Welt der Warenform VIII

Ardennen im Frühstück

Kennen Sie Peter Kölln? Vermutlich nicht. Aber seinen Verkaufsschlager, mit dem er Generationen deutscher Kinder gemartert hat: Kölln-Flocken? Auch nicht? Dann müssen Sie in der DDR aufgewachsen oder - was die Sache nicht viel besser macht - von einer ökologisch-alternativ inspirierten Elternschaft mit selbst gequetschten Haferflocken gequält worden sein. In allen anderen Fällen kann es kein Entrinnen gegeben haben, spätestens bei Oma hörte der Spaß auf. So auch bei mir. Kölln-Flocken, das war - üblicherweise mit Milch versetzt - eine weiße, klebrige und übel riechende Masse, nur mit solchen Unmengen von Zucker zu ertragen, dass zwei Tafeln Milka als vergleichsweise vollwertige Mahlzeit gelten konnten.

Kölln-Flocken, das waren die disziplinargesellschaftlich modernisierten Nachfolger des offenen Repressionsinstruments »Lebertran«, das man als 71er Gott sei Dank nur noch aus Märchen kannte. Kölln-Flocken, das war auch ein jahrelanges Rätseln über die Herkunft dieser hell-dunkel-blauen Pakete, eine ewige Irritation durch das Köln mit Doppel-L, die mich in meiner heimatkundlichen Entwicklung entscheidend hemmte. Dass Kölln-Flocken nicht am Rhein, sondern bis heute im fernen Elmshorn produziert werden, habe ich erst verstehen können, als dem Idealtypus eines 20jährigen Kölln-Flocken-Konsums zur massenmedialen Repräsentanz verholfen wurde - in Gestalt des »Elmshorners« Michael Stich.

So erschien es mir wie ein Akt historischer Gerechtigkeit, von Peter Kölln in meinem späteren Leben mit einem der besten Schoko-Müslis der kapitalistischen Hemisphäre versorgt zu werden. Doch das Imperium schlägt seit letzter Woche zurück. Als wäre Peter Köllns Schoko-Müsli an sich nicht schon braun genug, so versucht er seit neuestem, seine Kundschaft per beigelegter Postkarte zum Kauf von »Blechdruck-Präge-Schildern mit Originalmotiven aus der guten alten Zeit« zu animieren. Beim Betrachten der Motive bleiben kaum Zweifel, welche Zeiten Peter Kölln wieder herbeisehnt: Ob »Schuljunge«, »Mädchen« oder »Baby«, gescheitelt, blond und blauäugig ist des deutschen Wesen. Und in Zeiten, in denen dieser gottlose Staat per Plakatwerbung offen dazu aufruft, mit dem ius sanguinis zu brechen, da soll dieses Wesen offensichtlich an Kölln-Flocken wieder genesen.

Doch das Engagement des Peter Kölln darf keineswegs als einsamer politischer Kampf gegen die Windmühlen der Neuen Zeit missverstanden werden. Seine Blechschilder dienen in erster Linie dem Marketing, und »original deutsch« verkauft sich heute so gut wie schon lange nicht mehr. Aber wenn sich gegenwärtig mit Reichsnährstands-Ästhetik schon wieder Geld verdienen lässt, warum versteckt Peter Kölln sie dann im Packungsinneren? Vermutlich alles nur ein Testballon. Ist das Volk erst einmal mit dem Arier-Blech versorgt, wird der nächste Werbefeldzug folgen. Dann wird offensives Product-Placement gefragt sein.

Und während die deutschen Dependancen der internationalistisch gesinnten Nahrungsmittel-Industrie damit werben werden, dass Isostar, Milchschnitte und Nutella gleich tonnenweise an die in Sydney weilenden Olympioniken verteilt werden, setzt Peter Kölln auf die gezielte Ansprache seiner Kundschaft. Zur Fußball-EM in Belgien und den Niederlanden wird er seine Verpackungen mit einem dezenten Aufdruck versehen: »Offizieller Ausrüster der Ardennen-Offensive 1940«. Das versteht der deutsche Schlachtenbummler immer noch am besten.