Öde Ödeme II

Schlangenlinien

In der Fußgängerzone kam mir Pünschel entgegen - mit puterroten Backen. Andere haben Wangen, er hat Backen. Seine Augen flackerten wild. Ein besorgniserregendes Bild! Das hatte doch etwas zu bedeuten?! Ich eilte ihm entgegen.

»Na, wo kommst du denn her, Pünschel?«

Er tat erst so, als müsse er überlegen, ob er mich kenne. Dann nickte er bestätigend. Ach der!

»Na, wo kann ich wohl herkommen?« Verärgert schüttelte er mit dem Kopf. »Ich war beim Hautarzt. Seit einiger Zeit habe ich doch so eine Schuppenflechte am Hintern; bin jetzt endlich mal hingegangen, um einen Allergie-Test zu machen. Allergie hat der Doc aber ausgeschlossen.«

»Sei froh«, warf ich ein. Aber er winkte nur ab.

»Dann hätte ich wenigstens gewusst, was ich tun oder lassen muss. Keine Nüsse essen zum Beispiel. Aber so? Eine Salbe hat er mir verschrieben. Ich solle ihn immer schön eincremen damit. Mehr könne er auch nicht für mich tun.«

»Naja.« Ratlos zuckte ich mit den Schultern.

»Da kommste dir doch vor wie Sascha Hehn ... Eincremen!«

Als ich ihn mir daraufhin noch einmal ansah, hatte ich nicht den Eindruck, dass er sich unbedingt so vorkommen müsse. Aber ich wusste auch, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Irgendetwas anderes musste Pünschel

so nervös gemacht haben.

»Los, rück schon raus mit der Geschichte«, forderte ich ihn auf.

Er schien nur darauf gewartet zu haben. »Vor vier Wochen ist jemand eingezogen in unserem Haus. Oben links, weißt du ... Eine Frau. Monika Appeldorn. Kastanienbraunes Haar, dunkler Teng, etwa mein Alter.« Er malte mit seinen Händen Schlangenlinien in die Luft. »Wunderschön, sage ich dir. Außerdem nett. Du, und nicht dumm! Wir haben uns zwei Mal im Hausflur getroffen und uns beide Male bestens unterhalten.«

»Jawoll«, nickte ich anerkennend. »Und?«

»Beim nächsten Mal, habe ich mir gesagt, lädst du sie mal zu einer Tasse Kaffee ein. Ich meine, wenn man sich auf Anhieb so gut versteht ...«

»Klar«, sagte ich. »Und beim Kaffeetrinken ist dir dann ein Fauxpas passiert!?«

»Quatsch, so weit ist es doch gar nicht gekommen.« Er blickte verträumt durch mich hindurch und sagte mehr für sich: »Wird es wohl auch nicht mehr.« Aber dann gab er sich einen Ruck und fuhr fort.

»Nachdem sich der Arzt meinen Ausschlag angesehen hat, geht er ins Nebenzimmer, bedeutet mir aber, noch einen Moment so stehen zu bleiben. Er wolle erst noch eine Salbe testen. Dann höre ich, wie er einer Sprechstundenhilfe zuruft: ðMonika, geh doch mal rüber und trag' diese Salbe auf!Ð Und wer biegt da um die Ecke, den Zeigefinger schon tief im Cremetöpfchen versenkt?«

»Auweia.« Ich schluckte.

»Ja! Auweia! - ðOh, Herr PünschelÐ, sagt sie leicht irritiert. Und ich starre auf den vermaledeiten Cremepott. ðNeeneeÐ, sag ich, ðdas mache ich schon selbst.Ð Und sie: ðOch, jetzt habe ich schon Creme an den Fingern.Ð Und wienert mir den Hosenboden blank.«

»Jesses.« Meine rechte Hand fuhr vor Schreck an die Stirn. »Und was willst du jetzt tun?« »Was schon?« fragte er mich ungläubig. »Mir eine andere Wohnung suchen!«