Gespräch mit Lars Henrik Gass, dem Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen

»Fuck Feature Film«

Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen sind mit jährlich mehr als 3500 Filmeinreichungen und Gesamtpreisdotierungen von 75 000 Mark das größte Kurzfilmfestival der Welt. Ein Gespräch mit dem Festivalleiter lars henrik gass

Was ist denn eigentlich ein »Kurzfilm«?

Ein Kurzfilm ist vor allem kurz. Die Auffassungen davon dürften aber einigermaßen unterschiedlich sein, selbst unter Kurzfilmfestivals, und sie waren im Übrigen selbst in Oberhausen nicht immer eindeutig. Ich sage: Kurzfilm ist jedes projizierbare Bewegtbild unter circa 45 Minuten. Heute werden in Oberhausen alle möglichen Formate und das gesamte Spektrum der kurzen Form präsentiert.

1998 hast du noch gesagt, du wüsstest nicht, was ein Kurzfilm sei.

Das sage ich auch heute noch, sozusagen gegen das teutonische Spezialistentum. Das ist ein Programm und eine ziemlich effiziente Nachwuchsförderung zugleich. Ich grenze mich damit ganz bewusst ab von den Leuten, die ganz genau zu wissen glauben, was ein Kurzfilm ist, und darunter einen 35mm-Spielfilm, möglichst unter zehn Minuten verstehen. Mich langweilt das zu Tode, denn es übersieht vollkommen das ungeheure Spektrum der Formate und Genres, die gewissermaßen den Humus bilden für zukünftige ästhetische Entwicklungen.

Damit dürftest du wahrscheinlich einigermaßen quer liegen zu der Kurzfilm-Definition der deutschen Filmförderung?

In der Tat, das ist wirklich ein dunkles Kapitel, denn hier werden seit Jahren Entwicklungen verschlafen, und das Geld wird zum Fenster hinausgeschmissen mit dem Argument, etwas für den Kurzfilm zu tun. Die deutsche Filmförderung auf Bundesebene hält stur am Kurzfilm als Kino-Vorfilm fest. Das gilt auch für den »Murnau-Preis«. Nun haben aber Werbefilme und Trailer jede andere kurze Form aus dem Kino verjagt. Diese historische Entwicklung ist durch keine Filmförderungsrichtlinie umzukehren. In der Tat hat kein Bundesfilmpreis und kein Prädikat der Filmbewertungsstelle Wiesbaden je einen Kurzfilm erfolgreich ins Kino gebracht. Auch die Maßnahmen der Filmförderungsanstalt in Berlin mit der Richtlinie und dem vorgeblichen ideellen Ziel, mithilfe von Auflagen Verleihern und Kinos die kurzen Filme vor den langen aufs Auge zu drücken, sind, wirtschaftlich betrachtet, eine ungeheuerliche Geldvernichtungsmaschine. Die meisten auf diesem Wege teuer hergestellten und vertriebenen Kopienstöcke wandern einfach auf Nimmerwiedersehen in den Müll statt ins Kino. Alles andere ist gelogen. Die Förderung des Kurzfilms als Vorfilm ist ein Anachronismus. Man muss Leute fördern, nicht die Standards.

Nun habt ihr beim letzten Festival einen so genannten Kino-Preis eingerichtet mit dem Ziel, die Kinoauswertungen für Filme zu verbessern.

Es ist ja auch unsere Aufgabe, dafür etwas im Rahmen unserer Möglichkeiten zu tun. Dennoch stellen diese Aktivitäten einen ganz geringen Anteil, verglichen mit anderen, sehr viel wichtigeren und weitaus folgenreicheren Bemühungen von uns.

Die da wären?

Vermittlung, ästhetisch und wirtschaftlich. Viele Festivals lassen sich bedienen, wir wollen auch etwas tun für die Filme, die wir für gut genug befunden haben, sie zu zeigen.

Und was ist ein guter Kurzfilm?

Als handwerkliche Kategorie interessiert mich »gut gemacht« überhaupt nicht. Mich interessieren nur Filme, die eine Frage an mich haben und mir ein Problem stellen.

Auch darin dürftest du dich von der Filmförderung unterscheiden. Dennoch gehen von der Bundesebene sehr ernsthafte Initiativen aus, mit dem Ziel, die Kurzfilmförderung zu reformieren ...

