Freibier für Fixer

Im Bierzelt gegen Fixerräume

Die CSU heizt in München mit einem Bürgerentscheid die Stimmung gegen Junkies und den politischen Gegner an

Wo sonst sollte in Bayern gegen die "Drogen-Epidemie" und gegen "Tummelplätze für Drogenabhängige" gekämpft werden, als ausgerechnet im Bierzelt. Genau dort, auf dem Aubinger Herbstfest, startete die Münchner CSU am 7. September ihren Kreuzzug gegen Fixerstuben und Spritzenautomaten. Peter Gauweiler blies nach seiner Kampagne gegen die Wehrmachtsausstellung im März zum zweiten Mal in diesem Jahr zur Offensive. Grund der Aufregung: Am 17. Juli hatte der Gesundheitsausschuß im Münchner Rathaus mit seiner rot-grünen Mehrheit die Einrichtung von Gesundheitsräumen oder Fixerstuben nach Frankfurter Vorbild und ein umfassendes Spritzenabgabe- und Tauschprogramm beschlossen. Die Reaktion der CSU kam prompt: Im Stadtrat blockiert ein CSU-Nachprüfungsantrag die Drogenbeschlüsse bis zur nächsten Vollversammlung am 8. Oktober. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) wurde ein zehntägiges Ultimatum zur Rücknahme der beschlossenen Drogenpolitik gestellt. Andernfalls drohte Peter Gauweiler im CSU-Parteiorgan Bayernkurier mit dem Volkszorn: Die CSU rufe "das Volk der Stadt München" um Hilfe.

Mittlerweile laufen die Vorbereitungen für einen Bürgerentscheid auf vollen Touren. 35 000 Unterschriften müssen gesammelt werden. Noch sind sich die meisten Fachleute mit SPD und Grünen einig: Ein CSU-Sieg beim Bürgerentscheid wäre eine Katastrophe. Das Interesse ist für Grünen-Chef Leo Klotz klar durchschaubar: "Die CSU macht der Bevölkerung Angst, um sich dann wieder als Law-and-order-Partei profilieren zu können." Das werde wie im "Asyl- und Ausländerbereich mit tödlichen Folgen exerziert".

Unabhängig vom Verlauf des Bürgerentscheids werden die Fixerstuben auf jeden Fall die Gerichte beschäftigten. Die CSU argumentiert damit, daß die geplanten Räume rechtswidrig seien. Durch sie werde Gelegenheit zum Drogenkonsum geschaffen. Für die CSU, die bayerische Staatsregierung und die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde der Stadt München ein klarer Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG). "Juristischer Unsinn" ist das hingegen für die Grünen-Stadträtin Judith Schmalzl: "Es ist absurd, daß Gesundheitsräume in Frankfurt legal sind und Bayern Bundesgesetze wieder einmal anders auslegen will." Deshalb wollen die Müncher Grünen die Fixerstuben notfalls mit einer Musterklage vor den höchsten Gerichten durchsetzen. Denn, so begründen sie: "Fixerstuben fordern nicht zum Konsum auf, sie helfen den Drogenkranken zu überleben."

Zu diesem Ergebnis kommt auch der Frankfurter Oberstaatsanwalt Harald Körner. In einem strafrechtlichen Gutachten stellte er klar: Gesundheitsräume bieten weder eine strafrechtliche "Gelegenheit", noch verleiten sie zum Konsum. Laut Körner schaffen sie lediglich medizinisch vernünftige Begleitumstände für Schwerstabhängige: saubere Spritzen, Beratung und ärztliche Soforthilfe bei einer ansonsten tödlich verlaufenden Überdosis. Sofern Erwerb, Handel und die Abgabe von Drogen in diesen Räumen nicht geduldet wird, verstoße die "Fürsorge für einen hygienischen, streßfreien, risikomindernden Konsum" weder gegen das BtmG, noch gegen andere Strafgesetze oder internationale Abkommen und sei daher legal. Jede andere Auslegung hält Körner für unsinnig: "Ansonsten würde auch der Verkauf von Tabak an Cannabisraucher, der Verkauf von Löffeln, Zitronen, Verbandsmaterial und ähnlichem an Heroinfixer ein strafbares Verschaffen von Gelegenheit zum Konsum bedeuten."

