Denis Bergemann Staubsauger-Verkäufer über die Staubsauger-Skulpturen von Jeff Koons.

Irgendwie ist alles Kunst,was man macht

Denis Bergemann leitet ein Staub- sauger-Fachgeschäft in der Herrmannstraße in Berlin-Neukölln. Im Sortiment sind jene Hoover-Geräte, die der US-amerikanische Künstler Jeff Koons als Staubsauger-Skulpturen in Plexiglas-Kästen ausstellt. Der zeitweise mit der italienischen Porno-Politikerin Cicciolina verheiratete Koons betont in seinen Arbeiten die Subversion der Waren- affirmation, eine bereits von Warhol formulierte künstlerische Methode. Fachverkäufer Bergemann hat dafür kein Verständnis.

Wie wird man Geschäftsführer in einem Staubsauger-Fachgeschäft?

Durch eine Anzeige in der B.Z. Ich habe mich beworben, Glück war schon dabei.

Hatten Sie vorher als Privatmann eine Beziehung zu Staubsaugern?

Naja, ich habe selber zu Hause gesaugt. Wenn man sich damit befaßt, kommt man da schnell rein. Schwieriger wird es bei Ersatzteilen, bei dem, was man von außen nicht sieht.

Und welche Beziehung zu Staubsaugern haben Sie jetzt als Fachverkäufer?

Ein Staubsauger ist auf alle Fälle eine Ware, die man verkauft, aber eine Ware, die man schwer verkauft oder falsch verkauft; in dem Sinne, daß nicht jeder Staubsauger für jeden geeignet ist. Einem Kunden mit einer 150 Quadratmeter großen Wohnung kann man z.B. keinen Kleinsauger verkaufen. Es kommt auf den Teppich an, auf die Treppen, auf die Nachbarn, ob die sich wegen des Sauglärms beschweren etc. Optimal verkaufen kann man nicht, weil es kein optimales Gerät gibt. Jedes hat seine Vorteile und Nachteile.

Welchen Staubsauger benutzen Sie privat?

Einen alten AEG von meiner Mutter.

Wie ist das, wenn Sie den ganzen Tag hier im Geschäft stehen und Staubsauger verkaufen müssen?

Verkaufen heißt für mich nicht gleich verkaufen, sondern kaufen lassen. Der Kunde muß überzeugt sein, daß das Gerät für ihn richtig ist. Von hundert Kunden, die vielleicht im Monat einen Staubsauger kaufen, kommen zwei in den Laden, der eine sagt, ich wollte eigentlich einen anderen haben, und der andere sagt, ich brauche einen neuen. Für einen Kunden ist die Anzahl der Geräte sehr verwirrend - hier im Laden sind es an die vierzig verschiedene -, und er geht dann erstmal nach dem Aussehen. Der ist rot, der ist grün, den hätte ich gern.

Worauf legt der Kunde am meisten Wert, auf Aussehen oder auf Qualiät?

Das Aussehen ist das wichtigste überhaupt. Man kauft sozusagen mit den Augen. Einer vom Fach weiß, wo die Unterschiede in der Qualität liegen, aber einer, der kauft, geht in erster Linie nach dem Aussehen. Wenn einer fragt, was ist das für ein Gerät, dann nicht, weil es weiter rechts steht, sondern weil es vom Optischen her gut aussieht. Im Prinzip gibt es außer Aussehen keine anderen Kaufkriterien. Höchstens fragt man noch, wieviel Watt hat der? Ich versuche im Gespräch die Kunden draüber aufzuklären, der hat ein integriertes Zubehör, der nicht, der hat ein Teleskop-Rohr, der hat keines, der hat eine Automatik, der hat eine Elektronik, der hat gar nichts. Außer auf Aussehen wissen die Kunden gar nicht, worauf sie Wert legen sollen.

Es gibt einen US-amerikanischen Künstler - Jeff Koons -, der Staubsauger der Marke Hoover in Plexiglas-Kästen ausstellt. Was sagen Sie dazu?

Also (blättert Museumskatalog mit Jeff Koons Staubsauger-Skulpturen durch), anfangen kann ich damit nichts. Wenn ich sie so hinter Plexiglas verkaufen würde, hätte ich immer Schwierigkeiten, die Scheibe wegzukriegen. Sieht aus wie im Kaufhaus. Ich finde es nur bewundernswert, wieviel Langeweile die Leute haben, um sich so etwas einfallen zu lassen.

Finden Sie es komisch, daß die Staubsauger im Museum gelandet sind?

Komisch nicht, der Laden hier ist auch ein Museum. Hierher kommen Leute, um zu gucken. Sie können sogar umsonst gucken. Komisch finde ich das nicht, man kann heute nichts mehr komisch finden. Oder vielmehr, man kann alles komisch finden, so daß es nicht mehr komisch ist. Ich meine, das ist nicht das erste Verrückte, was ich sehe. Ich frage mich bloß, wovon der lebt. Das kauft doch keiner.

Jeff Koons verkauft sogar sehr gut und sehr viel teurer als Sie.

Die kaufen das? Was ist an den Geräten denn anders?

Gar nichts. Es sind die gleichen, die Sie hier verkaufen.

Ich möchte ja nicht sagen, daß das keine Kunst ist. Für mich ist es aber keine Kunst, wenn der die da hinstellt. Das mache ich auch, ich stelle die Geräte mal da hin, mal dort hin, und ich bin kein Künstler. Die Geräte zu konstruieren, das Design, das ist Kunst. Wenn der mit seiner Kunst, die er Kunst nennt, die Kunst der Konstrukteure und Designer nutzt, dann ist das Doppelkunst. Wenn er mir jetzt einen Turm baut aus zwanzig Hoover-Geräten, und das Ding steht, das ist für mich Kunst. Das würde ich verstehen. Ich möchte nicht sagen, daß das keine Kunst ist. Das entscheiden alle und nicht ich persönlich. Aber meiner Meinung nach ist das Zeitvertreib. Wie soll man entscheiden, das ist Kunst und das ist keine. Irgendwie ist alles Kunst, was man macht. Es ist schon eine Kunst zu überleben, und wenn der so überleben kann, dann ist das Kunst.