... einverstanden ...

... und auch mit dem jüngst erst eingerichteten hochdotierten Kurzfilm-Preis der Filmförderungsanstalt in Berlin, dem »Short-Tiger«, der im Sommer in München auf dem Filmfest verliehen wurde.

... auf einem Filmfest, das keinen einzigen Kurzfilm im Programm hatte. Und der Leiter der Filmförderungsanstalt saß in seiner eigenen Jury, damit nichts schief läuft. Das sagt doch schon alles. Großartige Idee. Nebenbei ist auch noch der Titel vom Rotterdamer Filmfestival abgeschaut. Ich sage dir, was die damit im Schilde führen: Die finden die Filmbewertungsstelle ebenso überflüssig wie ich, jedoch aus anderen Gründen. Die ärgert doch nur, dass ihre Vorstellungen von kommerziellen Kurzfilmen nicht in vollem Umfang durchgesetzt werden können und immer noch ein experimenteller Ausreißer unter den geförderten Kandidaten ist. Mit ihrem Preis will die FFA durch die Hintertür die unabhängige Referenzförderung abschaffen, damit es am Ende nur noch die soeben erwähnten 35mm-Spielfilmchen gibt. Dann gute Nacht!

Nun hat aber der Bundestag bestimmt, dass der Kurzfilm in Zukunft auch entsprechend in der Auslandsvertretung des deutschen Films berücksichtigt werden müsse.

Gott sei Dank. Aber es gibt immer noch einen Unterschied zwischen den Interessen des Bundestages und den Interessen der deutschen Filmwirtschaft. Und ich sage ihnen, dass sie lange werden suchen müssen, bis sie jemanden finden, der die Bedeutung des Kurzfilms für den Nachwuchs und das Image des deutschen Films im Ausland erkennt. Alle stellen sich natürlich sofort mit aufs Foto, wenn jemand, erstaunlich genug, Erfolg mit einem Langfilm hat. Wie er aber dahin kommen kann, darüber denken nicht so viele Leute nach. Herzog, Kluge, Karmakar waren alle in Oberhausen.

Also ist der Kurzfilm eine Art Visitenkarte?

Ja und nein. Ja, weil natürlich viele junge Filmemacher eigentlich lange Filme machen wollen. Allerdings sehen die Visitenkarten leider häufig nur aus wie Szenen aus einem schlechten Langfilm. Und nein, weil andere Filmemacher überhaupt keinen Ehrgeiz haben, lange Filme zu machen, und die kurze Form in ihren Möglichkeiten nutzen möchten. Ich gebe zu, dass ich die Ergebnisse aus der zweiten Gruppe filmisch oft überzeugender finde.

Worin besteht dann deiner Ansicht nach der Erfolg eines Filmfestivals, wenn es keine erfolgreichen Filme zeigt?

Ein Festival ist erfolgreich, wenn es Folgen für seine Filme hat. Oft habe ich allerdings den Eindruck, als gehe es vor allem um den Glamour für die Leute, die das Geld geben.

Gut, aber hat denn Kurzfilm überhaupt ein marktrelevantes Potenzial?

Nicht in dem Sinne, wie das beim langen Spielfilm der Fall ist. Man darf nicht den Fehler machen, die Erfolgsparameter des langen Spielfilms an den Kurzfilm anzulegen; dann sieht der Kurzfilm wirklich alt aus. Nebenbei ist der lange deutsche Spielfilm auch nicht so erfolgreich, wie es die Leute, die den Kurzfilm schlecht reden, gerne hätten. Wenn ich mir so anschaue, was in Deutschland über den Tisch geht an Filmförderung für Langfilme, dann sieht die Bilanz für den Kurzfilm sehr gut aus. Zweitens ist der Kurzfilm nur für eine sehr kurzfristige Perspektive wirtschaftlich irrelevant. Viel wichtiger als die Verkaufszahl ist doch die Nachwuchsförderung. Der Kurzfilm ist und bleibt für Filmemacher die einzige Möglichkeit, sich mit kleinen Etats auszuweisen und dem Quotendiktat zu entkommen.

Der Kurzfilm bleibt also eine etwas elitäre Angelegenheit?

