Mit 2 650 Aldis über die Runde

Beim Kombilohn ist die IG Medien mal wieder Spielverderberin, und auch sonst laufen die sogenannten "beschäftigunspolitischen Maßnahmen" ins Leere

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat ihn ins Gespräch gebracht, und der DGB jagt ihn als neue beschäftigungspolitische Sau durchs Dorf: den sogenannten Kombi-Lohn. Um Sozialhilfeempfänger "von der Straße" zu bekommen, sollen diese in Zukunft "großzügiger" hinzuverdienen dürfen. Derzeit gilt ein Freibetrag von 265 Mark, wenn neben der Sozi noch 1 000 Mark nebenbei verdient werden - netto darf man also mit monatlich 1 265 Mark über die Runden kommen.

Nach den Vorstellungen von Gesundheitsminister Seehofer - warum ist der eigentlich für Sozialhilfe zuständig? - dürfen "Hilfsbedürftige" in Zukunft 1 500 Mark bar auf die Hand bekommen, und von der vorher bezogenen Sozialhilfe dürfen sie dann immer noch 315 Mark behalten. Macht immerhin 1 815 Mark oder rund 2 650 Dosen Hansa-Pils von Aldi.

Wie die DGB-Sprecherin Sabine Nehls Jungle World gegenüber erklärte, finden derzeit zwischen dem DGB-Bezirk Nordrhein-Westfalen und dem regionalen Spitzenverband der Arbeitgeber Verhandlungen statt, um Modalitäten auszuhandeln, die die Wiedereingliederung von Sozialhilfeempfängern ins Arbeitsleben erleichtern sollen. Bis Ende des Jahres soll ein Modell unter Dach und Fach sein, bei dem Lohn und Sozialhilfe kombiniert werden können, sagte Nehls. Diese Verhandlungen gingen auf eine Initiative des DGB-Bundesvorstandes - also der 15 Vorsitzenden der Mitgliedsgewerkschaften - zurück. Auf Jungle World-Hinweis, daß der DGB doch gar nicht tariffähig sei und die Tarifpolitik alleine im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsgewerkschaften liege, sagte Frau Nehls, hier gehe es auch gar nicht um Tarifpolitik, vielmehr sollten die "politischen Rahmenbedingungen" für einen Kombi-Lohn ausgehandelt werden. Die Umsetzung liege dann bei den Mitgliedsgewerkschaften.

Unterdessen regt sich bei der IG Metall und der IG Medien Widerstand gegen das Vorhaben. Der IG Medien-Vorsitzender Detlef Hensche spricht von einem "Programm der Dequalifizierung", das zudem noch staatlich subventioniert werde. "Typischerweise handelt es sich hier um ohnehin schlecht bezahlte Jobs. Für den, der solche Arbeit aufnimmt, mündet diese Beschäftigung in aller Regel in eine Sackgasse", schreibt Hensche in einem Kommentar des IG Medien-Forum, der mit "Kombilohn - mit Staatsknete ins 19. Jahrhundert" überschrieben ist. Hensche fordert, daß diejenigen, die die Arbeit in Anspruch nehmen, diese auch bezahlen sollen.

Auch die IG Metall lehnt solche Jobs kategorisch ab, sagte Vorstandsmitglied Horst Schmitthenner der Frankfurter Rundschau: Es sei ein Irrglaube, daß sozial benachteiligte Gruppen durch den Kombilohn eher Jobs bekämen: "Wir akzeptieren keine Billig-Jobs und keine Sondertarife für Sozialhilfeempfänger" sagte Schmitthenner. Die vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente müßten ausgebaut und auf Sozialhilfeempfänger ausgedehnt werden, so der IG Metall-Funktionär. Denkbar wären Lohnkostenzuschüsse für schwervermittelbare Erwerbslose.

Erst im April dieses Jahres wurde das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geändert. Dazu gehören die Veränderungen im Kündigungsschutz, die Erleichterung befristeter Arbeitsverhältnisse, das Altersteilzeitgesetz, Eingliederungsverträge und Einstellungszuschüsse. Unlängst beklagte die DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer, diese Maßnahmen würden von den Arbeitgebern viel zuwenig in Anspruch genommen. Demgegenüber sagte Dieter Hundt, in den ersten fünf Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes hätten gut 25 000 Menschen dadurch eine Arbeit gefunden.

Auch die Einführung des "Haushaltschecks" erweist sich als Flop. Seit Januar des Jahres können bis zu 18 000 Mark steuerlich abgesetzt werden, wenn eine Haushaltshilfe - Stichwort "Dienstmädchenprivileg" - über den Scheck versicherungspflichtig beschäftigt wird. Arbeitsminister Norbert Blüm und der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten, Franz-Josef Möllenberg, sahen bis zu 700 000 Arbeitsplätze entstehen. Vom Hausfrauenbund in Bonn war zu erfahren, daß derzeit rund 36 000 private Haushaltsbedienstete sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Seit Einführung des Haushaltschecks wurden gerade mal 3 000 Anmeldungen zu dem Scheck-Verfahren registriert. Kontinuierlich steigt dagegen die Zahl der "geringfügig Beschäftigten" (West 610 Mark/Ost 530 Mark monatlich versicherungsfrei) - 6,5 Millionen sollen es nach Schätzungen des Instituts für Sozialforschung (Köln) sein. "Gesetzlich geförderte Schwarzarbeit" nennt Detlef Hensche diese Jobs.