Kolleginnen im Minus

Eine neue Studie zeigt: Weibliche Gesprächskultur ist mit männlicher Suafkultur nicht kompatibel

Ohrfeige für Gewerkschaftsmänner: Indem sie die Geschlechtsneutralität der eigenen Geschlechtsneutralität der eigenen Organisation beschwören, halten sie die Geschlechterfrage bereits für gelöst, bevor sie überhaupt thematisiert wurde. Zu diesem Schluß kommt die Psychologin Barbara Stiegler von der Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrer Studie "Das Geschlecht als Bremse", die sie im Auftrag der IG Metall durchgeführt und kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt hat. "Voll ins Schwarze", stimmen auch Funktionärinnen aus anderen Gewerkschaften zu. "Das ist bei uns auch so."

Anlaß der Studie war die rasant abnehmende Akzeptanz herkömmlicher Gewerkschaftsstrukturen und -hierarchien vor allem durch junge Frauen. In den vergangenen drei Jahren verzeichnete die IG Metall bei Frauen unter 26 Jahren ein Minus von 54 Prozent, inzwischen sind in der mit 2,7 Millionen Mitgliedern größten DGB-Gewerkschaft gerade noch 27 000 organisiert. Insgesamt liegt der Frauenanteil bei rund 18 Prozent. Ein Rückgang ist auch bei den Männern unter 26 Jahren zu erkennen, er beträgt aber vergleichsweise geringe 39 Prozent.

Daß die Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in fast allen Gewerkschaften eine Beteiligung am Erwerbsleben ist, ist laut Stiegler ein erster Erklärungsansatz. Denn Frauen sind in diesem Grundsegment potentieller Organisation wesentlich geringer vertreten als Männer. Bereits auf dem Ausbildungs- und später auf dem Arbeitsmarkt wird ihnen ein anderer Weg aufgedrängt. Während Männer hauptsächlich innerhalb des dualen Systems ausgebildet werden, also betriebliche Praxis wie auch Berufschulunterricht erhalten, sind Frauen überproportional in schulischen Vollzeitausbildungen anzutreffen, wo der direkte Kontakt zum möglichen Arbeitgeber fehlt. Bezeichnend ist die Orientierung auf Berufszweige wie Hauswirtschaft und Sozialwesen, in denen die Gewerkschaften traditionell keine große Rolle spielen.

Hinzu kommt, daß Männer immer noch in der Mehrzahl ihr Leben lang im sogenannten Normalarbeitsverhältnis beschäftigt sind, während die Erwerbsbiographien von Frauen mehr Lücken und Sprünge aufweisen, die von Zeiten der Arbeitslosigkeit, aber auch von Kindererziehungsjahren und Familienpflegezeiten geprägt sind. Daß Männer oft nur deshalb kontinuierlich im Berufsleben stehen, ist nach Stieglers Beobachtung der Tatsache geschuldet, daß Frauen - freiwillig oder unfreiwillig - ganze Bereiche der Reproduktionsarbeit übernehmen.

Diese geschlechtsspezifische Aufgabenzuteilung findet sich auch in den Gewerkschaftsstrukturen wieder, in denen wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, daß Sitzungen abends, Tarifverhandlungen nächtens und Konferenzen an Wochenenden und mehrtägig stattzufinden haben. Für Frauen mit oft ausdifferenzierteren Zeitbedürfnissen und ohne Mitarbeiter bei Familienaufgaben bleiben da nur Gewerkschaftsnischen: Basteln für den Weihnachtsbasar oder Backen fürs Sommerfest. Und der Frauenausschuß.

Dieses Abdrängen auch von motivierten weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern samt ihrer Anliegen und spezifischen Herangehensweisen in isolierte Bereiche nennt Stiegler eine "geschickte Strategie, die Ausgrenzung mit Duldung" verbinde. Während die Frauen ihre Energie in diese Frauenausschüsse und -konferenzen stecken, fehlen sie wiederum in anderen Gremien, die dann womöglich entscheiden, Frauen bräuchten keine gesonderte Vertretung. "Das ist die patriarchale Fassung der Frauenfrage, nach der Männer ÝihrenÜ Frauen Unterstützung zuteil werden lassen, damit diese die Doppelbelastung Beruf und Familie ertragen", heißt es in der Studie: "Ausgrenzung der Frauen durch Leugnung der Geschlechterhierarchie."

Hinzu kommen die gleichen Probleme, mit denen Frauen auch auf dem freien Arbeitsmarkt konfrontiert werden: Posten werden nicht in erster Linie nach Leistung und Ausstrahlung, sondern nach Geschlecht und Kompatibilität mit der herrschenden Betriebskultur vergeben. So rutschen dann auch oft genug ausgerechnet diejenigen Frauen als Alibifrauen in die Vorstände, die nicht auf die Geschlechterhierarchie hinweisen.

"Sie übernehmen die männlichen Spielregeln, um mitspielen zu können", so Stiegler. "Um ein Aufenthaltsrecht zu bekommen, überlassen sie den Männern die Inbesitznahme und Gestaltung von Räumen." Und so lange sie nicht auf die Idee kommen, die vorgegebenen Themen und Interaktionen auf Sitzungen und Konferenzen in Frage zu stellen, lassen sie sich tatsächlich leicht als Musterbeispiel nicht vorhandener Geschlechterhierarchie nutzen.

Ergänzend bilanziert Stiegler in ihrer Studie, daß die IG Metall - übertragbar auf andere Gewerkschaften - heute noch Konkurrenzfähigkeit, Hierarchiebewußtsein und rationales Herangehen höher bewertet als Teamgeist, soziale Kompetenz und Kreativität. Oder direkter formuliert: Gegen die männliche Sauf- und Verbrüderungskultur hat die weibliche Gesprächskultur wenig Chancen.