Wenn es denn elitär ist, nicht kommerziell erfolgreich zu sein, dann schon. Der Kurzfilm führt ein recht lebendiges Dasein außerhalb des Kinos. Der Umstand jedoch, dass nur eine verschwindend geringe Anzahl von 3 500 Kurzfilmen bei uns jemals eine Auswertung in Kino oder Fernsehen erfährt, schmälert die Bedeutung des Kurzfilms ebenso wenig wie die unsere; denn bei den Kurzfilmtagen können neue Formen und Autoren entdeckt werden, von denen die Filmindustrie heute noch keinen blassen Schimmer hat. Es gibt mittlerweile viele neue Zielgruppen für den Kurzfilm, nachdem die alten verschwunden sind. So ist Kurzfilm etwa in London derzeit fast ausnahmslos in Musik-, Club- und Eventzusammenhängen zu sehen und durchaus nicht nur als animierte Hintergrundtapete von Diskotheken. Mark Webber, Mitglied der britischen Gruppe Pulp, kuratiert selbst Kurzfilmprogramme - u.a. für uns -, im »Scala«-Club wechseln DJs und Kurzfilme sich ab, und auf dem Karneval in Notting Hill bieten Kurzfilmprogramme die Alternative zum Bier. Der Kurzfilm erlebt dort eine Renaissance jenseits von Kino, Fernsehen und Festivals.

Dennoch ist dein Kurs in Oberhausen nicht unumstritten. Ohne Zweifel hat zu einer gewissen Polarisierung auch unser beider Engagement für Musikvideos beigetragen. Warum bietest du Musikvideos, die gemeinhin als kommerziell angesehen werden, ein Forum in Oberhausen?

Zunächst einmal sind ja Musikvideos nicht selbst kommerzielle Produkte, sondern lediglich ein Imageträger derselben. Das macht schon einen entscheidenden Unterschied, diese Eigenständigkeit des Genres. Außerdem interessiert mich unter ästhetischen Gesichtspunkten nur ein Bruchteil dessen, was man im Musikfernsehen so zu sehen bekommt. 99 Prozent ist in der Tat Schrott. Doch selbst der kann, ästhetisch oder soziologisch gesehen, sehr wohl in bestimmten Zusammenhängen ein extrem guter Indikator von Entwicklungen sein. Kurz, einerseits engagieren wir uns für die wirklich außergewöhnlichen Autoren, ob national oder international. Jemand wie Philipp Stölzl lief schon in Oberhausen, bevor er mit Madonna und Garbage gearbeitet hat und die Szenemagazine über ihn geschrieben haben. Andererseits zeigen wir Musikvideos in bestimmten thematischen Zusammenhängen, wie etwa von Stadt und Jugendkultur oder Imagetransfers in der Popkultur.

Daneben gibt es aber auch zahlreiche Berührungspunkte zwischen dem traditionellen Avantgardefilm, der Videokunst und Ästhetiken des Musikvideos, die mich interessieren, sowie viele Regisseure, die in diesen Bereichen gearbeitet haben, etwa James Herbert, Jem Cohen, Chris Cunningham, Robert Frank u.v.m. Zusammenhänge also, die den Filmleuten und den Leuten aus der Kunstszene gleichermaßen schleierhaft bleiben. Ganz nebenbei verschaffen wir einigen Musikvideos, die sehr experimentell sind, durch unser Engagement einen Platz im Musikfernsehen. Ganz zu schweigen von Christoph Drehers sehr gelungener Serie über Musikvideos, »Fantastic Voyages« auf 3sat, die ohne uns wohl nicht so zustande gekommen wäre.

Mir scheint, dass du dich recht vehement von der Kunstszene absetzt. Warum?

Überhaupt nicht. Mich nervt einfach nur diese ungeheuere intellektuelle Ignoranz, die dort zum Teil herrscht. Ich könnte dir eine lange Liste von Filmemachern machen, die in Oberhausen geradezu entdeckt und später dann von der Kunstszene vereinnahmt wurden, als hätte es diese Vorgeschichte niemals gegeben. Eija-Liisa Ahtila ist davon zweifelsohne die bekannteste.

Man wirft dem Festival u.a. vor, Musikvideos einfach nur zu importieren?

