Gipfel der Globalisierung

In Bonn fand der Kongreß gegen das "Multilaterale Abkommen für Investitionen" (MAI) statt

"Wir stellen uns der Konfrontation", erklärte Maria Mies im Vorfeld des ersten Internationalen Kongresses gegen das "Multilaterale Abkommen über Investitionen" (MAI), "doch dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen." Gezielt war die Bemerkung auf die ungebetenen Gäste des Kongresses: rechtsradikale Gruppierungen, die ebenfalls seit kurzem öffentlich gegen das MAI mobilisieren. Als dann trotzdem ein paar rechtsgesinnte MAI-Gegner in Schlips und Kragen am Tagungsort in Bonn auftauchten und dort selbstverständlich einen Stand aufbauten, dauerte es eine Weile, bis sie den Asta-VertreterInnen auffielen. Im Kongreßsaal, dem Audimax der Pädagogischen Fakultät, waren sich die Anwesenden sofort einig: Als einer der Vertreter des neu gegründeten Liberalen Forums Deutschlands sich ans Mikrophon traute, wollte niemand mit seinen rechten Ausführungen über eine "Bündelung der besten Kräfte der Welt" konfrontiert werden. Mikrophonentzug und Rausschmiß waren die Folge.

Rund 500 AktivistInnen kamen am letzten April-Wochenende nach Bonn, um sich über den "Gipfel der Globalisierung", das MAI, zu informieren und den internationalen Widerstand gegen das von den 29 OECD-Staaten geplante Freihandelsabkommen zu organisieren. "Wir müssen den Kampf gegen MAI an den konkreten Folgen des Vertrags festmachen", meinte Tony Clarke, Direktor des Polaris Institute in Ottawa/Kanada. Was genau, das stellte sich jedoch als nicht so einfach heraus.

Denn was das MAI alles neu machen wird, ist dem Vertragsentwurf nicht ohne weiteres zu entnehmen. Viele Bestimmungen sind auch in der aktuellen Version eher vage formuliert. Vor allem das freie Recht auf Investitionen ohne Auflagen soll durch das Wirtschaftsabkommen festgelegt werden. Dank MAI bekommen ausländische Unternehmen beispielsweise das Recht, den gastgebenden Staat vor ein Schiedsgericht zu zitieren, wenn dieser gegen das Abkommen verstößt. "Welche Folgen das MAI in Deutschland haben wird, wissen wir nicht", erklärte Maria Mies, eine der InitiatorInnen des Kongresses. Durch das MAI werde die ohnehin sehr weitreichende politische Macht multinationaler Konzerne erheblich erweitert.

Wie Konzerne das MAI für sich zu nutzen könnten, kann zur Zeit in Kanada oder Mexiko beobachtet werden: Beide Staaten haben das Freihandelsabkommen NAFTA unterzeichnet, das in vielen Punkten als Vorläufer des MAI gelten kann. Nachdem das kanadische Parlament den Import und Transport eines toxischen Zusatzstoffes für Benzin verboten hatte, sah sich die einzige Anbieterin dieses Stoffes, eine amerikanische Firma, benachteiligt. Sie verklagte den kanadischen Staat wegen indirekter Enteignung auf Schadensersatz. In Mexiko passierte dasselbe, nachdem es einem US-Konzern durch Ausweisung eines Umweltschutzgebietes nicht mehr möglich war, dort eine Müllbeseitigungsanlage zu errichten. Die Urteile stehen noch aus.

Im Süden, so Martin Khor vom Third World Network in Malaysia, werde das MAI den lokalen Unternehmen vielerorts das Wasser abgraben. Die Möglichkeit, ausländische Investitionen an Bedingungen zu knüpfen, sei nach einer Unterzeichnung des MAI, die auch für Trikont-Staaten möglich ist, nicht mehr gegeben. "Die Regierungen geben ihre Macht an die Konzerne ab", sagte Khor. Daß Konzerne schon jetzt eine ausgedehnte politische Macht genießen und Regierungen auch ohne MAI nicht für das Einhalten sozialer Mindeststandards sorgen, wollte Khor im Gespräch mit Jungle World keineswegs bestreiten. "Eine Regierung", präzisierte Khor, "können wir abwählen - Konzerne nicht."

Kaum jemand rechnet jedoch damit, daß es wie geplant bei der OECD-Tagung Anfang dieser Woche in Paris zu einer Unterzeichnung des MAI kommen wird. Einzelne Regierungen, darunter auch die deutsche, hatten im letzten Moment eine Reihe von Einwänden und Zusatzklauseln eingereicht. "Es besteht dennoch die Gefahr, daß Bestimmungen des MAI, in denen man sich einigen konnte, in andere Wirtschaftsabkommen aufgenommen werden", sagte Maria Mies in Bonn.

Der Protestbewegung, die sich Ende Oktober in Paris zu einer weltweiten Kampagne formierte, haben sich inzwischen rund 500 Gruppen und Organisationen angeschlossen. In Deutschland meldeten sich in den letzten Monaten auch rechte Gruppierungen zu Wort. "MAI ist ein Vertrag zur Entmachtung der Nationalstaaten", verkündeten etwa die Republikaner in Baden-Württemberg Mitte März im Landtag. "Wir haben uns zur Nationalstaatenfrage nicht klar genug verhalten", übte ein Sprecher des Komitees Selbstkritik. Tatsächlich wird in Stellungnahmen der MAI-GegnerInnen zuweilen der Verlust der Souveränität des Nationalstaats bedauert.

Nicht geglänzt im Protest gegen das MAI haben einmal mehr die Gewerkschaften. In einer Stellungnahme vom 16. März hält der Deutsche Gewerkschaftsbund an der Überzeugung fest, das Vertragswerk könne reformiert werden, wenn dort Umwelt- und soziale Standards verankern werden. Völlig anderer Meinung waren dazu die KongreßteilnehmerInnen: In ihrer Schlußerklärung erteilten sie dem MAI eine klare Absage und kündigten weitere Protestaktionen gegen die Politik der Globalisierung an. Etwa Mitte Mai, wenn die Welthandelsorganisation (WTO) in Genf ihren 50. Geburtstag begeht. Dann will die "People's Global Action" gegen den Freihandel und WTO, ein weltweiter Zusammenschluß von Organisationen, die Feierlichkeiten vor Ort mit Aktionstagen begleiten.