 1970 und 1974 wurde daraus eine 21-Milliarden-Dollar-Industrie. REITs können entweder bereits bestehende Immobilien kaufen oder den Bau durch Hypothekenkredite finanzieren. Die REITs der frühen siebziger Jahre konzentrierten sich vor allem auf die Kreditvergabe.
Der Immobilienboom zu Beginn der siebziger Jahre veränderte das Aussehen vieler amerikanischer Städte. Neue Höhenrekorde wurden aufgestellt, und man brauchte mehr Platz. 225 Gebäude mit einer Fläche von mehr als 9 000 Quadratmetern wurden errichtet, die Bürofläche wuchs um mehr als elf Millionen Quadratmeter – davon die Hälfte in New York.
In Florida gab es einen Ferienwohnungsboom, der hinter der Euphorie von 1925 kaum zurückblieb.
»Die Gier wurde bei für potenzielle Kunden ver­anstalteten Abendessen geschürt. Makler erinnerten sich daran, dass Grundstücke am Strand von Miami, die 1927 für 400 Dollar pro Morgen verkauft worden waren, nun einen Wert von 500 000 Dollar pro Morgen hatten. Manchen Interessenten wurde dann Land ›am Wasser‹ verkauft, das, wie sich bei der Besichtigung herausstellte, tatsächlich unter Wasser war. Hotelpagen wurden dafür belohnt, Maklern die Namen von großzügigen Trinkgeldgebern zu übermitteln, die dann unbarmherzigen Verkaufsgesprächen unterworfen wurden.«4
Die REITs hatten großen Anteil an diesem neuen Florida-Boom, in den sie 3,5 Milliarden Dollar investierten, und waren landesweit ein wichtiger Antrieb des Immobilienrauschs. Sie finanzierten sich bei den Banken über kurzfris­tige Kredite. Steigende Immobilienpreise führten dazu, dass noch mehr Bürger Anteile an den haussierenden REITs erwarben. Das dadurch neu aufgenommene Kapital ermöglichte es den REITs, noch mehr Kredite aufzunehmen und das Steigen der Immobilienpreise weiter anzutreiben. Die REITs liehen sich billiges Geld und verliehen es teuer, mindestens drei bis vier Prozentpunkte schlugen sie auf. Es war ein extrem profitables Geschäft, das immer mehr Konkurrenten anlockte. Aggressiv versuchten die REITs, Hypothekenkredite an den Mann zu bringen. Leider begriffen die REIT-Manager während des Booms nicht recht, warum sie eigentlich von ihren Kunden so hohe Zinsen bekamen: Die Darlehen waren riskant. Viele der initiierten Projekte hätten nie finanziert werden dürfen.
Durch die Inflation konnten die meisten Häuser nicht zu den veranschlagten Kosten fertig­gestellt werden; die Bauherren brauchten mehr Geld oder würden den Bankrott erklären, was die REITs zu einer Entscheidung zwang, ob sie gutes Geld schlechtem hinterherwerfen sollten – das gleiche Problem, vor dem wenig später die Gläubigerbanken im Hinblick auf die REITs stehen sollten. Inflation, Wirtschaftskrise, der Anstieg der Zinsen, der 1972 begann und sich 1973 beschleunigte (die Federal Funds Rate stieg von 3,29 Prozent im Februar 1972 auf 6,58 Prozent zwölf Monate später; im September 1973 erreichte sie 10,8 Prozent; der Gipfel lag bei 12,9 Prozent im Juli 1974), sowie die im Herbst 1973 einsetzende Ölkrise beendeten den Boom. Die Projektentwickler verdrückten sich und schoben den REITs halb fertiggestellte oder fertige, aber nicht vermietbare Motels, Einkaufszentren und Ferienhäuser zu.
Da die REITs 90 Prozent ihrer Gewinne hatten ausschütten müssen, waren sie auf den Crash schlecht vorbereitet. Sie hatten hohe kurzfristige Verpflichtungen, die sie nicht bedienen konnten. Die Aufwärtsspirale aus steigenden Immobilienpreisen, haussierenden REITs, immer höheren Mittelzuflüssen und weiter steigenden Immobilienpreisen wurde von einer ebenso dynamischen Abwärtsspirale abgelöst: Fallende Preise führten zu Kapitalabflüssen aus den REITs, was den Rückgang der Preise beschleunigte und wiederum zu weiteren Kapitalabflüssen führte usw.
