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Greenpeace geht bei RTL auf Sendung. Interview mit Norbert Schnorbach, dem Leiter der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Sektion Deutschland

Am 21. September geht Greenpeace-TV auf Sendung. Sonntags um 23.00 Uhr wird im Spätprogramm von RTL das "informative und konfrontative, neue Umweltmagazin (...) mit Reportagen, Interviews und Hintergrunderklärungen" (Greenpeace-aktuell) ausgestrahlt. Konzipiert ist Greenpeace-TV als halbstündige Magazinsendung. In der Startphase wird das Magazin alle zwei, später nur noch alle drei Wochen auf Sendung gehen. Die Moderation übernimmt Sandra Maischberger ("Talk im Turm"), die redaktionelle Leitung besorgt Stephan Lamby, zuletzt Produktionschef von Zeit-TV.

Sie haben die TV-Produktionsfirma ECO-Media schon vor längerer Zeit beauftragt, die Produktion von Greenpeace-TV vorzubereiten und durchzuführen. War die mediale Selbstinszenierung von Greenpeace am Ende?

Selbstinszenierung? Greenpeace-TV spielt einfach eine andere Rolle als normale Öffentlichkeitsarbeit, die darauf abzielt, durch Aktionen und professionelle Medienarbeit ein großes Publikum für bestimmte Themen zu interessieren. Das geht in der Regel nur in Nachrichtenform, durch punktuelle Informationen zu einzelnen Themen.

Was dabei zu kurz kommt, ist die Hintergrundberichterstattung, sind die Zusammenhänge. Was hat beispielsweise der Klimawandel, den man im Augenblick in der Arktis beobachten kann, mit dem Automobilverkehr in Deutschland zu tun? Aktionen können da nur punktuell Interesse wecken. Deswegen auch solch ein neues Umweltmagazin. Man kann Hintergründe vermitteln und Zusammenhänge aufzeigen, die ansonsten in der Berichterstattung zu kurz kommen.

Sie hatten schon Kontakte zum Fernsehsender RTL aufgenommen, bevor ECO-Media ins Spiel kam. Warum soll Greenpeace-TV ausgerechnet bei RTL erscheinen?

RTL ist als größter Sender mit den meisten Zuschauern natürlich ein attraktives Medium, um eine Botschaft möglichst weit zu verbreiten und um das Thema Umweltschutz stärker in die Medien zu bringen. Zumal uns RTL auch Bedingungen geboten hat, die weitgehend dem entspechen, was wir wollen. In erster Linie, daß wir eine beträchtliche Unabhängigkeit brauchen, insbesondere was die Inhalte angeht.

Die Idee dazu ist schon vor mindestens zwei Jahren geboren worden. Wir haben mit diversen Medien über dieses und andere TV-Projekte gesprochen, und bei RTL war dazu die größte Bereitschaft, vielleicht auch der größte Wagemut vorhanden, sich mit uns einzulassen.

RTL hat sein Programm stark auf das bevölkerungsreichste - und rot-grün regierte - Bundesland Nordrhein-Westfalen ausgerichtet. Johannes Rau hat sich zum Beispiel immer wieder dafür eingesetzt, daß TV-Produktionen seines Parteifreundes Alexander Kluge (Kanal 4) sowohl bei RTL als auch bei anderen privaten Sendern genommen wurden. Wer hat medienpolitisch seinen Einfluß geltend gemacht? Michael Vesper? Bärbel Höhn?

In der Medienpolitik bin ich kein Experte. RTL hat zwar seinen Sitz in Köln, aber ich weiß nicht, welche Rolle Nordrhein-Westfalen oder auch die Landesregierung von NRW, für RTL spielt. Außerdem hat RTL seine Sendelizenz nicht aus Nordrhein-Westfalen, sondern von der Landesmedienanstalt in Niedersachsen. Nein, ich würde sagen, das spielt keine Rolle.

Zum Sendeplatz: Sonntags, 23 Uhr, liegen da die Umweltaktivisten nicht schon längst in der Falle?

Nein, das ist ein recht attraktiver Sendeplatz. Wir müssen nicht gegen Vorabendserien oder ähnliches in Konkurrenz treten. Interessant ist auch, daß eine Sendung wie Spiegel-TV unmittelbar vor Greenpeace-TV läuft, es wird da ein interessiertes Publikum geben, das auch schon vorher am Sender sitzt.