Tun wir ja gar nicht. Das besondere Angebot der Kurzfilmtage besteht gerade darin, den unterschiedlichen Zugangsweisen zu Musikvideos, statt sie auf Kunst- oder Musik-, Produktions- oder Auswertungszusammenhänge zu reduzieren, ein neues Feld der Auseinandersetzung zu bieten. Während im Musikfernsehen Musikvideos in der Regel nach den Verkaufszahlen des beworbenen Musikstücks eingesetzt werden, wird bei den Kurzfilmtagen nach ästhetischen Gesichtspunkten, Autoren, Themen, usw., programmiert und auf großer Leinwand projiziert. So werden zugleich historische Situierungen von Musikvideos und vielfältige filmgeschichtliche Querverbindungen möglich, die in Kunst- und Musikkontexten gemeinhin völlig ausgeblendet werden.

Welche Bedeutung hat für dich denn dabei die Popkultur?

Popkultur ist kein klar umrissenes Territorium von Formen und Genres. Sie hat eine adaptive und generative Wirkmacht und beeinflusst damit sehr unterschiedliche Bereiche von Kultur und Ökonomie. So darf man etwa auch nicht glauben, Musikvideos seien der Ausdruck von Popkultur im Kurzfilm schlechthin. Ich möchte im Gegenteil vorschlagen, Pop-Bilder überhaupt nicht als eine dem jeweiligen Musikstück anhängige illustrierende Qualität anzusehen. Popkultur ist, obschon begründet in Musikkultur, ja vor allem eine genre-unspezifische Ausdrucksform eines Bewusstseins von ästhetischen und gesellschaftlichen Unterschieden, das oft von minoritären subkulturellen Kontexten seinen Ausgang nimmt und in diversen sozialen und kommerziellen Ausprägungen eine sehr uneinheitliche Verlaufsfigur aufweist.

Eine Frage jedoch stellt jede Artikulation popkulturellen Bewusstseins: Wie möchte ich leben? Popkultur ist die trennende Frage der jeweils Jüngeren in Bezug auf die ältere Majorität, in der sich unentscheidbar Subversion und Anpassung, Vereinzelung und Kollektivierung durchdringen. Popkultur ist also weder als rein kommerzielle Adaption von subkulturellen Images noch als bruchlose Verlängerung derselben lesbar. Und genau darin liegen die Berührungspunkte von Avantgarde und Popkultur.

Willst du damit behaupten, Popkultur sei so etwas wie eine neue Avantgarde?

Nein, zumal da der Begriff der Avantgarde vielleicht selbst schon nichts mehr bezeichnet. Insgesamt geht es mir lediglich um die Frage, wo und wie ästhetische und gesellschaftliche Differenz behauptet wird. Sie ist heute nicht mehr zwangsläufig über die alten Parameter der Kunst zu entscheiden, sondern eher über spezifische Gruppendiskurse.

Willst du durch Import Jugendlichkeit für das Festival einkaufen?

Nun, ich bin ja auch nicht gerade uralt. Man hat mich eingekauft.

Wurde das Festival etwa nicht kommerzialisiert?

Also, selbst wenn wir ein paar Mehreinnahmen verzeichnen, »kommerzialisieren« wir noch nicht das Festival. Ich bin aber auch nicht traurig, dass wieder mehr Leute kommen. Heute muss man Kultur anders verkaufen als früher, aggressiver vor allem. Wir erkaufen aber den Erfolg beim Publikum nicht mit inhaltlichen Abstrichen.

Von den politischen Ursprüngen des Festivals ist nicht viel geblieben?

Das ist ein wirklich interessanter Punkt, Mythos und Wirklichkeit des Politischen in Oberhausen. Darin machen sich Image und Renommee dieses Festivals auch als Last bemerkbar. Während der Festivaleröffnung im April 1999 kam es anlässlich der Intervention der Nato im Kosovo zu einer Demonstration, die mich sehr lange beschäftigt hat, u.a. weil ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, nicht auf der Seite der Opposition zu stehen oder stehen zu können. Das war auch ein ziemlicher Schock für mich, und ich habe mir deshalb die Frage gestellt, wie man sich als Festival heute politisch verhalten kann. Die Erstürmung der Bühne wurde wiederholt als Argument herangezogen, dem Festival selbst mangelnde politische Positionierung zu unterstellen. Zudem geriet darüber die soeben gegründete gemeinnützige GmbH des Festivals, das nach 45 nicht immer ganz einfachen Jahren als Teil der Stadtverwaltung nun im Kostüm der Marktwirtschaft eine neue Autonomie seines Handelns erreicht hatte, in den Verdacht, sich endgültig in den Schoß des Kapitalismus begeben zu haben.