Ausgerechnet aus dem CDU-regierten Frankfurt/Main bekommen die rot-grüne Stadtregierung in München und der dortige Drogenbeauftrage Michael Lubinski Unterstützung. In Frankfurt wurden noch unter rot-grüner Regentschaft Anfang der neunziger Jahre "Konsumräume" eingerichtet und nach dem Regierungswechsel von der CDU weiterbetrieben. "Unsere Erfahrungen mit Gesundheitsräumen sind positsiv", berichtet die pesrönliche Referentin des Frankfurter Gesundheitsdezernenten Albrecht Glaser (CDU), Frau Schneider-Siegler, und betont: "Sonst hätten wir sie sofort wieder zugemacht." Die Erfolgsbilanz: weniger Infektionen mit HIV und Hepatitis durch saubere Spritzen in hygienischer Umgebung, sozialer Kontakt zu den Drogenabhängigen, Verbesserung der gesundheitlichen Situation, drastischer Rückgang der Zahl der Drogentoten (von 147 im Jahr 1992 auf 31 im Jahr 1996), weil in den Frankfurter Konsumräumen niemand an einer Überdosis stirbt.

Ganz anders die Entwicklung in München: Dort stieg die Zahl der Drogentoten von 14 (1987) auf 70 (1996). Dennoch bleiben für Gauweiler Fixerstuben "heller Wahnsinn" und "makabre Menschenversuche". "Heroin für Süchtige", faßt Gauweiler seine Argumente gegen die kontrollierte Heroinabgabe zusammen, " ist wie Schokolade für Zuckerkranke". Die Diskussion ist auf Stammtischniveau angekommen - da, wo Gauweiler sie haben will, um für "Zwangstherapien" zu werben. Schon einmal hatte Gauweiler die Zwangskasernierung vorgeschlagen - damals im Kampf gegen die "Aidsseuche".

Es ist offensichtlich, daß die CSU mit der Drogenpolitik Wahlkampf machen will. Doch die Attacke richtet sich nicht nur gegen Junkies. "Wir wollen eine Generaldebatte über die Verwahrlosung unserer Großstädte und zur Sicherheitspolitik", bekennt Gauweiler freimütig, und genau dafür sei der CSU-Bürgerentscheid zur Drogenpolitik das geeignete Forum. Die Richtung ist klar: kriminelle Ausländer und Junkies als Feindbild, härtere Gesetze und mehr Polizei als vermeintliche Lösung. Was das für Konsumenten illegalisierter Drogen bedeutet, hat eine anonyme Umfrage unter 365 Müncher Junkies gezeigt: Die harte Linie der Ordnungs- und Vertreibungspolitik der Münchner Polizei verschlechtert die Lebenssituation der Süchtigen, fast alle berichten von Übergriffen von Polizei und Sicherheitsdiensten.

Die "Generaldebatte", von der Gauweiler spricht, hat längst Gestalt angenommen. Letztlich decken sich die Positionen vieler Befürworter von Fixerstuben eher mit denen von Scharfmachern wie Gauweiler, als mit radikaleren Positionen zur völligen Entkriminalisierung von Konsumenten illegaler Drogen. Im Kern geht es Voscherau genauso wie Roth, Gauweiler und Ude um die Säuberung der Straßen. Und auch die Frankfurter Banker haben weniger aus Menschlichkeit als aus Eigennutz für die Konsumräume plädiert. Auch wenn es mehr Süchtige unter ihnen gibt, als man vielleicht denkt, so soll doch der Mittagsspaziergang vor den Büropalästen nicht vom Anblick heruntergekommener Junkies getrübt werden.