Parallel läuft aber auch die wöchentliche Spiegel-TV-Reportage auf SAT 1, Pro 7 sendet Focus TV, RTL 2 bedient mit Night Affairs. Wie will Greenpeace-TV gegen diese Konkurrenz bestehen?

Ganz einfach: Ich hoffe, daß Greenpeace-TV viel spannender wird.

Die Sendung wird nur im zweiwöchigen Rhythmus ausgestrahlt, später sogar noch seltener.

Auf einen wöchentlichen Senderhythmus konnten und wollten wir uns nicht einlassen, denn ein völlig neues Umweltmagazin, das ja nun wirklich ganz neue Charakteristik hat, einfach so von Null auf Hundert aus dem Boden zu stampfen, ist sicher keine ganz einfache Aufgabe. Daher habe ich mit diesem Senderhythmus auch keine Probleme. Unser Anliegen ist, eine größere Zuschaueranzahl dafür zu gewinnen, sich Umweltthemen anzuschauen. Und ich hoffe, daß wir auf reges Interesse stoßen.

Vielleicht gibt es ja auch einen Dominoeffekt. Wenn RTL jetzt auf die Umweltkarte setzt, sich mit Greenpeace auf ein TV-Magazin einläßt, das wir inhaltlich verantworten, wird damit vielleicht auch ein positives Signal gegeben, daß Umweltschutzthemen "in" sind. Das könnte sich auf die Behandlung von Umweltschutzthemen bei anderen Fernsehsendern und in anderen Medien bemerkbar machen.

Alles eine Frage der richtigen Präsentation?

Das geht mitnichten auf Kosten der Inhalte, denn das große Prinzip von Greenpeace ist seit 25 Jahren, daß wir das öffentliche Interesse auf Umweltschweinereien lenken wollen. Deshalb spielt die Öffentlichkeitsarbeit eine ganz zentrale Rolle bei Greenpeace. Wir gehen davon aus, daß nur öffentliche Anteilnahme und öffentlicher Druck wirklich zu Veränderungen und Verbesserungen führen können. Und das geht nur unter Einbeziehung eines größeren Publikums. RTL bietet die Plattform dafür, und auf dieses Angebot gehen wir gerne ein, sofern die Bedingungen stimmen, die wir als Meßlatte gesetzt haben. Eine davon ist, daß wir uns absolut nicht von irgendeiner Form des Werbeumfelds korrumpieren lassen. Wir drängen darauf, daß Werbung und Redaktion strikt getrennt sind und daß die inhaltliche Verantwortung für die Beiträge bei Greenpeace liegt. Wir schlagen die Themen vor und realisieren sie. Das einzige, was wir nicht können ist, die medienrechtliche Endverantwortung zu übernehmen. Die muß einfach beim Sender liegen.

Ist ein Vorspann denkbar: Das nun folgende Umweltmagazin wird präsentiert von Siemens, Opel oder Shell?

Werbeunterbrechungen wird es in dieser Sendung auch geben. Auch ich bin sehr gespannt darauf, wer während dieser Sendung werben wird. Ich werde aber den Teufel tun und vorher danach fragen. Es ist definitiv ausgemacht, daß wir uns nicht in die Auswahl von Werbekunden einmischen, auch werden wir keinen Werbekunden dorthin treiben. Wir verdienen ja auch keinen Pfennig an dieser Werbung, anders als etwa bei bestimmten anderen Konstellationen bei Fernsehmagazinen. Mit der Werbung haben wir nichts zu tun, weder finanziell noch inhaltlich. Es geht nur darum, bestimmte Inhalte zu vermitteln.

Der Chefredakteur von RTL hat schon vor Wochen betont, die Endabnahme des Magazins liege selbstverständlich beim Sender. Da sind doch Konflikte schon programmiert. Oder wird das Magazin so konzipiert sein, daß niemand daran Anstoß nehmen muß?

Das kann durchaus sein, daß sich Konflikte ergeben werden. Wir werden da auch eine gewisse Streitkultur entwickeln. Wesentliche Punkte, die die Zusammenarbeit angehen, sind bereits in detaillierten Verträgen geregelt. Wir werden da schon klarkommen.

Welche Streitpunkte sehen Sie denn schon jetzt?

Im Augenblick noch gar keine. Aber ich kann mir vorstellen, daß das Verfahren, das wir vereinbart haben, sich in der Praxis gut bewähren wird. Aber, weiß der Teufel welche mächtigen wirtschaftlich aktiven Verbände eventuell Interesse daran haben werden, auf diese Sendung einzuwirken, indem sie den Weg über RTL gehen.