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Post-humane Migration

Harald Schmidt bemerkte einmal zum Aussterben der Deutschen: »Ich finde all diese Gebiete, die nun veröden, großartig, ich verstehe beim besten Willen nicht, wo das Problem liegen soll. Halb Schweden ist leer, Island ist praktisch vereist, Grönland überhaupt nur mit dem Schiff zu erreichen. Ich sehe in der Tatsache, dass der Deutsche sich aus dem Weltgeschehen zurückzieht, überhaupt keinen Nachteil.«

Das klingt sehr vernünftig, es sei denn, man ist ein Schaf, dann sieht man das vermutlich anders. Elf Schafe wurden in der vergangenen Woche in Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern von einem Rudel Wölfe gerissen. Längst verirren sich nicht mehr nur vereinzelte Bären, Wölfe und Luchse in die menschenleere ostdeutsche Steppe und nach Bayern. In der Lausitz etwa fühlen sich schon seit längerer Zeit zwei Wolfsrudel äußerst wohl. Allein in Brandenburg wurden im vergangenen Jahr zudem mindestens acht Elche gesichtet.

Wölfe und Elche verstehen sich untereinander allerdings nicht besonders gut, und daher droht mit den neuen Migranten aus dem Osten auch die Kriminalität unter ihnen zuzunehmen. In Bayern sieht man ihr Integrationspotenzial denn auch sehr skeptisch und hat dort 2007 präventiv drei Elche abschießen lassen. Mit Braunbär Bruno war man, wir erinnern uns, nicht weniger zimperlich verfahren. Der Agrarminister Mecklenburg-Vorpommerns, Till Backhaus, hat indes dazu aufgerufen, Schafe nachts in Gattern oder Ställen unterzubringen. Schäfer Siegmar Wendelberg aus Ludwigslust, dessen Schafherde so übel attackiert wurde, lässt sich davon jedoch nicht beruhigen. »Ich kann kaum schlafen, habe Angst, dass sich die Angriffe häufen«, klagte er der Bild-Zeitung. Nazi-Angriffe hingegen bereiten im Osten für gewöhnlich niemandem unruhige Nächte. ib

Wie, was, Zeuge?

Mittweida. Der Fall des 17jährigen Mädchens aus Mittweida, gegen das zuletzt ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat eingeleitet wurde, scheint weit von einer Klärung entfernt. Der Anwalt des Mädchens hat schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsarbeit der Polizei, vor allem hinsichtlich ihrer Zeugenbefragung erhoben. »Eine Überprüfung des Tatumfelds hat nur sehr oberflächlich stattgefunden«, sagt er. Der Anwalt vermutet, es werde versucht, der Bevölkerung zu suggerieren, rechtsextreme Gewalt sei kein Problem in Mittweida und Umgebung. Das Mädchen hatte angegeben, Neonazis hätten sie angegriffen und ihr ein Hakenkreuz in die Haut geritzt. eb

Gene ohne Grenzen

EU/WTO. Präsident Nicolas Sarkozy gilt als Freund der USA, doch wenn es ums Essen geht, hört für jeden Franzosen der Spaß auf. Am Freitag voriger Woche verbot die französische Regierung den Anbau von genmanipuliertem Mais des US-Konzerns Monsanto. Am gleichen Tag lief ein Ultimatum der Welthandelsorganisation (WTO) aus, die das Verbot genmanipulierter Nahrung als Verstoß gegen die Freihandelsregeln wertet. Die EU dagegen gestattet den Mitgliedsstaaten Anbau- und Importverbote, wenn dafür wissenschaftliche Gründe vorliegen. Auch Österreich nutzt dieses Recht. Die US-Regierung will vorerst auf Handelssanktionen verzichten und weiter verhandeln. js

Krawall am Zahltag

Ukraine. Eine der ersten Amtshandlungen der Premierministerin Julia Timoschenko im neuen Jahr führte am Freitag voriger Woche landesweit zu riesigen Schlangen, Prügeleien, Verletzten und einem Todesopfer. An diesem Tag begannen die Sparkassenfilialen mit Ausgleichszahlungen für infolge des Zerfalls der Sowjetunion entwertete Spareinlagen in einer Höhe von bis zu 198 Dollar, was dem heutigen Wert von 1 000 Grivna entspricht. Damit löst Timoschenko eines ihrer Wahlversprechen ein. Würde sich die Regierung an dem damaligen offiziellen Dollarkurs orientieren, müsste sie die Höchstsumme auf 550 Dollar erhöhen. Die Bevölkerung braucht indes jeden Grivna. uw

Vorsicht, Mine!

Seit dem 30. Juli 2007 hielten 1 300 Arbeiter der mexikanischen Kupfermine in Cananea das Gelände besetzt und streikten für höhere Löhne, mehr Sicherheit und bessere hygienische Bedingungen. Am Freitag voriger Woche wurde der Ausstand von der Arbeitsbehörde für illegal erklärt und die Streikposten von 800 Polizisten gewaltsam vertrieben. Bei den folgenden Auseinandersetzungen wurden LKWs und Anlagen der Mine demoliert. Zwar kehrten bislang etwa 400 Arbeiter an ihren Arbeitsplatz zurück, die Gewerkschaft will jedoch das Urteil anfechten. Nach Angaben des Inhabers der Mine, des weltweit drittgrößten Kupferproduzenten Grupo Mexico SAB, ist durch den Streik ein Schaden in Höhe von 600 Millionen Dollar entstanden. Die Mine von Cananea ist in Mexiko nicht unbekannt. 1906 war dort ein Streik von 5 000 Minenarbeitern von Soldaten und Arizona-Rangers gewaltsam beendet worden. Diese Auseinandersetzung gilt als eines der Schlüsselereignisse für den allgemeinen Aufstand, der 1910 in der mexikanischen Revolution mündete. da