Zollfrei durchs Internet

Streß auf der Geburtstagsparty: Keine Einigung über die "Jahrtausendrunde" der WTO

Daß runde Geburtstage oft mehr Streit zu Tage fördern als es dem Jubilar lieb ist, mußte auch die Welthandelsorganisation WTO erfahren: Während der drei Tage dauernden Veranstaltungen zum 50. Jahrestag der weltweiten Handelsliberalisierung in Genf wurde deutlich, daß es innerhalb der 132 Mitgliedsstaaten unterschiedliche Pläne für die Zukunft der WTO gibt. Einzig greifbares Ergebnis der Verhandlungen, ist die Vereinbarung über den Internet-Handel: Auf elektronisch abgewickelte Geschäfte und Datenübertragung werden zunächst keine Zölle erhoben, weitere Verhandlungen werden im nächsten Jahr beginnen.

Da viele Dienstleistungen elektronisch geliefert werden und der elektronische Handel über das Internet als Wachstumsbranche gilt, wird damit ein großer Bereich der weltweiten Handelsbeziehungen bereits nach dem Leitbild des Freihandels organisiert.

Über die Tagesordnung der nächsten WTO-Verhandlungsrunde - die sogenannte "Jahrtausendrunde" - gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen. Ob und wie diese zustandekommt, wird erst 1999 beschlossen. Mögliche Themengebiete sind neue Vereinbarungen zu ausländischen Investitionen, zu einer weltweiten Wettbewerbspolitik (zu Monopolen, Subventionen und Steuern) und über die Vergabe von Regierungsaufträgen. Die USA wollen einzelne Verhandlungen zu überschaubaren Themen, die Europäische Union und Deutschland sind an einer Bündelung möglichst vieler Themen zu einer großen Verhandlungsmasse interessiert.

Die Entwicklungsländer dagegen verlangen eine Atempause und zuerst die Umsetzung der bisherigen Vereinbarungen. Beispielsweise müßten die Industrieländer ihre Märkte für Textilprodukte weiter öffnen. Mit Sicherheit wird über Landwirtschaft und Dienstleistungen verhandelt. Die EU befürchtet, ihre hohen Agrar-Subventionen gegenüber den WTO-Partnern nicht länger verteidigen zu können. Die USA werden der Gastgeber des nächsten Treffens sein; gegen die größte Wirtschaftsmacht der Welt ist auch in der WTO schwerlich etwas durchzusetzen. Der Beitritt Chinas beispielsweise scheitert vor allem am Widerstand aus Washington.

Die grundsätzliche Orientierung der Welthandelsorganisation könnte sich in Zukunft verändern. In einer Grundsatzrede hat US-Präsident Bill Clinton dazu aufgefordert, die Themen Umwelt und nachhaltige Entwicklung zu integrieren. Auch soziale Grundrechte und die internationale Arbeitsorganisation ILO sollten verstärkt unterstützt werden.

Kubas Staatschef Castro verlangte eine Korrektur der einseitigen Strategie der WTO. Sie müsse zu einem Instrument der Entwicklungsländer gemacht werden - die Dritte Welt habe bis jetzt fast alles verloren und nichts dafür erhalten. Ihr Image will die WTO von nun an durch mehr Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit verbessern. Zum Beispiel könnten die Streitfälle vor dem WTO-Schiedsgericht öffentlich ausgetragen werden und alle Sitzungsprotokolle und Expertenberichte frühzeitig bekanntgemacht werden.

Neue Antworten auf die Probleme mit der zunehmenden Freiheit des Marktes hat das WTO-Treffen nicht gebracht. Zwar wurde in vielen Reden betont, die Geschichte des Gatt und der WTO sei eine "Erfolgsstory", doch der Glaube an das Prinzip von Freihandel und Wettbewerb scheint auch unter Regierungsvertretern schwächer geworden zu sein. Auch die OECD oder der IWF sehen sich spätestens seit der Asien-Krise, die die westlichen Industriestaaten etwa 120 Milliarden Mark gekostet haben soll, dem Vorwurf ausgesetzt, zu einseitig auf die Selbstregulierung deregulierter Märkte zu vertrauen.