»Spon« im »Spiegel«

von ivo bozic

»Das hätten wir besser machen können.« Ein solcher Satz wird normalerweise von Fußballtrainern gesagt, nach dem Spiel, wenn klar ist, dass es nichts zu beschönigen gibt, aber man auch nicht die Moral der eigenen Mannschaft weiter zerrütten möchte. Mit diesem Satz im Editorial des aktuellen Spiegel zieht die Redaktion den Schluss­strich unter die monatelange Debatte um die Nachfolge des Chefredakteurs Stefan Aust. »In der Findungsphase und bei den Umständen der Beurlaubung von Chefredakteur Stefan Aust hat der Spiegel nicht immer geschickt agiert«, heißt es da. Zugleich wird mit der Ernennung des neuen Spitzenduos, Mathias Müller von Blumencron und Georg Mascolo, ein »Generationswechsel« angekündigt.

Die beiden sollen den Spiegel »weiterentwickeln« und »modernisieren« – und die Zusammenarbeit mit Spiegel online intensivieren. Und das ist sicher die schlechteste Nachricht, die das Nachrichten-Magazin verkünden konnte. Der 47jährige Müller von Blumencron ist seit Ende 2000 Chefredakteur des Online-Magazins und damit zwar einerseits für den unfassbaren Erfolg von Spon verantwortlich, aber zugleich für dessen zunehmende, immer schwerer erträgliche Boulevardisierung. Die Kluft zwischen effektheischenden Überschriften und dem tatsächlichen Gehalt einer Meldung ist zuweilen so groß, dass kein Mensch sie intellektuell zu überbrücken vermag. Dazu gesellen sich Meinungsbeiträge von so unterschiedlichen, anscheinend beliebig ausgewählten Kommentatoren, dass nicht einmal eine nur haarfeine politische Linie auszumachen ist. Der dynamische Konkurrenzkampf, dem auch Tabellenführer Spon im Online-Bereich ausgesetzt ist, gebiert immer schnellere, skandalisiert aufbereitete »Geschichten«, einen Sog, in den das wöchentlich erscheinende Heft sicher nicht so leicht geraten kann. Dennoch muss Müller von Blumencron erst noch beweisen, dass er den ­Hallodri-Stil, auf dem sein beachtlicher Erfolg bei Spiegel online gründet, nicht mit ins neue Haus einschleppt.