Tanz ums MAI

Die OECD-Verhandlungen über das Investitionsabkommen sind vorerst gescheitert

Die Multis müssen ihren Traum einer weltweiten Freihandelszone noch einmal verschieben. Die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) ist mit ihrem Vorhaben, noch in diesem Jahr weltweit mit dem MAI (Multilaterales Investitionsabkommen) neue Regeln für den Umgang mit Investoren festzuschreiben, vorerst gescheitert. Auf ihrem Jahrestreffen Ende April in Paris beschlossen die Minister der 29 OECD-Mitgliedsstaaten, daß es erst im Oktober ein weiteres Treffen der Verhandlungsgruppe geben wird.

Vor allem Frankreich hat sich einem schnellen Abschluß der Verhandlungen widersetzt. Hauptforderungen der Franzosen sind die generelle Ausnahme der Kulturindustrie und das Verbot von "Helms-Burton-Gesetzen", wie sie die USA benutzen, um ihren Boykott gegen Kuba auch anderen Ländern aufzuzwingen. Zudem sei sicherzustellen, daß es bei der Sozial- und Umweltgesetzgebung nicht zu einer Nivellierung nach unten komme. Bis Herbst werden die Verhandlungen weitergeführt - die Regierungen sollen die Zeit zur "Aufklärung und Diskussion" in ihren Ländern nutzen.

Das MAI wird von vielen Kritikern als ein "Ermächtigungsgesetz für Multis" angesehen. Beispielsweise ist Regierungen, die den Vertrag unterschreiben, jede Maßnahme verboten, die einen Investor enteignet. Ausländischen Unternehmen wird im Falle von Vertragsverletzungen ein Klagerecht gegen Regierungen eingeräumt. Das MAI ist in weiten Teilen mit den Abkommen zur Welthandelsorganisation WTO vergleichbar. Regeln, wie sie für den weltweiten Handel mit Gütern und Dienstleistungen gelten, sollen nun auch auf grenzüberschreitende Investitionen angewandt werden. Betroffen wären nicht nur Direktinvestitionen - etwa der Bau einer Fabrik in Brasilien durch die Volkswagen AG -, sondern auch alle anderen Aktivitäten, die für die OECD unter den Begriff "Investition" fallen.

Zentral ist dabei das Prinzip der Nicht-Diskriminierung. Zum einen bedeutet es, daß ausländische Unternehmen gegenüber inländischen Konkurrenten nicht benachteiligt werden dürfen ("Inländerbehandlung"). Zum anderen bedeutet Nicht-Diskriminierung, daß Vergünstigungen, die einem Land gewährt werden, auch allen anderen Vertragspartnern gewährt werden müssen ("Meistbegünstigung"). Zunächst soll das MAI nur unter den OECD-Industrie-Ländern gelten, der Beitritt anderer Staaten ist ausdrücklich vorgesehen und erwünscht.

Volle Souveränität bleibt den Regierungen weiterhin in allen Fragen der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung erhalten. Auch eine eigenständige Geld- und Wechselkurspolitik soll weiterhin möglich bleiben. Wie dies mit dem Schutz auch von spekulativen Investitionen vereinbar ist, bleibt unklar.

Indesondere der Umgang mit den Ausnahmeregelungen zeigt die neue Qualität des MAI. Die OECD verfolgt in ihren Bemühungen um weltweit einheitliche Regeln für den Umgang mit grenzüberschreitenden Investitionen einen "top-down"-Ansatz. Danach gilt das MAI im Zweifel immer - auch wenn ein strittiger Fall nicht ausdrücklich im Vertrag behandelt ist. Die Ausnahmeregelungen sollen möglichst nicht zu stark ausgedehnt werden, alle anderen Bereiche wie etwa Bildung oder Gesundheit sind nur durch ihre Auflistung - Land für Land - von der Liberalisierung auszuschließen. In der WTO gilt bisher das umgekehrte Prinzip - nur das, was ausdrücklich im Vertrag steht, ist von der Liberalisierung eingeschlossen ("bottom-up"). Die Liste der bisher von den verschiedenen Delegationen angemeldeten Ausnahmeregelungen füllt inzwischen ein kleines Buch.

Die Minister versprachen in Paris, die Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten und den überwiegend kritischen Nicht-Regierungsorganisationen zu verbessern. Die Gewerkschaften haben die Hoffnung, mit dem MAI weltweite Mindeststandards im Arbeits- und Umweltschutz festschreiben zu können. So könne den fünf Grundrechten von Arbeitnehmern (Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit und die Nicht-Diskriminierung in Beschäftigungsverhältnissen) vielleicht endlich Geltung verschafft werden. Das Absenken von Auflagen zum Arbeitsschutz ist aber nur ein Mittel, mit dem Regierungen ausländisches Kapital in das eigene Land locken wollen. Ein "nachgebessertes MAI" müßte ebenso verhindern, daß Umweltschutzvorschriften und die Unternehmensbesteuerung immer weiter zurückgenommen werden - auch dies ist bisher durch das MAI nicht wirksam vorgesehen.

Mit diesen Mindestanforderungen verliert die Protestbewegung gegen das MAI die Regierungen vieler Entwicklungsländer als potentielle Bündnispartner. Diese sehen in lockeren Vorschriften für Konzerne vielfach ihr einziges Mittel, um im Wettbewerb mit der Ersten Welt zu bestehen. Spätestens mit Beginn der nächsten "Jahrtausend-Verhandlungsrunde" zur weiteren Liberalisierung der Welthandelsorganisation soll das MAI Realität werden. Die OECD will damit die Meßlatte für ein ähnliches Abkommen unter den 132 Mitgliedsstaaten der WTO möglichst hoch legen.