Als die Blase platzte, blieben in Florida Bauruinen zurück, die von Bulldozern planiert wurden, da es sich nicht gelohnt hätte, den Bau fertigzustellen. Der Economist schrieb 1976:
»Die meisten der überschüssigen Apartments beiderseits der Alligator-Allee, jener Autobahn, die Südflorida teilt, werden nur mit Verlust zu verkaufen sein, wenn nicht ein Hurricane kommt und das Kassieren einer Versicherungsprämie ermöglicht.«5
Der Immobiliencrash führte bei den Banken zu hohen Verlusten. Einige, wie etwa Chase Manhattan oder die Bank of America, hatten den REITs während des Booms ihre Namen geliehen und viele, was noch schmerzlicher war, sehr viel Geld, nämlich insgesamt zwölf Milliarden Dollar, von denen sie einen großen Teil in den Wind schreiben mussten. REITs waren danach für eine Weile out. In den achtziger und neunziger Jahren erlebten sie eine Renaissance, aber mit einer wesentlichen Änderung: Die REITs der achtziger und neunziger Jahre investierten vor allem in bereits bestehende und profitable kommerzielle Immobilien, ein weitaus weniger riskantes Geschäftsmodell. Die Bubble-Economy zu Beginn des 21. Jahrhunderts brachte indessen die Wiederholung der REIT-Krise in noch größerer Dimension.

Der Japan-Boom
»Chika kyoran« – »Grundstückspreiswahnsinn« lautete das Wort, mit dem einige Japaner in den achtziger Jahren den Immobilienboom bezeichneten. Doch vor allem von Europa und den USA aus betrachtet schienen die Verhältnisse in Japan völlig aus den Fugen geraten zu sein. Es hieß, für den Preis eines schicken Tokioter Stadtviertels könne man ganz Kalifornien kaufen. Auf dem Papier war Tokio mehr wert als die gesamten Vereinigten Staaten von Amerika. Japan, mit vier Prozent der Landmasse der USA, war mehr als doppelt so viel wert wie ganz Nordamerika.
Billige und leicht verfügbare Kredite waren auch in diesem Fall der Treibstoff des Booms, der wie üblich in einer großen Krise mündete. Dabei stand am Anfang ausgerechnet ein Ereignis, das als eine Beeinträchtigung der japanischen Wirtschaft gesehen wurde, der Plaza Accord. In diesem Vertrag (benannt nach dem Tagungsort, dem New Yorker Plaza Hotel) hatten am 22. September 1985 fünf Länder – die USA, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Japan – Maßnahmen zur Abwertung des US-Dollars (vor allem gegen­über der D-Mark und dem japanischen Yen) vereinbart, um die Industrie der Vereinigten Staaten zu stärken und das US-Außenhandelsbilanzdefizit zu reduzieren. Obwohl die Federal Reserve die Leitzinsen seit Anfang der achtziger Jahre mehrmals deutlich gesenkt hatte (der Diskontsatz ermäßigte sich zwischen 1981 und 1985 um fast die Hälfte, von 14 auf 7,5 Prozent), gab es immer noch ein Zinsgefälle zu anderen Ländern. Das dadurch in die USA strömende Kapital hielt den Dollar weiterhin unter Aufwert­ungsdruck, was Importe (etwa von deutschen und japanischen Autos) verbilligte, während sich die amerikanischen Ausfuhren verteuerten. Dies führte bei US-Unternehmen zu hohen währungsbedingten Einbußen und sorgte bei Managern für Verstimmung: »Ich bin Mitglied in den Vorständen von fünf Unternehmen, in vier davon gibt es mehr Diskussionen über den Dollar als jemals zuvor«, sagte Peter Peterson, Handelsminister unter Nixon und einer der reichsten US-Bürger, einige Monate vor dem Krisentreffen im Hotel Plaza.6
Vor allem der Handel mit Japan war Mitte der achtziger Jahre in den USA ein brisantes Thema. Das Wachstum der japanischen Wirtschaft basierte – wie Jahre später das der chinesischen – auf hohen Exportüberschüssen im Handel mit den Vereinigten Staaten. Das Defizit der USA im Handel mit Japan lag 1984 bei 35 Milliarden Dollar, gegenüber 20 Milliarden im Jahr 1983.
