Altersteilzeit-Tarife bei der IG Metall

Abschluß wie bei Aldi

Als die Menschen samstagabends noch alle die gleiche Fernsehsendung sahen, gab es eine Show, in der brachte ein Briefträger - Herr Sparbier - die Kanditatenfragen dem Quizmaster in einem Briefkuvert. Spötter behaupten, die Schlichtung um die Altersteilzeit zwischen IG Metall und regionalem Arbeitgeberverband habe nur deshalb vier Tage gedauert, weil sich der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Klaus Fritsche, nach jedem Satz vom Hotel in Donaueschingen mit dem Auto ins Nachbardorf fahren ließ, um dem dort wartenden Gesamtmetallchef Werner Stumpfe Bericht zu erstatten. Gewerkschaftsvertreter tauften ihn deshalb "Sparbier" - die Lacher waren da noch auf seiten der IG Metall. Ein hinterhältiger Journalist förderte nun zutage, daß das Hotel Öschberghof, in dem verhandelt wurde, nebst dem dazugehörigen Golfplatz, Theo und Karl Albrecht - besser bekannt als "Aldi-Brüder" - gehört und wohl ein Abschreibungsobjekt sei. Doch das nur am Rande.

Tatsächlich geht Donaueschingen in die Annalen der Tarifgeschichte ein. So ganz nebenbei wurde neben dem Altersteilzeittarifvertrag auch der gültige Manteltarifvertrag um ein Jahr verlängert. Somit hat die IG Metall die gültige 35-Stundenwoche - kündbar zum 31. Dezember 1999 - um ein Jahr verlängert. Also nix da mit Klaus Zwickels Arbeitszeitoffensive und der 32-Stundenwoche. Der IG Metall-Chef wurde von seinem Vize Walter Riester klassisch vorgeführt. So wie Fritsche nur der Unterhändler für Stumpfe war, war Baden-Württembergs IG Metall-Bezirksleiter Gerhard Zambelli Erfüllungsgehilfe von Riester, der ja in der IG Metall die Tarifpolitik der Gewerkschaft bestimmt. Bleibt abzuwarten, wie die Basis auf das Vertragswerk ihres umstrittenen Moderniesierers Riester reagiert.

Grund zum Jubeln gibt es für die "mächtigste Einzelgewerkschaft der Welt" nicht. Da wurden keine Kröten, hier wurden Krokodile geschluckt. Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, bejubelt den "Kompromiß" als Tarifvertrag der Zukunft; er sei richtungsweisend, weil er die Regelungsspielräume für die Betriebe öffnet. Stumpfe möchte das Werk von Donaueschingen auf die gesamte Metall- und Elektroindustrie übertragen. Billiger als bei Aldi bekommt man sonst nirgendwo etwas - höchstens noch auf dem Flohmarkt.

Beschäftigte über 55 Jahren dürfen zukünftig nur noch die Hälfte arbeiten und bekommen dafür 82 Prozent des letzten Nettoentgelts. Aber nur, wenn es darüber zwischen Unternehmer und Betriebsrat eine freiwillige Betriebsvereinbarung gibt. Somit kann man getrost sagen, daß hier lediglich ein sogenannter Tarifvertrag abgeschlossen wurde. Was ist mit den Beschäftigten in Kleinbetrieben, wo es keine Betriebsräte gibt? Die IG Metall wird nicht müde zu beklagen, daß die bisherigen und ohnehin schon bis zur Unkenntlichkeit flexibilisierten Tarifverträgen in Klein- und Mittelbetrieben gar nicht angewandt werden. Nun sattelt sie selbst noch einen drauf und sperrt ein Großteil der Beschäftigten von der Regelung aus.

Man wird es zu verkraften wissen, nicht mit von der Partie "Altersteilzeit" zu sein. Außer den Großbetrieben wird es nur Verlierer geben. Der Lohnausgleich stimmt nicht, die Rentenabschläge für früheren Renteneintritt wird nicht ausgeglichen, in maximal zehn Jahren Altersteilzeit werden auch nur noch 95 Prozent der Rentenbeiträge eingezahlt. Für wen soll das Anreitz sein, den sogenannten sanften Übergang in die dritte Lebenshälfte zu wählen? Es ist mehr als nur Hohn, wenn die IG Metall monatelang schimpft, die gesetzliche Regelung zur Altersteilzeit sei ungenügend und nun selbst eine Vereinbarung unterzeichnet, in der steht, daß die gesetzliche Regelung in Kraft tritt, wenn es keine freiwillige Vereinbarung gibt. Diese "Dialektik ˆ la Riester" soll erklären wer will, zu vermitteln ist sie den Arbeitern nicht, geschweige denn, daß man die Empfehlung aussprechen möchte, davon Gebrauch zu machen. Schwierige Fragen seien im Konsens gelöst worden, sagte Zambelli zum Abschluß der Schlichtung. Demnächst veranstaltet die IG Metall einen außerordentlichen Gewerkschaftstag. Vielleicht hat jemand den Mut, einen Antrag zur Satzungsänderung einzubringen: Wer Beifall aus der Kapital-Ecke provoziert, wird aus der Gewerkschaft ausgeschlossen.