Frauen wissen, was Frauen wünschen

Im Gegensatz zu den USA hat sich in deutschen Unternehmen Frauenförderung bisher nicht durchsetzen können

Anfang der neunziger Jahre schwappte das Lean Management von Japan nach Europa und in die USA. Abbau von Hierarchien war angesagt, Arbeiten im Team. Und wer, so hieß es damals hoffnungsvoll bei den immer noch um die berufliche Gleichstellung kämpfenden Frauen, wer könnte das besser als wir, denen soziale Kompetenz sozusagen in die Wiege gelegt bzw. seit frühester Jugend anerzogen worden ist?

Wirklich beweisen, daß sie die bessere Art der Menschenführung beherrschten und dabei noch größere Gewinne reinholen konnten, durften dann allerdings nur einige wenige, und die wohnten in der Regel in den USA. Während dort Frauen als Kundinnen, Verkäuferinnen und Produktentwicklerinnen entdeckt wurden - Frauen wissen, was Bauknechte wünschen -, haben deutsche Unternehmen damit heute noch Schwierigkeiten - Bauknecht weiß, was Frauen wünschen. Zunächst, weil die Vorständler an der Tradition hingen; dann, weil es in Zeiten von Personalabbau für die schlanke Produktion eben auch darum ging, den eigenen Platz zu sichern.

Zwar gehen heute zwei von drei westdeutschen Frauen einer Erwerbstätigkeit nach - vor dreißig Jahren tat das nicht einmal jede zweite -, und im Osten dürfte die Quote mit drei von vieren auch ihren Tiefstand erreicht haben. Aber immer mehr von ihnen müssen ihren Lebensunterhalt ohne Netz und doppelten Boden als Selbständige verdienen. Bundesweit haben 920 000 Frauen ein Gewerbe angemeldet, jede vierte West- und jede dritte Ost-Firma wird von einer Frau gegründet.

Auch, weil sie es satt hatten, den Chefs den Kaffee zu kochen. Tatsächlich gibt es im mittleren Management nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums nicht mehr als fünf bis sechs Prozent Frauen, im oberen ist es sogar nur höchstens ein Prozent.

Was ist das Problem? Wer richtig Geld verdienen will, macht eine genaue Zielgruppenanalyse. Und trotzdem haben beispielsweise US-amerikanische Softwareunternehmen Jahre gebraucht, bis sie jetzt plötzlich erleben, daß ihre Geschäfte von Frauen gestürmt werden. Geschlechtsgenossinnen in den Entwicklungsabteilungen hatten darauf aufmerksam gemacht, daß sich kaum eine für Computerspiele mit Krieg, Krach und Autorennen interessiere, daß aber Frauen kein bißchen weniger gerne spielten als Männer - wenn es sich denn um kommunikative oder andere intelligente Aufgaben handelt.

"Hätten wir mehr Frauen in diesen Bereichen, hätten wir ein viel klareres Bild von dem, was Kundinnen wollen", sagt Traudel Klitzke, Leiterin der Frauenförderung bei der Volkswagen AG. Auch die deutsche Autoindustrie habe jahrelang geklagt, daß nur Männer ihre Autos kauften und die Frauen sich lieber in Frankreich oder Italien umsähen. Während die Konkurrenz viel Geld in die Werbung steckte, entschieden sich die Wolfsburger für den Versuch, das Problem von innen heraus anzugehen. 1992 legten sie den ersten Frauenförderplan auf - und der beschränkte sich nicht darauf, die üblichen "bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie"-Ziele zu formulieren. Dank Klitzke lautete der dritte Komplex: "Vermeidung von sexueller Belästigung". Weil die bei VW besonders verbreitet war? Nein, meint sie. Sie habe lediglich Studien aus anderen Unternehmen vorgezeigt und dazu gesagt: "Warum sollte das bei uns anders sein?" Inzwischen sind Betriebsvereinbarungen getroffen und ausgeweitet worden. Das Diskriminierungsverbot gilt nicht nur für Frauen, sondern auch für "alle Nationalitäten und Religionszugehörigkeiten". VW bezahlt Aufklärungskampagnen und Schulungen für die Beschäftigten und Führungskräfte. Was es bislang gebracht hat, ist schwer zu sagen. Weder im Vorstand noch im Top-Management findet sich bis heute auch nur eine einzige Frau.

Aber neben dem VW-Arbeitszeitmodell, von dem ihrer Meinung nach auch die Frauen profitierten, zählt sie auch individuelle Lösungen zu den Etappen-Erfolgen. So kann sich eine alleinerziehende Mutter, die durch das Schichtenraster gefallen wäre, aber auf die Vollzeitbeschäftigung angewiesen ist, zwei Schichten mit zwei weiteren Frauen teilen, die jeweils nur Teilzeit arbeiten.

Mit seinem expliziten Frauenförderansatz steht VW bundesweit ziemlich alleine da. "Das ist immer noch - oder schon wieder - Luxus", sagt Gundula Keese vom Verein "Taten statt Worte", einem Zusammenschluß von Unternehmen und Einzelpersonen, die sich die Aufgabe gestellt haben, "Arbeitsfelder zu öffnen, die heute noch vorwiegend von Männern besetzt sind." Vor allem institutionalisierten Gleichstellungsbeauftragten wird von beiden Seiten die Existenzberechtigung abgesprochen. Dabei kämpfen die meisten mit unzureichenden Kompetenzen, der Frust und die ständige Beschäftigung mit Diskriminierungen führen zu Radikalisierung und Kommunikationsproblemen.

