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Sie selbst sehen sich als humanitäre Helfer, für die Justiz des Tschad sind sie Entführer. In der vergangenen Woche verurteilte ein Gericht in der Hauptstadt N’Djamena sechs seit Oktober inhaftierte Mitarbeiter der französischen Hilfsorganisation Arche de Zoé wegen Kindesentführung zu acht Jahren Zwangsarbeit und Geldstrafen in einer Gesamthöhe von 6,2 Millionen Euro. Sie hatten im Oktober versucht, 103 afrikanische Kinder illegal nach Frankreich zu bringen und dort an Pflegefamilien zu vermitteln. Das sollte nur der Anfang sein, im Frühjahr hatte Arche de Zoé angekündigt, 10 000 Waisen aus der sudanesischen Krisenregion Darfur zu holen. Mehrere französische Ministerien waren informiert, Präsident Nicolas Sarkozy spekulierte offenbar auf einen Mediencoup wie bei der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern aus libyscher Haft. Doch kurz vor der Ausreise aus dem Tschad wurde die Aktion gestoppt, die Mitarbeiter von Arche de Zoé wurden verhaftet. Es stellte sich heraus, dass es sich um Kinder aus dem Tschad handelte und die meisten von ihnen Eltern haben.

Während die Mitarbeiter der Hilfsorganisation in tschadischen Medien daraufhin als skrupellose Kidnapper dargestellt wurden, hält sich in Frankreich das Bild der unschuldigen humanitären Helfer. Die Hintergründe sind bislang nicht geklärt. Die Angeklagten behaupten, von sudanesischen Clanführern getäuscht worden zu sein, Eltern sagten gegenüber der Polizei aus, sie seien mit der Aussage getäuscht worden, ihre Kinder würden Schulplätze erhalten. Für Sarkozy spielt das keine Rolle, er kündigte an, alle inhaftierten Franzosen aus dem Tschad zu holen, »egal, was sie getan haben«. Bereits zwei Tage nach dem Urteil wurden die sechs Häftlinge nach Frankreich überstellt, die auf französische Finanz- und Militärhilfe angewiesene Regierung des Tschad mochte sich Sarkozys Drängen nicht widersetzen. Es wird erwartet, dass die französische Justiz die Strafe reduziert oder ein Berufungsverfahren ermöglicht, vorerst aber bleiben die sechs Häftlinge im Gefängnis. ak