Neben dem starken Dollar machten Politiker und Unternehmer in den USA die in ihren Augen unfairen Handelspraktiken der Japaner verantwortlich; das Land schotte seinen eigenen Markt gegen ausländische Konkurrenz ab und sei bestrebt, möglichst nur Rohstoffe einzuführen, hieß es. Unternehmen und Gewerkschaften übten Druck auf die Reagan-Administration aus, japanische Importe Einfuhrbeschränkungen zu unterwerfen.
Dies konnte Japan verhindern, doch der Preis war die Zustimmung zum Plaza Accord. Wie beabsichtigt, gewann der Yen in der Folge gegen­über dem US-Dollar deutlich an Wert, japanische Exporte verteuerten sich. Um die schädlichen Folgen für die einheimische Industrie abzumildern, lockerte die japanische Notenbank am 30. Januar 1986 erstmals seit drei Jahren die Geldpolitik. In weiteren Schritten wurde der Leitzins auf 2,5 Prozent gesenkt. Gleichzeitig ­liberalisierte die Regierung die Finanzmärkte und verabschiedete ein großes Konjunkturprogramm zur Stärkung des Binnenmarkts. Wie anderthalb Jahrzehnte später in den USA führ­te die Geldschwemme zu einem Immobi­lienboom, der sowohl Eigenheime als auch gewerbliche Immobilien erfasste. In Tokio stiegen die Preise vieler Grundstücke um 50 Prozent pro Jahr. Eine Spirale kam in Gang: Banken pumpten Geld in den Immobiliensektor, die steigenden Preise schufen neue Beleihungswerte, was die Vergabe noch höherer Kredite ermöglichte – und solcher, die ohne die trügerische Sicherheit einer Hypothek auf eine überbewertete Immobilie nicht vergeben worden wären. Auch am Aktienmarkt bildete sich eine Blase. Die niedrigen Zinsen senkten die Attraktivität von Anleihen und anderen festverzinslichen Geldanlagen und pumpten so die Geldblase auf, die für hohe Unternehmensgewinne sorgte; gleichzeitig wurden mit dem Börsengang des ehemals staatlichen Telekommunikationsunternehmens NTT erstmals breitere Teile der Bevölkerung mit Aktien in Berührung gebracht (wie 1996 in Deutschland beim Börsengang der Deutschen Telekom).
Der Nikkei-Index, der im Mai 1949 bei 100 Punkten begonnen hatte, war in den frühen sieb­ziger Jahren schon bei 5 000 Punkten angelangt und erreichte 1984 erstmals den Stand von 10 000 Punkten. 1986 stieg er auf 12 000, dann gab es kein Halten mehr: Bis Ende 1989 schoss er auf über 39 000 Punkte. Japanische Aktien waren die teuersten der Welt, Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV)7 von 60 oder 100 keine Seltenheit. (Wie in solchen Fällen üblich, erfanden Finanzindustrie und Journalisten eine in ihren Augen schlüssige Erklärung, warum das nicht zu teuer sei: Japanische Unternehmen hätten ja große Vermögenswerte in Form von Unternehmensbeteiligungen und Grundstücken, die man bei der Bewertung berücksichtigen müsse.)
