Gretchenfrage im Nähkästchen

in die presse

Wie viele Stilblüten und abgenutzte Metaphern passen eigentlich in eine Kolumne durchschnittlicher Länge in einer Tageszeitung? Zehn? Elf? Ein Dutzend? Uwe Kalbe stellte in seinem Text »Es geht auch anders« im Neuen Deutschland am vorigen Freitag einen neuen Rekord auf. Wir haben einfach mal nachgezählt und gestaunt.

Der Kanzler sei »von lauter Versagern umgeben«, schreibt Kalbe. »Der eine plaudert nach Kamingesprächen (Nummer eins) aus dem Nähkästchen (Nummer zwei) der Finanzpolitik, obwohl er kaum mehr darüber weiß, als dass ohne diese seine Reisen in die Bananenrepubliken (Nummer drei) dieser Welt nicht bezahlbar wären. Der andere grollt, weil er zum Nähkästchenlüpfen (Nummer vier) nicht geladen war, und vergreift sich zur Strafe an den Sparbüchsen (Nummer fünf) der Wähler der SPD, als ob er nicht wüsste, dass diese längst auf löchrige Sparstrümpfe (Nummer sechs) umgestiegen sind.«

Nicht schlecht für gerade mal zwei Sätze. Kalbe schreibt weiter: »Und die Grünen. Sie vergessen, dass man in Sicherheitsfragen die Union nicht schlagen kann, ohne Schily zu treffen. Wer den zornigen Schily kennt, schätzt die Milde von Chili.« (Nummer sieben) Hier helfe »nur noch ein Gespräch der Spitze (Nummer acht), Durchrechnen der letzten Chancen Spitz auf Knopf (Nummer neun), Dialog auf des Messers Schneide (zählt doppelt, Nummer zehn und elf). Der Kanzler kann auch anders, er kann sich den Vizekanzler rufen. Superdemokraten wie Dieter Wiefelspütz (zählt nicht, heißt wirklich so) lassen schon mal die Knute aus der Tasche lugen.« (Nummer zwölf)

Kurz gesagt: Der Krug der Bundesregierung geht so lange zum Brunnen, bis der Kanzler den Teufel im Detail stecken sieht, alten Wein in neue Schläuche füllt, die Gretchenfrage stellt und der Tropfen auf den heißen Stein das Fass zum Überlaufen bringt. Das wollten Sie doch sagen, Uwe Kalbe, oder?

stefan wirner