Trara, trara, McPost ist da!

Das neue Postgesetz soll die Liberalisierung asymmetrisch regeln - auf Kosten der Post AG, der Kunden und der Beschäftigten

Was er zum Thema Kundenfreundlichkeit bei der Deutschen Post AG zu sagen habe? Der trottelige Schalterbeamte im neuen Werbespot zeigt besser als jede Portoerhöhung und Umgestaltung der Postfilialen, daß sich im Postwesen etwas tut: "Äh, die sind manchmal nicht sehr freundlich." Eine solche Selbstironie des Unternehmens hätte sich bis vor kurzem niemand, der jemals stundenlang in der Schlange vor dem einzigen geöffneten Postschalter gestanden hat, vorstellen können. Aber kurz vor der geplanten Liberalisierung des Marktes ist die Konkurrenz auf dem Sprung, und die Deutsche Post AG muß sich beeilen, ihr Image aufzubessern. Vor allem, da sie nicht nur ihre Monopolstellung verlieren, sondern auch noch verschiedene Handicaps mit ins Rennen nehmen soll, um den Mitbewerbern eine "reelle Chance" zu geben.

So sieht es jedenfalls der Regierungsentwurf zum neuen Postgesetz vor, für den das Verfahren jetzt abgekürzt worden ist. Ohne die Ergebnisse einer erst vor zwei Wochen initiierten Anhörung zu berücksichtigen, soll das Gesetz an diesem Donnerstag in zweiter und dritter Lesung durch den Bundestag gebracht werden. Vermutlich damit der vom Bundesrat bereits angemeldete Einspruch samt dem folgenden Vermittlungsausschuß den engen Terminplan nicht gefährdet. Denn zum 1. Januar, da steht die Koalition bei den zukünftigen Post-Konkurrenten und den Unternehmerverbänden im Wort, soll der Markt bereits weitgehend flexibilisiert sein. Das heißt, der größte Teil der noch bei der Deutschen Post AG liegenden Dienste kann künftig auch von anderen Anbietern übernommen werden.

Eine Exklusivlizenz behält die Deutsche Post AG nur für Briefe bis 100 Gramm oder 5,50 Mark Porto und bis zum Jahresende 2002. Laut Gesetzentwurf gleich zu Beginn davon ausgenommen ist der lukrative Bereich der massenhaft vertriebenen Werbesendungen, der Infopost. "Wenn das durchkommt", so PDS-Postexperte Gerhard Jüttemann, "kann die Post AG die Pensionskosten für ehemalige Beamte nicht mehr bezahlen - oder sie geht im Wettbewerb unter." Nach Einschätzung seiner Partei soll das Monopol "mindestens für alle Briefe bis 350 Gramm" beibehalten werden.

SPD und Deutsche Postgewerkschaft fordern eine unbefristete Lizenz für Briefe bis 100 Gramm, die auch Bundespostminister Wolfgang Bötsch (CSU) noch im Frühjahr befürwortet hatte, bis ihm offenbar der Druck von FDP und Unternehmern zu groß wurde. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gelten die neuen Konkurrenten als Teilanbieter, die sich - für sie günstige - Einzelbereiche aus dem universellen Dienst herausgreifen können. Den Auftrag zur verfassungsmäßig garantierten Grundversorgung behält die Deutsche Post AG. Das heißt nicht nur, daß sie auch Gebiete mit schlechter Infrastruktur abdecken muß. Sie soll gleichzeitig ihr Netz für alle zugänglich machen, also auch für die Konkurrenz. Anders als bei der Telekom AG, die derzeit gegen die Gebührenvorgaben kämpft, die Bötsch für die Freigabe ihrer Kabel und Leitungen an Mitbewerber festgelegt hat, geht es dabei nicht nur um Technik. Unter das Gesetz zur Öffnung fällt die gesamte Logistik samt Schalter, Verteil- und Frachtzentren, Postfachanlagen und dementsprechenden Personal, und auch hier werden die Preise von oben diktiert. Schließlich, so der Gesetzentwurf, müsse "sichergestellt werden, daß die Verpflichtung zum Angebot von Teilleistungen nicht durch preispolitische Maßnahmen konterkariert wird". Oder mit den Worten Reinhard Gottorfs, Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Postgewerkschaft (DPG): "Die Post AG wird für ihre Konkurrenten richtig billig."