Das Land schwamm in Liquidität.8 Als sie knapper wurde, endete die Party. Ende 1989 trat Yasushi Mieno an die Spitze der japanischen Notenbank und kündigte sofort an, die Geldpolitik zu straffen. Nach Jahren des Überschwangs war eine Krise nicht mehr zu vermeiden. Im Lauf des Jahres 1990 stürzte der Nikkei-Index auf unter 24 000 Punkte, auch der Immobilienboom war zu Ende. Das Platzen der Blase zog eine lang anhaltende Bankenkrise nach sich. Japanische Finanzhäuser waren während des Booms bei der Kreditvergabe sehr großzügig gewesen; in der folgenden Krise versuchten viele von ihnen, das Volumen der faulen Kredite zu verschleiern, gleichzeitig schränkten sie aber die Vergabe neuer Kredite drastisch ein – es kam zur Kreditknappheit, zum Credit Crunch. Die Regierung unternahm erfolglose Versuche, die Banken zu Restrukturierungen zu bewegen. Anfangs sollte eine eigens dafür geschaffene Agentur faule Kredite aufkaufen. 1998 wurde die Strategie gewechselt, nun injizierte der Staat den Banken Liquidität, indem er ihnen Anleihen und Vorzugsaktien abkaufte, was die Lage aber nicht verbesserte. Denn laxe Buchführungsregeln (niemand traute in den neunziger Jahren einer japanischen Bilanz) verhinderten, dass die Rezession zu einem schnellen Aussortieren der unprofitablen Unternehmen führen konnte, und zogen so die Krise in die Länge. Um Verluste, die aus dem Bankrott eines Schuldners entstehen würden, zu vermeiden, hielten Banken insolvente Unternehmen (»Zombies«, wie sie in der Fachwelt auch genannt wurden) weiter am Leben. Sie verhinderten auf diese Weise, dass Kapital und Marktanteile an solvente Konkurrenten gingen, wodurch deren Gewinne und Profitmöglichkeiten geschmälert und ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu Investitionen stark beeinträchtigt wurden.9
Die Bedingungen, die seit Ende der neunziger Jahre zur Entstehung der Immobilienblase in den USA geführt haben, ähneln sehr der Situation Japans zwischen 1987 und 1989. Die japanische Notenbank sah zwar seinerzeit die Exzesse, hielt sich aber für nicht zuständig:
»Seit der zweiten Hälfte des Jahres 1987 (…) erkundete die Bank of Japan (BoJ) die Möglichkeit einer strafferen Geldpolitik aus Sorge über Inflation und exzessives Wachstum der Geldmenge, konnte aber kein Argument für die Straffung der Geldmenge präsentieren, das als überzeugend genug galt.«10 Viele japanische Notenbanker sahen die Blase an den Aktien- und Immobilienmärkten, konnten sie aber nicht verhindern, da für sie allein der Außenwert des Yen und die Preise von Konsumgütern Richtschnur waren. In den Preisindizes spiegelte sich die Inflation nicht wider (zumindest nicht auf den ersten Blick), und es gab »kein allgemeines Verständnis, was genau die Probleme sind, zu denen der Preisanstieg von Vermögenswerten führt«.11
Was zur Japan-Krise beigetragen hat, war ein falsches Verständnis von Inflation. Wenn die Produktivität stark steigt, wie das in Japan Ende der achtziger Jahre der Fall war (und übrigens auch in den zwanziger Jahren in den USA), ist eine niedrige allgemeine Teuerungsrate keineswegs ein Zeichen dafür, dass es keine Inflation gibt. Die Inflation äußert sich in diesem Fall darin, dass die Preise trotz des Produktivitätsschubs stagnieren oder steigen, wo sie eigentlich fallen müssten. Gleichzeitig entstehen Blasen dort, wo das Angebot kurzfristig nicht beliebig ausgeweitet kann, nämlich vor allem am Immobilienmarkt.
Die auf das Platzen der Immobilienblase folgende Krise war bekanntlich langwierig. Dazu trug das erwähnte zombie lending bei. Japans Banken hätten die Krise verschlimmert, indem sie es vermieden, den Tatsachen ins Auge zu sehen und die Verluste anzuerkennen, sagte Yoshimi Watanabe, der japanische Staatsminister für den Bankensektor.12 Den Tatsachen nicht ins Auge zu sehen, sondern stattdessen zu versuchen, die Probleme zu verschleppen, war allerdings nicht nur die Politik der Banken, sondern auch der Regierung.
