Die internationale Kampagne gegen die gewählte Regierung Venezuelas

Mit einer gewissen Genugtuung

Während die meisten lateinamerikanischen Staaten den Putsch gegen Hugo Chávez verurteilten, wurde er in Europa und den USA begrüßt.

Die USA forderten in den letzten Monaten immer unverhohlener die Ablösung von Venezuelas Staatspräsident Hugo Chávez. Seine Regierung hatte es gewagt, Kuba ein paar Barrel Öl zu schenken und innerhalb der Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) auf eine Begrenzung der Ölfördermengen zu drängen. Ausgerechnet der staatliche venezolanische Erdölkonzern Petróleos de Venezuela SA (PdVSA) fiel Chávez' Regierung dabei wiederholt in den Rücken und weigerte sich, die Fördermengen zu reduzieren. Die venezolanische Regierung versuchte daher verstärkt, die Kontrolle über das Management des wichtigsten staatlichen Konzerns zurückzugewinnen. Venezuela ist der viertgrößte Erdölproduzent der Welt und der drittgrößte Öllieferant der USA.

Nach Berichten der New York Times fanden im letzten halben Jahr zahlreiche Treffen der Opposition mit Vertretern der US-Regierung statt, das letzte vier Tage vor dem Putsch im April. Auch wenn über den genauen Wortlaut dieser Unterredungen wenig bekannt ist, so scheinen sie doch die Putschisten zum Handeln ermuntert zu haben. Die Gegner Chávez' um Unternehmerpräsident Pedro Carmona und General Efrain Vasquez glaubten sich der Rückendeckung aus den USA jedenfalls sicher zu sein, auch wenn ihre Inszenierung am Ende kläglich fehlschlug. So sollte der Staatsstreich der internationalen Öffentlichkeit als eine demokratische Massenerhebung und als ein legitimer Tyrannensturz dargestellt werden.

Die Medien werden in Venezuela zum größten Teil von den alten Eliten kontrolliert. Während des Putsches wurde das Staatsfernsehen abgestellt und die privaten Fernsehstationen verbreiteten ausschließlich die Propaganda der Putschisten. Die meisten Korrespondenten der westlichen Medien berichteten in der heißen Phase der Ereignisse in deren Sinne. »Mit dem vom Volk erzwungen Rücktritt von Präsident Hugo Chávez Frias endet für die Venezolaner eine weitere traumatische Phase ihrer Geschichte«, behauptete zum Beispiel die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom Samstag, dem 13. April. »Noch am Tag seines Sturzes faselte der Präsident im Fernsehen von einem vermeintlichen Komplott«, berichtete die FAZ weiter, die sich solche Sprüche von ihrem Korrespondenten aus Buenos Aires (ein paar tausend Kilometer südlich von Caracas) liefern ließ.

Und auch die Kommentatorin der ansonsten so auf Demokratie bedachten Neuen Zürcher Zeitung rechtfertigte am selben Tag unverhohlen die Putschisten: »Tote und Verletzte auf den Straßen von Caracas - niedergestreckt wenn nicht auf Befehl, so doch mit Zustimmung des Präsidenten - bewogen die obersten Befehlshaber der Streitkräfte, sich mit der Bevölkerung solidarisch zu erklären.« Diesen falschen Tatsachenbehauptungen schickte die Redakteurin ein weiteres ideologisches Glaubensbekenntnis hinterher: »Die drei Generäle, die im Palast von Miraflores den Rücktritt des ehemaligen Putschisten und Oberstleutnants vom höchsten Amt im Staat entgegennahmen, dürften dies mit einer gewissen Genugtuung getan haben.«

Die Genugtuung sollte nur von kurzer Dauer sein. Einige Tage später - der Putsch gegen Chávez war mittlerweile gescheitert und der Präsident zurück im Amt - erwogen auch die internationalen Medien die Möglichkeit, dass die Schüsse auf die Demonstration in Caracas von Chávez-Gegnern zu verantworten sind.

Auch Spiegel-Online nahm am 13. April routiniert den »Abschied eines Demagogen« zur Kenntnis. Chávez »verunsicherte nur die Wirtschaft, Unternehmer bremsten ihre Investitionen«. Was wäre dem noch hinzuzufügen? Gerne schien man in den Demokratien Europas und der USA zu übersehen, dass Chávez die Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren mit 59,5 Prozent der Stimmen eindeutig und regulär gewann.

Und auch, dass die Putschisten in keiner Phase des Staatsstreichs belegen konnten, der Präsident sei, wie behauptet, freiwillig zurückgetreten, irritierte nicht. Dafür meldete die NZZ dann am 15. April tatsächlich Klärungsbedarf an und wollte wissen, »unter welchen genauen Umständen Chávez und der Übergangspräsident Carmona aus dem Amt getrieben worden sind«. Ganz so, als ob die Amtsenthebung eines Putschisten und eines regulären Staatspräsidenten gleich zu behandeln wären. Carmona kam neben anderen Teilnehmern der Verschwörung in Untersuchungshaft.

»Mir steht es nicht zu, über sie zu urteilen«, sagte Chávez kurz nach seiner Rückkehr ins Präsidentenamt auf einer Pressekonferenz in Caracas und verwies auf die Zuständigkeit der Justiz. Die nationale Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten, Condoleezza Rice, meinte hingegen nach dem fehlgeschlagenen Putsch, Chávez habe aus der Krise in Venezuela die Konsequenzen zu ziehen und müsse seine Politik korrigieren, »die sich, offen gesagt, seit geraumer Zeit in die falsche Richtung bewegt«.