Der Irrglaube der Demonstranten indessen war aber, das Festival sei selbst immer irrsinnig politisch gewesen. Das aber stimmt doch gar nicht, obschon Hilmar Hoffman das in seiner Autobiografie etwas anders darstellt, denn die Politik hat die Kurzfilmtage immer »von außen« erreicht; das war mit dem »Oberhausener Manifest« so und auch 1968 beim Auszug der deutschen Filmemacher anlässlich der Sperrung von Hellmuth Costards Film »Besonders wertvoll«. Ein Festival muss kraft seiner Vermittlungsfunktion in Kauf nehmen, zerrissen zu werden; das ist seine Rolle. Alles andere Harmonisierungsgeteue ist Unsinn. Man darf sich nicht auf eine opportunistische Weise politisch geben wollen, damit man in aller Augen als politisch gilt.

Was willst du mit dem Slogan »Filme für Ungeduldige« sagen, mit dem du 1998 das alte Festivalmotto »Weg zum Nachbarn« abgelöst hast?

... dass Kurzfilm nichts für Langweiler ist. In diesem Jahr ist mein Motto: »Fuck Feature Film«.

Haben die Kurzfilmtage eine Zukunft?

Ein Festival unter vielen zu machen, genügt nicht mehr. Als Festival hat man - egal wie erfolgreich man ist - natürliche Grenzen in seinem Kommunikationsradius. Also muss man den Kurzfilm unter den Arm nehmen und damit zu den Leuten gehen, die nicht zu uns kommen. Meiner Ansicht nach gibt es ein ungeheueres Potenzial für kurze Formate im gesamten öffentlichen Raum und einen enormen Mangel an so genanntem Content.

Kannst du dafür ein Beispiel nennen?

Zurzeit bemühen wir uns, Kurzfilme im Musikfernsehen unterzubringen. In der Tat bietet ja etwa das Rotationsprinzip des Musikfernsehens bislang unbekannte Sendeflächen für kurze Formate und Genres aller Art. Daher haben wir mit MTV eine Zusammenarbeit begonnen mit dem Ziel, Kurzfilme auch dort unterzubringen. Als Medienpartner der 47. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen wird MTV nicht nur den MuVi-Preis in seinem Programm präsentieren und vom Festival berichten. Im Umfeld des Festivals strahlt MTV darüber hinaus zwischen April und Mai 2001 über 20 Kurzfilme aus den Programmen der Kurzfilmtage aus. Mit dieser Kooperation erschließen die Kurzfilmtage und MTV dem Kurzfilm ein vollkommen neues und zeitgemäßes Publikum.

Geht denn von den neuen Medien und dem Internet - Stichwort: Internet-Festivals - nicht eine sehr große Gefahr aus für ein eher traditionelles Filmfestival wie die Kurzfilmtage?

Habe ich auch immer geglaubt, stimmt aber nicht. Die Internet-Festivals versuchen ja nichts anderes, als klassische offline-Festivals nachzubilden. Die Sache hat für uns im Wesentlichen drei Aspekte: Erstens werden immer mehr kurze Formate produziert wegen der extrem vereinfachten Produktionsbedingungen, zweitens gibt es in diesem totalen Wahnsinn des Virtuellen offenbar auch sehr ursprüngliche Bedürfnisse nach der Nestwärme des Kollektivs, die auf so einem traditionellen Festival, wenn es denn gut ist, eingelöst werden können. Und drittens ergeben sich für uns selbst im Internet völlig neuartige Auswertungszusammenhänge jenseits des Kinos, woran diese Dotcoms noch gar nicht gedacht haben.

Olaf Karnik ist seit 1998 Berater und Kurator im Bereich Musikvideos der Kurzfilmtage.

Lars Henrik Gass, geboren 1965 in Kaiserslautern, ist seit 1997 Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Er studierte Literatur- und Theaterwissenschaften sowie Philosophie und schrieb seine Dissertation über die französische Schriftstellerin und Filmemacherin Marguerite Duras (»Das ortlose Kino«). Von 1996 bis 1997 war er Geschäftsführer des Europäischen Dokumentarfilm Instituts in Mülheim an der Ruhr.