New Yorker Hundstage

Paul Auster wird in "Timbuktu" tierlieb

Er ist weder der erste noch der letzte, sondern nur ein weiterer Schriftsteller, der Opfer seines eigenen Erfolgs geworden ist: Paul Auster, die "literarische Stimme von Brooklyn" (New York Times). Während seine New York-Trilogie immer noch die Bücherregale von Amerika-Reisenden ziert, hat es der 53jährige Autor danach nicht mehr geschafft, weder literarisch noch kommerziell, an seine Erfolge von einst anzuknüpfen. Da hat es auch nichts geholfen, dass er der Literatur gleich mehrere Male durch Abstecher zum Film untreu geworden ist.

Auch sein neuer Roman ist keine Wende zum Besseren: "Timbuktu" ist zwar eine ganz hübsche Story über die Ach-so-grausame-Welt aus der Sicht eines Hundes, aber eben auch nicht mehr und alles in allem ziemlich belanglos. Der Hund ist der einzige Freund, den man mit Geld kaufen kann: Gutmütig und loyal trabt er ein Leben lang an der Seite seines Besitzers. Auch wenn er, wie im Falle der Promenadenmischung Mr. Bones, nicht gerade ein Top-Anwärter auf den ersten Preis bei einer Hunde-Schau ist. Trotzdem ist Mr. Bones etwas ganz Besonderes: Er ist ein Hund und irgendwie doch kein Hund. Er kann verstehen, was ihm die Menschen sagen, und wenn er Lust dazu hat, richtet er sich sogar danach. Nur mit dem Antworten, da hapert es gewaltig, denn: "Die Biologie war eindeutig gegen ihn."

Davon abgesehen führt Mr. Bones ein geradezu erfülltes Hundeleben. Er ist die gute Nase an der Seite der weinroten Nase des obdachlosen Straßenpoeten Willy G. Christmas, mit dem er Tag und Nach durch New York streunt. Keine Straßenecke und kein Häuserblock zwischen Hudson und East River sind ihm fremd. Es könnte also eigentlich nicht besser sein, wenn der lungenkranke Willy nicht das Ende seiner Tage in Siebenmeilenstiefeln herannahen sähe und deshalb einen Beschluss fasst: Vor seinem Tod muss er unbedingt noch einmal zu seiner alten Englischlehrerin nach Baltimore.

Zwar hat er schon seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu der alten Dame, trotzdem fühlt er, dass sie die einzige ist, die seine über die Jahre angesammelten Manuskripte zu schätzen weiß. Und nur sie kann garantieren, dass Mr. Bones auch zukünftig eine sichere Hundehütte über dem Kopf hat. Doch der sechste Hundesinn hat es Mr. Bones schon längst verraten - die Strapazen der Reise sind zu viel für Willy, dem kurz vor dem Ziel für immer die Puste ausgeht und den Punkt erreicht, an dem die diesseitige Weltkarte endet und "Timbuktu" beginnt. Und fortan muss sich Mr. Bones durch eine herrchenlose Welt beißen.

In Interviews gibt sich Paul Auster rund um seine Buchpräsentationen in letzter Zeit gerne tierlieb: Ja, stimmt schon, antwortet er dann auf entsprechende Fragen, ob sein eigener Hund Jack etwa der Figur des Mr. Bones Modell gestanden habe. Und dann rutscht ihm noch etwas heraus, was er vielleicht für sich hätte behalten sollen. Denn zunächst, so erzählt Paul Auster, sei "Timbuktu" nur als Randkapitel eines größeren Projektes gedacht gewesen. "Doch dann wurde mir schnell klar, dass die beiden ein eigenes Buch verdient haben", sagt er mit Überzeugung. Dabei hat er eins übersehen: Auch wenn Randfiguren zu Hauptfiguren umfunktioniert werden, bleiben sie wohl doch vor allem eines - Randfiguren, deren Handlungen sich in "Timbuktu" um ein leeres Zentrum drehen.

Paul Auster: Timbuktu. Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg. Rowohlt Verlag, Reinbek 1999, 192 S., DM 36