Die Kultur des Karnevals

Multikulti, Fastfood und leicht verdientes Geld. Wenn der Karneval der Kulturen zu Pfingsten durch Berlin-Kreuzberg zieht, riecht es nach verbranntem Fleisch. von francisco conde

Der Kreuzberger Karneval der Kulturen ist ein Multikulti-Event, ein vibrierendes Mosaik. Ich muss zugeben, dass ich mich als Zuschauer etwas unbehaglich fühle, weil ich Spanier bin aber trotzdem kein Torero und nicht einmal musikalisch bin. Meine Verkleidung als Fotograf macht es mir auch nicht einfacher. Ich habe etwas zu verbergen, daher gehe ich in eine abgeschiedene Ecke, um einen neuen Film einzulegen. Ich möchte lieber nicht, dass jemand mitbekommt, dass ich einen Schwarz-Weiß-Film verwende.

»Wirst du farbige oder schwarz-weiße Bilder machen?«, hatte mich meine Freundin auf dem Weg zum Karneval gefragt. »Schwarz-Weiß.« Die Antwort schien sie etwas zu beunruhigen.

Die Fotografie scheint tatsächlich die gewagteste Form der Kommunikation zwischen den zahllosen Zuschauern und den Teilnehmern der endlosen Parade zu sein. Das Ganze wirkt wie eine Masse von Menschen vor einem riesigen Goldfischglas voller Farbe, Bewegung und Lärm. Es stimmt aber, dass die Geräuschkulisse die Hüften einiger Zuschauer zum Schwingen bringt.

Dann schlägt wegen der ganzen Anstrengung der Hunger zu. Während ich die Flamenco-Girls betrachte, überlege ich, ob es wohl möglich ist, irgendwo diesseits der Costa Brava eine Paella und Rotwein zu bekommen. Auf dem Blücherplatz gleicht das Szenario Olympischen Spielen, bei denen die Vetreter der verschiedenen Länder ihre Fähigkeit zur Schau stellen, verkäufliche Kulturformen zu produzieren. Schnell verkäufliche, um präzise zu sein. Mulikulti, Fastfood und leicht verdientes Geld, lese ich irgendwo und muss zustimmen, sind im Prinzip das Gleiche.

Dann starre ich auf die traurige Szene, in der Ponys mit gesenktem Kopf im Kreis herumlaufen, und überlege, wie sich ein Kind wohl dabei fühlt, auf einem derart deprimierten Wesen zu reiten.

Während der Sound variiert, muss der Geruch nach verbranntem Fleisch zum offiziellen Duft des Karnelvals der Kulturen erklärt werden. Die Paella sieht scheußlich aus. Also hole ich mir an einem Stand namens »The Asian Palace« ein Nudelgericht, das ganz annehmbar schmeckt.

Natürlich ist Caipirinha neben Bier und Bratwurst der Kassenschlager des Festivals. Während ich genüßlich an meinem Strohhalm sauge, treffe ich einen Freund, der hier vor Jahren Getränke verkauft hat. »Weißt du eigentlich, was du da trinkst?«, fragt er mich. »Caipirinha, was sonst.« »Ja, aber was trinkst du in Wirklichkeit?« »Naja, Pitú und Limette, nehme ich an.« »Vergiss es. Pitú ist viel zu teuer für diese Lokalitäten.«

Obwohl es frustrierend ist, hat die Situation ihre innere Logik: Alles, was du im Rahmen dieses Events vorgesetzt bekommst, liegt in der Spannbreite zwischen dem geringen Wert der Ware und der Tatsache, dass es teuer genug verkauft werden muss, um die astronomischen Kosten zu decken. Was du am Ende erhältst, ist bunt und freundlich, aber mehr nicht. Im Prinzip ist Konsum die einzige Kultur, die im Sinne von Multikulti alle Kulturen zusammenhält.

Ich danke allen beteiligten Künstlern, Organisatoren und Mitarbeitern. Es muss sehr schwierig sein, das Ganze auf diese Art hinzubekommen.