Nachrichten

Barbaren in der Banlieue

Erneut macht die Pari­ser Vorstadt Bagneux durch hässliche Schlagzeile von sich reden. Sechs junge Männer entführten und folterten dort einen 19jährigen mehrere Stunden lang. Das Opfer, ein junger Jude und Homosexueller, wurde in einer Garage festgehalten, mit Handschellen gefesselt, getreten und geschlagen. Mit einem dicken Filzstift wurden die Worte »Dreckiger Jude« und »Dreckiger Schwuler« auf sein Gesicht gemalt. Nach Justizangaben musste er auch Zigarettenstummel herunterschlucken. Im Anschluss ließen seine Peiniger ihn wieder frei, das Opfer stand unter Schock.

Der Vorgang spielte sich am 22. Februar ab und wurde knapp eine Woche später bekannt. Seitdem haben Antirassismusorganisationen wie SOS Racisme, die Licra (Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus) und der MRAP (Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft) öffentlich protestiert und eine konsequente Strafverfolgung der Täter gefordert. Die Vorgänge erinnern an den Entführungsfall Ilan Halimi vor zwei Jahren, ebenfalls in Bagneux. Der junge Jude wurde damals von einer Bande junger Männer, die als »Gang der Barbaren« bekannt war, entführt und drei Wochen lang festgehalten und gefoltert. Im Anschluss starb er, kurz nachdem er völlig entkräftet in der Nähe einer Bahnlinie aufgefunden worden war. Beim damaligen Folter- und Mordfall Halimi hatten sich pure kriminelle Motive wie Geldgier mit antisemitischen Beweggründen gemischt, da die Angehörigen der »Gang der Barbaren« von seinen Angehörigen ein Lösegeld erpressen wollten und dabei davon ausgingen, dass »Juden notwendig Geld haben«. Der Anführer der Bande, Fofana, wartet derzeit in einer Pariser Strafanstalt auf seinen Prozess vor einem Geschworenengericht. bs

Ausnahmezustand

Wahlrecht. Erst Hessen, dann die ganze Republik? Deutschland scheint nicht mehr regierbar zu sein. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog schlug vorige Woche in der Süddeutschen Zeitung bereits eine Veränderung des Wahlrechts vor, um zu verhindern, dass künftig »ein Minderheitskanzler für jedes Gesetz (…) die erforderlichen Mehrheiten im Parlament zusammenbetteln muss«. Kein Wunder, dass ihm sogleich »der an sich nahe liegende Gedanke an ein Notverordnungsrecht« kam. Oder auch wieder nicht, denn der sei ja »durch ständigen Missbrauch während der Weimarer Zeit und erst recht während des NS-Regimes wohl auf ewig qualifiziert«. fr

Nationalbewusst ohne Gebühren

Ungarn. Zum »Sieg des ungarischen Selbstwertgefühls« stilisierte Viktor Orban, der Vorsitzende der rechten Oppositionspartei Fidesz, das Ergebnis der Volksabstimmung. Mit unerwartet großer Mehrheit haben die ungarischen Wähler am Sonntag die von der Regierung eingeführten Praxis-, Krankenhaus- und Studiengebühren abgelehnt. Über 80 Prozent sprachen sich dagegen aus, die Abstimmungsbeteiligung lag bei knapp über 50 Prozent. Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany kündigte an, die Gebühren zum 1. April zurückzunehmen. Mehrere hundert Rechtsextreme versammelten sich am Sonntagabend vor dem Parlament, um die Niederlage der linksliberalen Regierung zu begrüßen. ke

Enorme Verdienste

Russland. Ramsan Kadyrow erhielt bereits Ehrungen als »Held Russlands« und »verdienter Verteidiger der Menschenrechte«. Nun wurde der Warlord, den Wladimir Putin im vergangenen Jahr zum Präsidenten Tschetscheniens ernannte, wegen seiner »enormen Verdienste« um die »freie Presse«, so der tschetschenische Informationsminister Schamsail Saralijew, in die tschetschenische Sektion des russischen Journalistenverbandes aufgenommen. Die Moskauer Zentrale annullierte die Entscheidung bereits am Folgetag, da Kadyrow kein professioneller Journalist sei. uw

Köpi bleibt Risiko

An dieser Stelle hätte eigentlich ein Glückwunsch an die Hausbesetzer der Köpenicker Straße 137 stehen sollen. Anfang der Woche hatten diese bekannt gegeben, dass sie für die nächsten 30 Jahre Mietverträge mit der derzeitigen Eigentümerin »Plutonium 114« unterschrieben haben. Doch leider muss diesem Etappensieg im Häuserkampf ein Dämpfer versetzt werden. Um unseren Glückwunsch mit einem schönen Foto zu garnieren, schickten wir nämlich unseren Fotografen los, der zunächst auch freundlich empfangen wurde und ganz selbstverständlich die Erlaubnis bekam, die schönsten Motive der geheimnisvollen Ruine zu fotografieren. Doch als er damit begann, wurde er von anderen Leuten auf dem Anwesen rüde angepöbelt. Und damit nicht genug. Als der Fotograf seinen Rucksack, den er zuvor auf dem Hof der Köpi abgestellt hatte, wieder holen wollte, war dieser verschwunden. Vielleicht taucht er ja auch wieder auf. Aber bis dahin sollten die Köpi-Besetzer ihrer PR-Abteilung noch mal gründlich auf die Sprünge helfen. da