»taz« wird noch grüner

Den Streit um die Bundeswehranzeige hat die Marketing-Abteilung entschieden

Vier Krallen hat die Tatze. Die werden, so wollen es die Statuten, täglich aufs neue geschärft, um rassistischen, sexistischen rechtsextremistischen und militaristischen Anzeigen und Texten zu trotzen. Nun hat die taz am Donnerstag, den 19. März, eine Anzeige der Bundeswehr gedruckt. Hat Rühe der Tatze eine Kralle gezogen?

Keineswegs, meint Gerd Nowakowski, Vorstandsmitglied der taz. "Das Motiv, mit dem das Verteidigungsministerium bei uns inseriert hat, ist nicht militaristisch. Wir fanden, daß man durchaus einen Grenadierzugführer abbilden kann, der erklärt, er fühle sich angesichts des Oderhochwassers in seiner Berufsentscheidung bestätigt." Das Ziel des Blattes ist es nun mal, mehr Kunden zu bekommen, da müsse man auch die Bundeswehr als etablierte, demokratisch legitimierte Institition als Türöffner nutzen. Einen martialischen Panzer oder einen quirligen Kampfhubschrauber auf dem Bild, darf man daraus schließen, hätte die taz also abgelehnt. Doch welches grün-alternative Herz kann sich einer Idylle verschließen, die die Bundeswehr als lebensrettendes Sondereinsatzkommando der ostdeutschen Wasserwirtschaftsämter zeichnet?

Die Ankündigung der taz vom 26. Februar, eine Bundeswehranzeige zu schalten, hat eine wochenlange Diskussion ausgelöst, die sich in den Leserbriefspalten, Redaktionsräumen und einer Umfrage unter den taz-Genossenschaftern abspielten. 3 721 Mitglieder wurden schriftlich um eine Stellungnahme zur redaktionsinternen Rangelei um die Bundeswehrwerbung gebeten. Unter den 274 spontanen Rückmeldungen dominierte aufmunternde Zustimmung gegenüber dem Vorhaben, den Werbeetat der Hardthöhe anzuzapfen. Diese Resonanz sowie "das überraschend klare 'Ja' der Leser zur Anzeige" (Nowakowski), gaben der Chefetage die nötige Rückendeckung, um den Tabubruch zu riskieren.

Der fügt sich durchaus harmonisch in eine ganze Reihe von Kontroversen ein, die sich bereits in der Vergangenheit an umstrittenen Werbeanzeigen entzündeten und die langjährigen Positionskämpfe innerhalb der Belegschaft illustrierten. Auch diesmal drängeln sich auf der einen Seite die Pragmatiker, die auf Professionalisierung des "Tendenzblättchens" (Anzeigenabteilung) setzen und eine realistische Marktpolitik fordern, auf der anderen Seite die Fundi-Fraktion, die für die Existenzsicherung der Zeitung nicht ihren politischen Bankrott riskieren will. Shell, Benetton, Volvo markieren auf den Anzeigenseiten bisher die Stationen des langen Marsches in die stabile Institutionalisierung, die eben auch ein höheres Werbeeinkommen erfordert. Gerade 20 Prozent ihrer Erträge erwirtschaftet die taz momentan durch Anzeigen.

Eine Steigerung der Einnahmen will ein großer Teil der Redakteure jedoch nicht um jeden Preis hinnehmen. Sie erinnerten an den pazifistischen Gründungskonsens des Blattes; der Betriebsrat berief eine Versammlung ein, um über die Absetzung der drei gewählten Mitglieder des Vorstands der taz-Genossenschaft abstimmen zu lassen. Der Denkzettel für die eigenmächtige Anzeigenpolitik der Troika geriet zur Demonstration der Existenzängste in der Belegschaft. Freilich sprach sich die Mehrheit der anwesenden 90 Mitarbeiter gegen die Anzeige aus, auch der Aufsichtsrat, meldete die taz, stehe dem Abdruck "kritisch gegenüber". Die für die Abwahl des Vorstandes erforderliche Zweidrittelmehrheit fand sich jedoch nicht. Gern nahm jedoch der Vorstand die Anregung auf, ein Gremium einzurichten, das mitdiskutieren soll, wenn es in Zukunft um den Abdruck umstrittener Anzeigen geht. Schließlich ist dieses Beratungsgremium nicht entscheidungsbefugt.

"Sorgt für mehr Einnahmen, daß die Kasse stimmt", appellierte ein Leser auf der Diskussionsseite der Genossenschaft an die Chefetage. Auch er war offenbar von der Losung des Vorstands überzeugt, daß der Zuschuß von der Hardthöhe dazu beitrage, die mit einem Stückpreis von 1,90 Mark relativ teure taz billiger zu machen. 8 000 Mark hatte das Verteidigungsministerium der taz überwiesen. 100 Mark mehr hatten die Kampagne gegen Wehrpflicht sowie das Büro Droste, Eckenga, Küppersbusch, von Stuckrad-Barre geboten, um Rühe die Werbefläche in der Zeitung abzukaufen. "Darauf ging die taz nicht ein", erklärt Christian Herz von der Kampagne. "Die Bundeswehranzeige war eine politische und werbetechnische Grundsatzentscheidung, um seriöse Kundschaft anzulocken." Und um die eigene Etabliertheit zu demonstrieren.

Mit dem Werbezug der Bundeswehr habe man sich, so Nowakowski, "Gleichberechtigung im Anzeigenbereich erstritten". Wir sind da - der Werbeslogan der Bundeswehr gilt jetzt auch für die taz, die sich nun endgültig im Konzert der Großen wähnt.

Lediglich 26 Abo-Kündigungen soll die taz ihr medialer Einsatz für das deutsche Militär bislang gekostet haben. Die Zahl ist durchaus glaubhaft. Sie spricht dafür, daß das Blatt seinen Lesern in den Zeiten des Bosnienkrieges, als sich die Tintenstrahlgewitter des Erich Rathfelder über den Serben entluden, den Glauben an die ordnungsstiftenden Kräfte militärischer Intervention erfolgreich vermittelt hat. Einen redaktionellen Konsens darüber, daß die Bundeswehr abgeschafft werden muß, gebe es ohnehin nicht, so Nowakowski. "Wenn Rühe zum Dialog ruft, sagen wir okay, da gehören zwei dazu." Warum sollte auch, wer in Kommentaren und Reportagen das Militär als integralen Bestandteil einer funktionierenden Zivilgesellschaft bewirbt, den Dank dafür nicht in der Anzeigenabteilung abholen dürfen?

Aber auch die zivilgesellschaftliche Tugend des Pluralismus darf nicht zu kurz kommen. So bekam die Kampagne, zwar nicht auf derselben Seite, immerhin aber in der gleichen Ausgabe, die Gelegenheit, ihre Gegenanzeige zu präsentieren. "Der Schläger boomt", hieß die Anwort der Antimilitaristen auf das Bundeswehrmotto "Berufe 98".

"Das soll deutlich machen", so Herz, Sprecher der Kampagne gegen Wehrpflicht, "daß sich in der Bundeswehr wirklich handfeste Beraufsaussichten ergeben: Boxen in der Sportkompanie, Nazi-Lieder auf der Wachstube grölen, Gewaltvideos in der Kaserne drehen, Beispiele gibt es doch in Fülle." Wer zu all dem kein Talent hat, das lehrt uns die Werbekampagne der Bundeswehr, soll es als Grenadierzugführer probieren, als Tiefflieger oder bei der taz.