Dekadenter Schaum

Liebe Ware

Produkte, die wir auch nach dem Kapitalismus nicht missen wollen. Was gibt es zu jedem Fest? Sekt. Wie wird gute Laune zelebriert? Mit Sekt. Was ist das Ritual eines jeden Feiertages? Die Korken knallen zu lassen. Kein Erfolg und kein unvergesslicher Moment kommen ohne das prickelnde Gebräu aus doppelt gegorenem Wein aus. Von der Traubenernte bis zur Verkorkung lässt sich Sekt quasi vollautomatisch herstellen – im Gegensatz zum Champagner, den die Traditionalisten aller Voraussicht nach noch in 100 Jahren von Hand rütteln werden. Verbreitet ist der Sekt erst seit der industriellen Revolution. Bis dahin hatte sich die Produktion nicht wirklich gelohnt, vor allem weil die Flaschen ständig platzten und Glas ein kostbares Material war. Immerhin muss eine Sektflasche einen Druck über 10 Bar aushalten – zum Vergleich: ein praller Autoreifen hat in der Regel 2,5 Bar. Schnell avancierte der Sekt dann zum Lieblingsgetränk bürgerlicher Kreise und wurde so zum Symbol für Luxus und überschäumende Dekadenz. Diesen Beigeschmack genießen inzwischen viele Millionen Menschen. Meine Oma hat ihren Omastatus tagtäglich mit einem Piccolo begossen und damit auf jeglichen mit dem Sektgenuss häufig verbundenen Kollektivzwang gepfiffen. Wie sollte also die Feier aller Feiern gefeiert werden, ohne mit den anderen nunmehr freien Individuen auf die nunmehr freie Assoziation viele Flaschen Sekt zu öffnen? Für Sekt muss schon gesorgt sein, damit das alles glatt geht. Und dann macht sogar meine Oma mit.