Spiegelglatt

von ivo bozic

Aust und vorbei. Der bisherige Chef­redakteur des Spiegel muss seine persönliche RAF-Aufarbeitung nun wo­anders fortsetzen. Jetzt kommt, so wird jedenfalls spekuliert, Claus Kleber. Und der kommt nicht aus dem Achtundsechziger-Milieu. Mit Gudrun Ensslin hat er nur eine biographische Gemeinsamkeit: ein Stipendium bei der »Studienstiftung des deutschen Volkes«. Es folgte noch eines vom DAAD. So finan­zierte er seine ersten USA-­Reisen, seitdem ist er leidenschaftlicher Amerika-Liebhaber.

Mit dieser Leidenschaft ausgerechnet zum Spiegel zu gehen – das ist wie ein Vegetarier, der eine Metzgerei übernehmen soll. Nun, da hätte Claus Kleber also eine schöne Mission. Nur: Mis­sionen sind seine Sache so gar nicht. Deshalb darf er als guter Journalist gelten. Von Kleber stammen so unglaublich unverdorben anständig klingende Sätze wie: »Ich habe als Reporter keine Meinung zu haben.« Oder: »In zehn Jahren sollen die Leute immer noch nicht wissen, auf welcher Seite ich stehe.«

Sicher, das könnte man auch als naiv bezeichnen, denn Herr Kleber bewegt sich beim heute-Journal schließlich nicht im luftleeren Raum. Aber es klingt andererseits nach einer echten Bewerbung für den Spiegel. Fürs ZDF jedenfalls wäre sein Abgang ein großer Verlust. Denn kaum jemand dort kann – außer vielleicht auf weitaus unbeholfenere Weise Johannes B. Kerner – so derma­ßen anständig die Generation Methusalem bedienen und dabei dennoch die vom Zweiten so dringend herbeigesehnte »Jugendlichkeit« ausstrahlen. Im FAZ-Fragebogen riet Kleber den Kindern: »Hängt bloß nicht rum, macht lieber Unfug!« Und Studenten in Tübingen gab er bei einem Gastvortrag auf den Weg: »Wer sein Studium in sechs Semestern absolvieren will, ist kein werdendes Genie, sondern ein armes Würstchen. Es ist überhaupt nicht verwerflich, den Tag des Examens so weit wie möglich hinauszuzögern.« Das ZDF kämpft daher weiter um seinen Anchorman. Der Spiegel setzt schon auf ihn. So begehrt kann man ohne Meinung werden.