Nie wieder Malediven

Credits for Emission: In Buenos Aires verhandelten Vertreter von 163 Staaten über den Schutz des Klimas und Treibhausgase

Ein Hurrikan verwandelt Mittelamerika innerhalb von wenigen Tage in ein Trümmerfeld. Ganze Regionen in Südasien versinken nach extremen Regenfällen. Über mangelnde aktuelle Anlässe konnten sich die über tausend TeilnehmerInnen der Klimakonferenz in Buenos Aires nicht beklagen. Wochenlang verhandelten dort Regierungs-delegation und Vertreter von Umweltschutzverbänden aus 163 Ländern über Vereinbarungen zum Schutz des Klimas.

Das Treffen, das vergangene Woche zu Ende ging, ist die vierte Auflage der zum "Erdgipfel" hochstilisierten UN-Konferenz über "Umwelt und Entwicklung" von 1992 in Rio de Janeiro - und bleibt vermutlich ebenso wirkungslos.

Damals wurde der Treibhauseffekt erstmals als eine der größten globalen Umweltbedrohungen bezeichnet. Die Emission von Treibhausgasen sei die Ursache für die Erwärmung der Atmosphäre, und dies könne, so prophezeite auch die deutsche Delegation, bald zu dramatischen Flutkatastrophen und zum Untergang beliebter "Urlaubsparadiese" wie den Malediven führen. Die "Klimakonvention von Rio" enthielt jedoch außer Absichtserklärungen keine konkreten Bestimmungen.

Der globale Gipfel stand damit in einer schlechten Tradition. Seit der ersten UN-Umweltkonferenz 1972 in Stockholm werden ökologische Zerstörungen international thematisiert, ohne daß sich an den Ursachen wesentliches geändert hätte. Die bereits existierenden Umweltauflagen in den Industrieländern sind seitdem lediglich modifiziert bzw. durch einige neue Gesetze ergänzt worden. Vor allem aber haben die westlichen Industriestaaten ihre Produktionskapazitäten, die den ökologischen Standards nicht mehr entsprachen, in Entwicklungsländer und nach Osteuropa exportiert. Mit der Weiterführung fossiler und atomarer Energiegewinnung, zunehmendem Autoverkehr sowie intensivierter Landwirtschaft stiegen die Emission weiter an.

Bis heute wurde nichts unternommen, um diese Entwicklung aufzuhalten - es sei denn, die von Franz Alt und Joseph Fischer einst mit einem ökologischen Marshallplan geforderten UN-Grünhelme kämen doch noch zum Einsatz, um, ausgestattet mit nationalen Erfahrungen von der Oder, die Deiche um die Pazifik-Inseln aufzuschütten.

Den globalen Umwelt-Events seit Rio ist gemeinsam, daß sie die kapitalistische Produktionsweise, ihre auf Effizienz und Profit gerichtete Technologie, die Aufteilung der Märkte und die globale Dislozierung vertikaler Produktionsketten, als Ursache weltweiter Umweltzerstörung erst gar nicht diskutieren. Statt dessen werden moralisierende Agenden verkündet, die sich an "die gesamte Menschheit" richten. Diese solle sich doch endlich, motiviert durch ein mystisches Umweltgewissen, der drohenden "Apokalypse" erwehren. Unterstützt wird diese moralische Erneuerung vor allem durch die sogenannten NGO (Nichtregierungsorganisationen) die sich seit Rio auf den Klimakonferenzen tummeln dürfen.

Auch in Buenos Aires wurden daher nur sehr zweifelhafte Resultate erzielt, die auf den bisherigen Vereinbarungen beruhen. So werden Staaten nach dem Grad ihrer Industrialisierung differenziert, was wiederum Aussagen über ihren Anteil an der Klimabeeinflussung ermöglichen soll. Allein auf dieser Unterscheidung beruhen die bisherigen Abmachungen des dritten Klimagipfels vom Dezember 1997 im japanischen Kyoto. Zwischen 2008 und 2012 soll demnach die Emission von Treibhausgasen weltweit um 5,2 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 reduziert werden. Gleichzeitig wurde in Kyoto ein Deal vereinbart, der nun in Buenos Aires über die Bühne gehen soll: Der Handel mit "Emission Credits" (Emissionsrechten) für Treibhausgase.