Mit dieser asymmetrischen Regulierung, die die Neuanbieter begünstigt, will die Bundesregierung streng nach Lehrbuch möglichst schnell einen offenen Markt schaffen. Im EU-Vergleich prescht sie dabei ziemlich weit vor. Die Liberalisierung der größtenteils noch in staatlicher oder nationaler Hand liegenden Postdienste ist zwar eine Vorgabe der EU. Diese betont aber, daß in erster Linie abzusichern ist, daß die Grundversorgung auch auf dem flachen Land und in den Bergen erhalten bleibt.

In Deutschland, wo von den bislang noch rund 300 000 Postbeschäftigten auch ohne das neue Postgesetz bis zum Jahr 2000 weitere 40 000 bis 50 000 gehen müssen, dürfte dagegen nun mit noch mehr Entlassungen zu rechnen sein. Die Schätzungen reichen bis zu 70 000: Die Post AG selbst erwartet Umsatzeinbußen von sechs bis sieben Milliarden Mark. Für jede Milliarde Verlust fielen bis zu 10 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze weg, befürchtet die DPG. Die meisten davon in Ostdeutschland - im Westen ist mindestens jeder zweite beamtet und damit nicht kündbar. Für die dafür bei den Konkurrenten neu entstehenden Stellen gibt es keine Mindeststandards, so daß es sich vor allem um prekäre Beschäftigungsverhältnisse - befristete Einstellungen, 610-Mark-Jobs, Scheinselbständigkeiten - handeln wird. "Leidtragende des neuen Postgesetzes", so ein Experte bei der Anhörung im Bundestagsausschuß für Post und Telekommunikation, "ist nicht nur die Deutsche Post AG, es sind vor allem die Beschäftigten und in der Folge auch die Kunden". Eine flächendeckende Versorgung habe in diesem Konkurrenzsystem keine Chance.

Der oberflächliche Eindruck, hier ließe sich ein Zweckbündnis zwischen Unternehmen und Beschäftigten schmieden, täuscht allerdings. Die Deutsche Post AG hat längst eigene Konsequenzen gezogen, die sich nicht in der jüngsten Portoerhöhung erschöpfen. So setzt sie nach dem in Einzelfällen gelungenen Versuch, Postfilialen durch Schalter in Tante-Emma-Läden zu ersetzen, nun seit Anfang September auf eine "McPaperisierung". Die Zusammenarbeit mit der zum Berliner Herlitz-Konzern gehörenden Ladenkette McPaper, die bundesweit 325 Geschäfte mit rund 1 000 Beschäftigten unterhält, mag zwar im Interesse künftiger Postaktionäre liegen, die damit das Problem der flächendeckenden Infrastruktur gelöst sehen, dem Erhalt tariflicher Arbeitsplätze dient sie keineswegs. Denn daß auf diese Weise auf beiden Seiten Stellen wegfallen werden, bestreitet niemand.

Von den Verbrauchern, die sie in diesen Wochen noch einmal mit Streiks und Aktionen auf die Folgen des Gesetzes aufmerksam machen wollen, können die Bediensteten ebenfalls wenig Unterstützung erwarten, auch wenn sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund dieser Tage wieder zu Wort gemeldet und gewarnt hat, Vorteile werde es "nur für gewerbliche Großverbraucher und für die Ballungsräume geben". Obwohl im Gesetzentwurf trotz des Drängens von SPD-Postexperte Bury jegliche Kundenschutzordnung fehlt, die nicht nur guten Zugang für alle potentiellen Kunden, sondern auch die werktägliche Zustellung an die Hausadresse gewährleisten müßte, wird die Mehrzahl erfahrungsgemäß erst einmal abwarten, ob sie nicht doch von der Öffnung profitiert. Ob nicht doch Bundesregierung und Wirtschaftsverbände mit ihrer Propaganda recht haben - daß die Marktkonkurrenz zumindest bei den Diensten, die sie jeweils in Anspruch nehmen wollen, für niedrigere Preise sorgt.