Cheetah und die Discokugel

platte buch

Scheißdisco? Klar, da kann jeder mitreden. Dem einem wurde damals der Geldbeutel geklaut, den er dann auf dem Klo wieder gefunden hat – natürlich ohne Geld. Eine andere hat den ganzen Abend darüber geschimpft, dass diese unverschämte Type in exakt demselben Outfit aufgekreuzt ist wie sie selbst. Und eine dritte bekommt den Moment nicht mehr aus dem Kopf, als ihr Freund zwischen Ebeneezer Goode und Empire mit ihr Schluss gemacht hat. Solche Geschichten gibt es zuhauf. Da liegt es nahe, ein baufälliges Apartment in Glasgow kurzerhand mit Discokugeln zu dekorieren und eine Band mit dem Namen Shitdisco zu gründen, um dieses Wohnzimmer für 250 Personen jeden Abend mit tosenden 110 Dezibel Schalldruck zu bedröhnen.

Nach den Singles »Disco Blood/I Know Kung Fu« von 2005 und »Reactor Party« von 2006 gibt es nun endlich das Debütalbum »Kingdom of Fear« mit 37 Minuten Tanzmusik irgendwo zwischen Postpunk und Eurodance. Geradezu animalisch springt einen die Energie der Band in »I Know Kung Fu« an, wenn sich die pulsierende Spannung in einer Urschreimischung aus Cheetah und John Wayne entlädt: »Aaaaarrrrgh-argh-argh-argh eeh-haw!« Neben einfachen, aber höchst effektiven, an die Gang of Four erinnernden Gitarrenmelodien (»Another«) werden immer wieder Discoelemente eingestreut. Aber anders als zum Beispiel The Rapture knüpfen Shitdisco nicht an den Big Beat der Neunziger an, sondern orientieren sich an den straighten Rhythmen (»OK«) und dem Synthgeflatter des Acid House (»Reactor Party« und »3D Sex Shop«). Auch wenn gerade die neu eingespielten Songs bisweilen etwas konstruiert wirken, so z.B. »72 Virgins« mit dem orientalisierten Break, lassen einem das Tempo und die Energie der Platte kaum eine Pause. Und bei den Refrains reißt man dann die Arme ganz von selbst in die Höhe: »Disco/Disco-oh/Ooh-ooh«.

benedikt köhler

Shitdisco: Kingdom of Fear (Fierce ­Panda)