Dieser Deal funktioniert auf der Grundlage der für 1990 festgestellten Emissionen und berücksichtigt nicht die bis 1997 bereits erfolgten Reduzierungen. Vor allem in den ehemaligen Ostblock-Staaten sind im Zuge der hemmungslosen Öffnung hin zum kapitalistischen Weltmarkt viele extensive Produktionszweige mit teilweise hoher Schadstoffemission zusammengebrochen. Dort liegt der Ausstoß von Treibhausgasen bereits jetzt unter dem in Kyoto festgelegten Niveau. Die Indu-striestaaten können daher die in diesen Ländern reduzierten Emissionen aufkaufen und mit den eigenen Vorgaben verrechnen. Damit sparen sie kostspielige Investitionen in Schutzmaßnahmen oder für technologische Umstellungen.

Der Status quo der Emissionen von 1990 ist auf diese Weise auf unbestimmte Zeit festgeschrieben, denn selbst dieses Geschäft ist noch nicht realisiert. Die Erwartungen, in Argentinien könnte eine neue Qualität erreicht werden, gingen daher auch bei den NGO bereits im Vorfeld gegen Null. Zu sehr hatte das Konferenzprogramm von Buenos Aires den Charakter eines Geschäftsabschlusses, bei dem die zugestandenen Emissionen von Treibhausgasen zwischen den reichen Staaten und den Habenichtsen hin und her geschoben wurden.

In einer komfortablen Position befand sich dabei vor allem die bundesdeutschen VertreterInnen auf der Konferenz in Argentinien. Noch immer kann die Bundesregierung mit einer Emissionssenkung von bundesweit fast 15 Prozent handeln, die im wesentlichen auf dem industriellen Kahlschlag in der Ex-DDR beruht. So kritisierte der neue Bundesumweltminister Jürgen Trittin in Buenos Aires schon mal "die US-Amerikaner", die eine "ganz andere Auffassung über die nötigen Klimaschutzmaßnahmen" vertreten würden. Und was den Handel mit Emissionsrechten betrifft, ist er höchstens skeptisch, ob die damit verbundenen Schutzmaßnahmen im Klimabereich überhaupt überprüfbar sind.

Dabei sollte er lieber Zweifel über die umweltpolitischen Perspektiven seiner eigenen Regierung haben. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe das alte SPD-Motto "Mehr Demokratie wagen" auf "Mehr Volkswagen" reduziert, sagt selbst Spiegel-Chef Stefan Aust. In getreuer Umsetzung der Schröderschen Haltung macht die neue Bundesregierung auch keine Abstriche an einer weiteren totalen Auto-Mobilisierung.

Der Bundesverkehrswegeplan von 1992, der mit den "Verkehrsprojekten Deutsche Einheit" ein Straßenbauprogramm enthält, das in seiner Gigantomanie durchaus mit den "Reichsautobahnen" mithalten kann, wird nicht zurückgestutzt. Um "Arbeit zu schaffen und zu erhalten" wird auch die Produktion von VW, Daimler, BMW u.a. weiter steigen. Anschließend erscheinen deren Produktionszahlen wieder in den Verkehrsprognosen und Straßenplanungen. Und mehr Straßen und Autos bedeuten wiederum eine Zunahme der Emissionen aus Verbrennungsmotoren.

Ein deutliches Zeichen kam auch von Bärbel Höhn, grüne Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen. Kaum war der Koalitionsvertrag in Bonn unterzeichnet, setzte sie ihre Unterschrift unter die letzte Genehmigung für den Braunkohletagebau Garzweiler II. Der "Energiemix" von alten und neuen Energietechnologien, wie er von Bundeskanzler Schröder in seiner Regierungserklärung favorisiert wurde, bedeutet vor allem eins: Eine Abkehr von den fossilen CO2-Dreckschleudern ist auch von der neuen Bundesregierung bislang nicht zu erwarten.