Viele der Maßnahmen, die heute zur Lösung der Krise vorgeschlagen werden, hat man in Japan in den neunziger Jahren bereits erfolglos ausprobiert – die Nullzinspolitik, die nun seit Ende 2008 von der US-Notenbank verfolgt wird, und eine keynesianisch inspirierte Wirtschaftspolitik13 eingeschlossen. All dies führte nicht zu einer Bewältigung, sondern zu einer Verlängerung der Krise. Die Kosten wurden hoch gehalten, und aus Kapital wurde Beton gemacht. Japan hatte Glück, dass die Krise in eine Dekade des Aufschwungs der Weltwirtschaft fiel, von der seine Exportindustrie – Unternehmen wie Toyota, Honda, Sony, Toshiba, Panasonic, NEC oder Sharp – profitieren konnte. Die USA und Europa stehen nach dem Platzen ihrer jeweiligen Blasen vor größeren Problemen als Japan seinerzeit. Sie verfügen bei Weitem nicht über ein so großes Kapital, wie Japan es zu Beginn der Krise hatte, und haben auch keine boomenden Exportmärkte, die ihnen helfen könnten.

Anmerkungen:
(1) Homer Hoyt: One Hundred Years of Land Values in Chicago, New York 1933, S. 443 f.
(2) Frederick Lewis Allen: Only Yesterday. An Informal History of the 1920’s, New York 1997, S. 209
(3) »Time«, 31.10.1969
(4) »The Economist«, 31.1.1976
(5) »The Economist«, 31.1.1976
(6) »Time«, 11.3.1985
(7) Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ergibt sich aus dem Kurs einer Aktie dividiert durch den Gewinn pro Aktie. Eine Aktie, die bei einem Kurs von 100 Euro notiert und für das laufende Geschäftsjahr einen Gewinn pro Aktie (d.h. Unternehmensgewinn dividiert durch die Gesamtzahl aller ausstehenden Aktien) von 10 Euro erwartet, hätte also ein KGV von 10.
(8) »Japanischen Käufern schien kein Preis zu hoch, kein Luxus zu extravagant, weder daheim noch im Ausland. Ob die Sonnenblumen von van Gogh für 40 Millionen Dollar, das Schloss Gymnich für 26 Millionen Mark oder aber die Intercontinental Hotelkette oder der Tonträgergigant CBS für je gut zwei Milliarden Dollar, wer weltweit etwas zu Spitzenpreisen zu verkaufen hatte, fand sich bei Japans superliquiden Investoren bestens aufgehoben. Ein sprunghafter Anstieg von Luxusimporten festigte den Ruf, dass das Land letztlich ›gestärkt aus der Yen-Hausse seit 1985 hervorgeht‹, wie der Präsident von BMW Japan, Lüder Paysen, angesichts der Absatzerfolge seines Hauses in Japan frohlockte.« »Zeit«, 5.5.1989
(9) Vgl. Zombie Lending and Depressed Restructuring in Japan. NBER Working Paper No. 12129, National Bureau of Economic Research, April 2006.
(10) Kunio Okina, Masaaki Shirakawa und Shigenori Shiratsuka: The Asset Price Bubble and Monetary Policy: Japan’s Experience in the Late 1980’s and the Lessons. Background Paper der Bank of Japan, 2001, S. 396.
(11) Kunio Okina, Masaaki Shirakawa und Shigenori Shiratsuka: The Asset Price Bubble and Monetary Policy … , a. a. O., S. 397.
(12) »The Economist«, 18.9.2008.
(13) Obwohl Platz in Japan knapp ist, wurden überall im Land neue Autobahnen und Brücken gebaut, die niemand benötigte. Die Stadt Kobe bekam für 50 Milliarden Euro einen neuen Hafen, der bis heute kaum ausgelastet ist, und regelmäßig wurden neue Flughäfen gebaut. Davon gibt es in Japan inzwischen über 100 – in einem Land, das kaum größer ist als Deutschland –, viele sind nur wenige Kilometer vom nächsten entfernt und haben, wie sich denken lässt, kaum Flugaufkommen.

Abdruck mit freundlicher ­Genehmigung des Verlags aus: ­Stefan Frank: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kredit­boom zur Wirtschaftskrise. Conte-­Verlag, Saarbrücken 2009, 199 S., 13,90 Euro