Nicht ohne meinen Browser

Die Klageerhebung gegen Microsoft könnte das Ende von Bill Gates Erfolgsgeschichte einläuten

In Brüssel wurde Bill Gates kürzlich Opfer eines belgischen Anarchisten: Mit einer Sahnetorte traf dieser den Microsoft-Chef mitten ins Gesicht. Da die US-Regierung aber nicht zur Sahnetorte greifen kann, hat sie statt dessen am 18. Mai ein Verfahren gegen die Firma von Bill Gates eingeleitet. 20 US-Bundesstaaten sowie der District of Columbia schlossen sich dieser Klage an, die Microsoft des Verstoßes gegen das Kartellrecht beschuldigt. Dieses Gesetz - Anfang des Jahrhunderts zur Demontage des damaligen Ölgiganten Standard Oil verabschiedet - wendet sich jedoch nicht grundsätzlich gegen Monopole, sondern nur gegen deren Mißbrauch. Und diesen sehen die Kläger durch die Geschäftspraktiken von Bill Gates als gegeben an.

Der erste Abschnitt der 53seitigen Anklageschrift wirft Microsoft bei der Verbreitung seines Internet-Browser Explorer unlauteren Wettbewerb vor. Die Ankläger belegen diese Beschuldigung durch Microsoft-Interna. So heißt es in einem firmeninternen Schreiben, daß - wenn der Internet Explorer nicht mit Windows gekoppelt werde - "Netscape eine gute Chance hat, das Marktduell zu gewinnen". Microsoft möchte durch die Verbindung von Explorer und Windows seine führende Marktposition als Systemhersteller - 90 Prozent aller PCs werden bereits mit Microsoft-Programmen ausgerüstet - weiter ausbauen. Die Kläger werten dies als eindeutigen Mißbrauch des Monopols.

Ob Mißbrauch oder nicht, die Methode war auf jeden Fall erfolgreich: Der Marktanteil von Netscape fiel von fast 80 auf weniger als 60 Prozent, während Microsoft sich von fünf auf über 40 Prozent verbesserte. Und obwohl bereits im Dezember 1997 eine einstweilige Verfügung gegen diese Praxis ausgesprochen wurde, entschied das Gericht in der zweiten Instanz, daß sich dieses Verbot nur auf Windows 95 und nicht auf die Nachfolgeprogramme beziehen könne. Entsprechend hat Microsoft den Explorer jetzt so dicht mit Windows 98 verknüpft, daß es kaum möglich sein dürfte, die Programme unabhängig zu verkaufen.

Warum ist aber ein Browser so wichtig? Zwar verdienen die Hersteller nicht unbedingt am Verkauf der Programme, sie besitzen aber einen großen Vorteil: Browser funktionieren äußerst unterschiedlich, die Firmen im Netz sind daher gezwungen, ihr Angebot so zu gestalten, daß es mit dem führenden Browser gelesen werden kann. Paul Gillen, Redakteur der Zeitschrift Computerworld, beschrieb den Browser als "die wirkliche Infrastruktur des Internet (...) ähnlich wie die Leitungen in Ihrem Haus oder die Straßen Ihrer Nachbarschaft". Die Regierung hat nun um eine einstweilige Verfügung gebeten, die den Hardware-Herstellern entweder erlaubt, Windows 98 ohne den Explorer zu installieren, oder aber Microsoft dazu zwingt, den Netscape-Browser mit Windows gleich mitzuliefern.

Der Browser ist jedoch nicht der einzige Punkt der Anklage. "Die Browserfrage ist zwar wichtig, aber im Vergleich mit anderen Anklagepunkten geradezu unbedeutend", sagt Orrin Hatch, republikanisches Senatsmitglied und Vorsitzender des Justizkomitees. Vor allem der Konflikt um die Programmiersprache Java erregt das Interesse von Kennern, da Java als eine der wenigen Techniken gilt, die das Monopol Microsofts im Bereich der Betriebssysteme gefährden können.

Sun Technologies, Hersteller von Java, strengt deswegen auch seit Oktober vergangenen Jahres einen eigenen Prozeß gegen Microsoft an. Programme, die mit Java kompatibel sind, können auf allen Rechnern laufen, die einen bestimmten Code besitzen - was bedeutet, daß Windows zumindest für diese Programme überflüssig ist. Einige Firmen haben ihr Betriebssystem bereits auf Java umgestellt. Microsoft bringt nun seit einiger Zeit Programme auf den Markt, die zwar angeblich Java-kompatibel sind, aber Änderungen an der Sprache aufweisen, so daß sie ohne Windows langsam und nur schwer zu bedienen sind.

Auch die Vereinbarungen Microsofts mit anderen Technologiefirmen sind unter Beschuß geraten. So hat Microsoft unter anderem mit America Online und CompuServe, zwei der größten Internetanbieter, einen Vertrag abgeschlossen, der diesen Firmen verbietet, auf ihren Internetseiten für den Netscape Navigator zu werben oder das Programm anzubieten. Außerdem verkauft Microsoft seine Microsoft Office Produkte als "package deal" - und zwar so billig, daß Konkurrenz-Programme keine Chance haben. Dieser Anklagepunkt kommt dem Software-Giganten sehr entgegen. Die große, böse Regierung klage Microsoft nur an, weil es seine Programme zu kostengünstig anbiete - das Verfahren schütze folglich den Verbraucher nicht, sondern schade ihm nur. Dabei vergißt er allerdings, daß es der Regierung nicht um die Nutzer geht, sondern um den Schutz des "freien Marktes".

Entscheidend bei dem Prozeß ist jedoch, ob das alte Kartellrecht - der Sherman Act stammt aus dem Jahre 1890 - auf diese neuen Technologien überhaupt anwendbar ist. Richter Jackson hat einen Sonderbeauftragten ernannt, der sich mit diesen Fragen befassen soll. Denn: Kann man bei einem derart unübersichtlichen Anwendungsgebiet wie dem Internet überhaupt von einer Monopolstellung durch die Browsertechnologie sprechen?

Nach der einstweiligen Entscheidung über Windows 98 beginnt das Verfahren der Regierung am 8. September. Der vorsitzende Bundesrichter Thomas Penfield Jackson - der auch für die einstweilige Verfügung im Dezember 1997 zuständig war - gab dem Einwand von Microsoft nicht statt, daß dieses frühe Datum nicht genügend Zeit lasse, eine adäquate Verteidigung vorzubereiten. Obwohl sich der Prozeß voraussichtlich über Jahre hinziehen wird, kann sich die Konkurrenz zumindest darüber freuen, daß der Fast-Monopolkonzern nun viel vorsichtiger sein muß, was seine Geschäftspraktiken angeht.

Vorerst braucht sich Microsoft - laut der Wirtschaftszeitschrift Fortune die erfolgreichste Firma der USA - trotz Prozeß noch nicht um seinen Umsatz zu bangen. Doch daß mit der Klage auf Dauer kein Imageverlust zu verbuchen sein wird, daran glaubt nur die ewig optimistische Presseabteilung Microsofts.