Welt der Warenform XIX

Der Geruch von Erdal-Rex

Dieser Text ist nicht Bill Clinton gewidmet. Denn ab jetzt wird inhaliert, die Zeiten der Cannabis-Prohibition sind vorbei. Die ganze Welt schaute im Juli auf Belgien, wo die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken genehmigt wurde. Allerdings muss die Lebenserwartung des Patienten unter einem Jahr liegen, und es darf nur der Marihuanavorrat für einen Monat gelagert werden. Aber wer fühlt sich schon so richtig gesund, und wer hat schon mehr als eine Monatsration auf Halde?

Kanada hat dann nachgezogen. Dort können sich unheilbar Kranke von nun an die Birne zudröhnen, sie dürfen das Zeug sogar selbst anbauen. Müssen sie aber nicht, denn die kanadische Regierung hat auch gleich noch einen Vertrag mit einem Unternehmen geschlossen, um das Weed in einer stillgelegten Kupfermine zu züchten. Vergiss das Homegrown, jetzt kommt Minengras.

Wirklich vorbildlich agiert das sonnige Portugal. Hier ist Cannabis seit Juli fast legal. Zumindest droht den Besitzern des Stoffs keine Haftstrafe mehr. Man darf also rauchen, auch wenn man nicht unheilbar krank ist. Und das ist doch ein entscheidender Vorteil.

Überhaupt Portugal. Bewegt man sich als Tourist durch die Straßen und über die Plätze von Lissabon oder Porto, erliegt man leicht dem Eindruck, auf der ganzen Welt noch niemals so viel Hasch gesehen zu haben. Da stehen sie, am Bahnhof oder auf dem Platz vor der großen Kirche, wie hieß die doch gleich? Sie sehen dich an, deuten verstohlen auf ihre geöffnete Hand und du siehst sie: diese riesigen Klumpen feinsten Haschischs, du glaubst das Harz fast zu riechen, mmmh, yeah, Ganja.

Und dann kaufst du das Zeug, der Dealer wispert irgendwas von Policia, schnell drückt er dir ein schönes Piece in die Hand und verschwindet im Getümmel der Stadt. Du steckst das Teil in die Tasche, biegst um die nächste Ecke, schlenderst runter zum Park, setzt dich in die Sonne und fängst an zu bauen ...

Aber irgendetwas stimmt nicht. Ein seltsamer Geruch schleicht sich ins Idyll, der Geruch nach, ja welcher Geruch eigentlich? Ohne Zweifel, nach einigen Sekunden wird dir klar: Es ist der Geruch von Erdal-Rex. Du hast keinen schwer psychotisch draufbringenden Schwarzen Afghanen gekauft, keinen Mellowness verbreitenden Roten Libanesen und auch keinen Standard-Maroc. Du hast Schuhcreme gekauft. Peter Tosh hilf!

Das Tolle ist die Solidarität, die einem widerfährt, wenn man in trauter Runde solche bitteren Erlebnisse zur Sprache bringt. Eine Freundin, die auch kifft, erzählt davon, wie sie in der Alfama in Lissabon Gras kaufen wollte. Der Typ war total nett und hat sie erstmal auf einen Joint eingeladen, dann hat er ihr ein Amulett geschenkt mit einer Madonnna drauf, so billigen Kitsch, aber das war total süß von ihm. Schließlich hat sie ihm 'ne Tüte abgekauft, dachte sich noch, ist das nicht ein bisschen wenig, aber er murmelte Policia und war weg.

Als sie im Hotelzimmer ihre Beute begutachtete, roch es ein wenig seltsam. Kann man nichts machen, so riecht eben Heu. Heu. Es ist zum wahnsinnig werden. Gibt's denn hier nichts zu rauchen? Nur noch für Todkranke? Zum Dealer mit Rezept?

Sie fuhr raus aus der Stadt, mit dem Zug ins Alentejo. Und dann ist sie doch noch eingeladen worden. Astreines Gras zwischen den Waggontüren. Von einem wirklich netten Menschen. Auch so ein Unheilbarer.