Freibier für Fixer

Teurer Schwarzmarkt

Auch volkswirtschaftlich rechnet sich die kontrollierte Heroinabgabe

Neben liberalen, sozialen und ordnungspolitischen Beweggründen, gibt es noch ein weiteres Argument für die kontrollierte Abgabe von Heroin durch den Staat: die Ökonomie. Volkswirtschaftler, denen beim besten Willen keine Nähe zu umstürzlerischen Bestrebungen nachgesagt werden kann, haben ausgerechnet, daß der Schwarzmarkt und die Repression gegen Händler und Konsumenten von Heroin dem Staat wesentlich mehr kosten als eine medizinisch kontrollierte Heroinabgabe. Der Kölner Volkswirt Olaf Gersemann beziffert die polizeiliche Bekämpfung des illegalen Marktes mit jährlich rund 1,2 Milliarden Mark (1992), die Verfolgung der Beschaffungskriminalität der Junkies mache noch einmal rund 1,9 Milliarden Mark aus. Dazu müsse die erbeutete Diebesware im Wert von 3,2 Milliarden Mark addiert werden. Rechne man die Kosten für Therapien und gesundheitliche Versorgung dazu, komme man unter dem Strich auf Ausgaben von 13 Milliarden Mark jährlich für die Heroin-Prohibition und ihre Folgen. Das sind 130 000 Mark für jeden Süchtigen.

Auch der Bochumer Ökonom Karl-Hans Hartwig und sein Assistent Ingo Pies, die im Auftrag des hessischen Justizministeriums eine entsprechende Studie erarbeiteten, kamen zum selben Ergebnis. Ihrer Ansicht nach ist die "Funktionslogik des Schwarzmarktes" Grund für den volkswirtschaftlichen Schaden, weil Anbieter und Nachfrager auf das Verbot rational reagieren. Die hohen Gewinne animieren die Anbieter, mehr Stoff auf den Markt zu bringen, wie sich auch am Verfall der Heroinpreise seit den siebziger Jahren auf das bisher niedrigste Niveau und an der weiteren Streckung des angebotenen Stoffes ablesen läßt. Nach der Logik des Marktes muß es also die Masse bringen.

Beim Schweizer Modellversuch mit staatlicher Heroinabgabe betrugen die jährlichen Kosten trotz eines extrem teuren wissenschaftlichen Begleitprogrammes und einer aufwendigen psychosozialen Betreuung nur 27 375 Mark pro Süchtigen. Nach der Berechnung von Hartwig und Pies ließe sich, selbst wenn die Beschaffungskriminalität nur um 25 Prozent und die Kosten der gesundheitlichen Verelendung bei Junkies nur um zehn Prozent gesenkt würden, soviel Geld sparen, daß damit 70 000 Süchtige auch zum höchsten Schweizer Tagessatz versorgt werden könnten.

Der Staat müßte natürlich nicht nur die Verteilung, sondern auch die Produktion des Heroins übernehmen. Das ist verhältnismäßig preiswert zu haben. Es ist mit Produktionskosten von nicht einmal fünf Mark pro Tagesdosis zu rechnen. Die volkswirtschaftliche Ersparnis betrüge immer noch mehrere Milliarden Mark.

Gersemann schlägt, anders als beim Schweizer Modell und den Vorstößen aus Hamburg und Frankfurt/Main vor, den Stoff grundsätzlich an Süchtige gratis abzugeben und auch Neueinsteigern nach eingehender Beratung und Bedenkzeit Heroin auszuhändigen, allerdings gegen Bezahlung. Um einen Drogentourismus zu vermeiden, soll die Abgabe auf Personen beschränkt werden, die seit längerer Zeit in Deutschland leben. Um die Kontrolle gewährleisten zu können, schlägt Gersemann ein Magnetkartensystem vor. Die Abgabe könne in Arztpraxen, Apotheken und Räumen der Drogenhilfe erfolgen.

Wichtig ist bei dem Modell, daß der Staat als einziger Händler auftritt. Die Ausgabe des Stoffes, so Gersemann, müsse daher freizügig erfolgen, sonst könne das illegale Verteilungsnetz der Drogenbosse nicht zerschlagen werden, und ein neuer Schwarzmarkt entstünde.