Hab mich gerne, Postmoderne.

Rot-grünes Euro-Paradies

Es sei wichtig, das Thema der Zukunft, die Massenerwerbslosigkeit, "zu erobern", verkündete Frieder Otto Wolf (Bündnis 90/Die Grünen) am Wochenende zu Beginn des "Grünen Europäischen Beschäftigungsgipfels". Zwei Wochen vor dem offiziellen EU-Gipfel zur Arbeitsmarktsituation waren Grüne aus ganz Europa nach Luxemburg gereist, um über "neue Ansätze in der Beschäftigungspolitik" zu diskutieren. Der abschließend präsentierte grüne Ausweg aus der Krise hat soviel Neues allerdings nicht zu bieten: Die inzwischen aus vielen politischen Ecken geforderte Arbeitszeitverkürzung soll den Weg bahnen zur "Vollbeschäftigung" neuen Typs, Ökosteuern sollen auf europäischer Ebene die Wirtschaft umbauen und nachhaltig Arbeitsplätze schaffen.

Und weil das Marktsystem nicht alle menschlichen Bedürfnisse erfüllen kann, muß ein sogenannter solidarwirtschaftlicher Sektor ausgebaut werden. Gemeint ist damit ein "Non-profit-Sektor", der zwischen Staat und Wirtschaft sitzt. Dieser müsse notwendige Güter und Dienstleistungen anbieten, die von beiden Seiten nicht (mehr) übernommen werden. Jene "sinnvollen Tätigkeiten", die hier auf Arbeitssuchende warten, sind durch öffentliche Mittel zu fördern. Derselbe Staat, der zur Zeit fleißig am Sozialabbau arbeitet, soll also den Ausbau ausgelagerter sozialer und ökologischer Dienstleistungen mitfinanzieren? Das klingt mehr als optimistisch.

Eine gute Portion grüner Phantasie braucht es auch, um an die von den Grünen angestrebte "Ökologisierung" der Wirtschaft zu glauben. Wer etwa die neuen Vorgaben gegenüber der gutverdienenden Wirtschaft durchsetzen soll, darüber wurde nicht diskutiert. "Wir müssen ein anderes Wirtschaftsmodell entwickeln", merkte zwar eine Gipfelteilnehmerin an. Frieder Otto Wolf wollte gar die Globalisierung als Marktideologie bekämpfen. Doch solche fundamentalen Debatten kamen auf dem grünen Gipfel nicht auf. Am marktwirtschaftlichen System wird auch auf europäischer Ebene schon lange nicht mehr gerüttelt. Sehr deutlich - und vor allem bei der deutschen Delegation zu spüren - war in Luxemburg indessen der europaweit um sich greifende grüne Regierungswille. Vor allem, wenn die französischen VertreterInnen von Les Verts das Wort ergriffen, bekamen so manche (noch) nicht-regierende Grüne glänzende Augen, und es entstand so etwas wie Aufbruchstimmung. Immerhin ist in Frankreich das Realität, worauf die Grünen in Deutschland zur Zeit kompromißfreudig hinarbeiten: Die rot-grüne Regierungskoalition.

"Ich fühle mich wohl in dieser Regierung", machte Dominique Voynet ihren KollegInnen Mut und gab ihnen den Rat, keinen Gegensatz in Machtanspruch und grünen Ideen zu sehen. Kerstin Müller, die als Sprecherin der deutschen Grünen nach Luxemburg angereist war, versprach, daß bei Rot-Grün der deutsche Reformstau ein Ende habe: "Wir hoffen darauf, die BRD aus ihrer europäischen Bremserrolle herauszuholen". Also, auf zum rot-grünen Europa-Paradies. Lediglich das mit den Massen, die der unverbesserliche Frieder Otto Wolf bewegen will, ist vielleicht noch nicht ganz geklärt.