Niemand solle guillotiniert, an nichts und niemanden solle solidarisch appelliert werden. So lautete die einleitende Vorgabe für die antideutsche Konferenz, die unter dem Titel »Kritik und Parteilichkeit« am Wochenende stattfand. Aber »unbequem« sollte es werden in der Jerusalemgemeinde zu Berlin. Eine Ahnung von »unreglementierter Erfahrung« wollte dieser Kongress vermitteln.
Nicht Begriffsgeklapper und soziologische Wesensuntersuchungen seien die Grundlage der Kritik, sondern vor allem das Interesse am »schönen Schein«. So lautete eine der fröhlichen Botschaften, und tatsächlich mangelte es nicht an wahren, guten und schönen Aussagen. Eines der Hauptanliegen der Konferenz, antideutsche Identität als Familienersatz anzugreifen und die Illusionen über den Liberalismus und den bürgerlichen Staat zu kritisieren, eignete sich zwar als Fortbildungsmaßnahme für das überwiegend jugendliche Publikum. Doch waren die Vorträge für die Anwesenden alles andere als unbequem, nimmt man als Gradmesser für diese Einschätzung die Publikumsbeteiligung. Weil die Konferenzteilnehmer einfach gar nicht reagierten, mussten die Vortragenden oft selbst die Rolle des kritisch Nachfragenden einnehmen. Um eine Unstimmigkeit zu erzeugen, hätte es wohl etwas mehr gebraucht als nur die Versicherung, den Bruch mit der Linken seit langem vollzogen zu haben. Schon längst ist das eines der Identitätsmerkmale der Antideutschen.
Neben der Tatsache, dass viele der vorgetragenen Thesen bereits zum allgemeinen Repertoire gehören, trug auch der Umstand, dass alle Vorträge mal brillant, meist miserabel abgelesen wurden, dazu bei, nicht mal den Hauch einer unreglementierten Erfahrung aufkommen zu lassen.
Nicht zu Widerspruch, aber doch zu einiger Verwirrung führten die Vorträge lediglich in der »Raucher-Lounge«, wo die Frage, ob man mit Linken noch reden dürfe, verhandelt wurde. Die hin und wieder bedrohlich läutenden Glocken des Gotteshauses hielten allerdings die Erinnerung daran wach, dass auch über den frömmsten Gläubigen eine unreglementierte Erfahrung hereinbrechen kann. Für ein paar Minuten raste in einem Vortrag das islamistische Gesindel durch Paris, das, anstatt sich selbst umzubringen, Unschuldige daran hindere, ihre Hausaufgaben zu machen und zu schlafen. Doch der Sturm ging vorüber. Und die Gläubigen hielten stand.
nada kumrovec