Grotesk bleiben!

platte buch

Sie haben ihr eigenes musikalisches Genre erschaffen. Schon zu Anfang der Neunziger haben sie mit ihrer Vorgängerband ZEN in textlicher und musikalischer Hinsicht ein Höchstmaß an Provokation betrieben. ZEN war zu jener Zeit die einzige experimentelle türkische Improvisationsband. Ihr Demo »Derya« wurde von Thurston Moore von Sonic Youth herausgebracht. Ein Live-Album haben sie in einer psychiatrischen Anstalt aufgenommen.

Der größte Unterschied zwischen ZEN und Baba Zula ist der Grad der Improvisation. Bei ZEN wurde nur improvisiert. Baba Zula beschreitet den Mittelweg zwischen strukturierten Songs und Improvisationen. Im Vergleich zum Vorgängeralbum »Ruhani Oyun Havaları« haben die Texte auf »Duble Oryantal!« mehr Gewicht. Der Gesang wird nicht mehr nur als Klang benutzt. Er trägt Bedeutung. Manchmal kombiniert Baba Zula beides und schafft eine aufregende, energiegeladene Atmosphäre, ein lebendes Theater, wie beim vierten Song, »Sıpa«.

Die Band hat, wie auf ihrem ersten Album, mit dem bekannten Dub-Produzenten Mad Professor zusammengearbeitet. Mehr als zehn Gastmusiker spielen auf der Platte mit, u.a. Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten, Sly & Robbie, Brenna McCrimmon oder der bekannte türkische Klarinettist Hüsnü Senlendirici.

Man könnte den Sound der Band als eine Mischung aus orientalischer Musik, Dub und Psychedelia bezeichnen, würde ihm aber derart nicht gerecht werden. Baba Zula bewegt sich außerhalb eines musikalischen Genres. Mann muss seine Vorbehalte ablegen, wenn man die Band hört. Es geht nicht um Konfrontation, sondern um eine Vereinigung von Analogem und Digitalem, der spirituellen und der realen Welt.

Ohne Zweifel ist Baba Zula eine der einflussreichsten, originellsten und aufregendsten türkischen Bands aller Zeiten. »Duble Oryantal« ist ihre bisher beste Arbeit. Die Musiker wissen, wie man kreativ und musikalisch grotesk bleibt.

erinç güzel

Baba Zula: Duble Oryantal! (Doublemoon Records)