Welt der Warenform VII

Schlussverkauf im Gruselkabinett

Damit fängt das Elend an: »Zum Einkaufen fahren wir am besten in die Stadt.« Der Satz sagt schon alles, und man sollte an dieser Stelle schon misstrauisch werden und nachfragen: »In welche Stadt?« Oder: »Wieso? Ich denke, wir sind hier in einer Stadt.« Besser ist allerdings, man ergreift sofort die Flucht. Wer sich hingegen nichtsahnend dem Gang »in die Stadt« anschließt, in der Hoffnung, etwas Schönes und Billiges im Winterschlussverkauf abzustauben, wird sich unversehens dort wiederfinden, wo sonst nur freiwillig hinfährt, wer voll auf Depressionen steht oder die Provinzialität deutscher Städte längst zum Kult erklärt hat: in der obligatorischen Fußgängerzone.

Und die ist so ziemlich das Grausamste, was einem zustoßen kann. Selbst für den konsumfreudigsten Schlussverkaufs-Fan verwandelt sich ein Einkaufsbummel in einen Alptraum. Mit Sicherheit wäre es eine einträgliche Idee, an allen Zugängen Kassenhäuschen aufzustellen, Eintritt zu kassieren und das Stadtinnere als Gruselkabinett zu vermarkten.

Es fängt damit an, dass es dort keine Parkplätze gibt. Als ob die Fußgänger vom Himmel fallen würden! Tun sie natürlich nicht. Stattdessen fahren sie mit dem Fahrrad. Das geht problemlos, weil man beim »In-die-Stadt»-Fahren meist nicht mehr als fünf Kilometer zurücklegt. Damit die sauber angelegte Fußgängerzone aber nicht zum riesigen Fahrradweg wird, haben die Provinzpolitiker gleich noch ein Radfahrverbot verhängt - streng und pflichtbewusst überwacht von der Polizei.

Aber das Ärgste kommt noch. Denn was eine richtige Fußgängerzone ist, da tummelt sich in der Schlussverkaufszeit alles, was seit mindestens zehn Jahren Rente bezieht: Er wird mit Tüten beladen abgestellt und betrachtet alle Vorbeigehenden so argwöhnisch, als würden sie gerade seinen geheiligten Vorgarten durchqueren. Sie schleicht von Grabbeltisch zu Grabbeltisch - immer auf der Suche nach Handtüchern oder Bettwäsche zum Sonderpreis, obwohl sich in den heimischen Regalen etliche originalverpackte Schnäppchen der Vorjahre stapeln. Man kann eben nicht gut genug für den nächsten Krieg vorsorgen. Wer an seinem Blockwart-Blick und ihren erprobten Schlussverkauf-Ellenbogen unbeschadet vorbeikommt, wird bald feststellen, dass sich der Einsatz nicht gelohnt hat: Was hier noch feilgeboten wird, ist entweder hässlich oder nur noch in der Größe XXL zu haben (Glückspilze finden eventuell was in XL). Und die voll im Trend liegende Markenware, ob deren sich der Durchschnittshedonist »in die Stadt« begeben hat, kostet so viel wie sonst auch. Scheiße, kapitalistische!

Das Ende ist absehbar: Der Winterschlussverkauf ist vorbei, und außer einer ordentlichen Portion Depressionen hat er einem selbst nichts gebracht. Für nächstes Jahr ist klar: Schlussverkauf nur in der Großstadt. Und zwar am besten außerhalb Deutschlands. In Frankreich, Italien, Spanien oder den USA sind Fußgängerzonen und andere Grausamkeiten tabu.