Da allein der Begriff Gleichstellung auf so viel Aversion stößt, suchen Frauen nach anderen Etiketten. Trend: Frauenförderung als integrativer Bestandteil von Total Quality Management (TQM). Denn nach der ersten Euphorie haben viele Unternehmen gemerkt, daß es schwierig ist, sich ausschließlich unter dem Aspekt des shareholder value zu verkaufen. Beschäftigte und KundInnen fragen sich zu Recht, wo sie denn darin vorkommen. "Man kann doch nicht den toten Großvater fotografieren und denken, jetzt habe man ein Bild von der Realität", sagt Klaus Jürgen Zink, Professor am Institut für Arbeit und Technik an der Uni Kaiserslautern. Die betriebswirtschaftliche Bilanzierung sei kein Maßstab für den künftigen Wert eines Unternehmens. Geschäftsergebnisse ließen sich nicht alleine auf den Gewinn reduzieren, auch das Image des Unternehmens, die Zufriedenheit der Beschäftigten und der Kunden müßten miteinbezogen werden - und vor allem, weil sie sich lediglich um "Schnee von gestern" drehen. Potentialfaktoren wie Führung und Strategie des Unternehmens sowie die Orientierung an Bedürfnissen und Know-how der Beschäftigten kämen überhaupt nicht vor.

Zink schlägt deswegen einen ganzheitlichen Ansatz vor. Der aber setzt wiederum eine Umstrukturierung voraus, die den Kommunikationsfluß verbessern. So scheitern sieben von zehn bei der Einführung von TQM. Zink: "Die Führung befaßt sich zu wenig mit dem Prinzip." Dabei wird schnell offensichtlich, daß das ohne einen Frauenförderplan nicht geht. Auch die Deutsche Telekom AG hat diesen Weg genommen und 1992 einen Frauenförderplan verabschiedet, der aber nach äußerst mäßigen Erfolgen 1997 mit konkreten Maßnahmen unterfüttert werden mußte.

So soll das Ziel "mehr Frauen in technische Berufe" durch eine verstärkte Werbung bei Mädchen, eine "aktive Unterstützung" von Frauen in Ingenieursstudiengängen sowie durch die Zuweisung entsprechender Arbeitsplätze erreicht werden. Seit 1990 ist der Frauenanteil im Management von 5,4 auf 14 Prozent gestiegen. Der Gleichstellungsbeauftragten Heli Ihlefeld-Bolisch ist das allerdings noch zu langsam - sie verweist auf Probleme fehlender Effizienz bei ihrer Arbeit.

Als Argumentationshilfe gegenüber ihrem Vorstand bemüht sie gerne die Bank of Montreal, die 1989 ein Programm zur Chancengleichheit aufgelegt hatte. Innerhalb von vier Jahren waren statt sechs 17 Prozent Frauen in der Spitze vertreten - und während beim Anlaufen der Maßnahmen gerade mal ein Drittel das Betriebsklima als "vertrauensvoll und gerecht" empfanden, waren es nach Abschluß 74 Prozent. Eine Folge der Synergie-Effekte, meint Ihlefeld-Bolisch, die sich nicht vorstellen kann, daß "TQM ohne Gleichstellung funktioniert". Und das bedeutet Verluste für das Unternehmen.

Für die Beschäftigten gibt es allerdings keine Garantie, daß es ihnen mit TQM tatsächlich besser geht. Das wird deutlich am Beispiel der BfG-Bank, die in den letzten Jahren einen radikalen Strukturwandel durchgemacht hat. Der gesamte Vertriebsbereich wurde verändert. Von 270 Filialen wurden 93 geschlossen, 44 Prozent der Arbeitsplätze wurden abgebaut. "Das wäre nicht möglich gewesen, wenn die Beschäftigten nicht gewußt hätten, wo die Reise hingeht", meint TQM-Projektleiter Reimund Hauer. So könnten sie wenigstens nachvollziehen, warum sie Lohneinbußen oder gar Entlassungen hinnehmen mußten. Immerhin: Parallel dazu ist ein Frauenförderprogramm angelaufen, das auf die Qualifikation von weiblichen Nachwuchskräften setzt. Mit dem Erfolg, daß nun 29 Prozent in Führungspositionen arbeiten, bei den oberen 15 dürfen allerdings nur drei mitmischen.

Für Frauen in kleinen und mittleren Unternehmen sind jedoch sowohl insitutionalisierte Frauenförderung wie auch TQM fremde Welten. Dabei machen auch sie immer wieder die Erfahrung, daß Männer mit ihrem technokratischen Herangehen den Betrieb nicht immer nach vorne bringe. Als ein Dienstleistungsunternehmen in Erfurt kürzlich neue Software einführte, setzte die Firmenleitung nur Männer als EDV-Koordinatoren ein, die die ausschließlich weiblichen Anwenderinnen beraten sollten. Irgendeine Qualifikation als Lehrer brachten sie offenbar nicht mit, kümmerten sich zwar um die Technik, nahmen sich aber kaum Zeit, den Frauen den Umgang zu erklären. Schreibkräfte, die den Männern eigentlich als Helferinnen zugeteilt waren, nahmen die Sache schließlich in die Hand. An den Machtverhältnissen änderte sich jedoch nichts.