Gutenbergs Jünger wollen unter sich bleiben

Demokratie ist nicht gefragt: Die IG Medien neigt dazu, alles beim alten zu belassen

Während andere Gewerkschaften vor der Fusion stehen, formiert sich in der IG Medien Widerstand gegen den angestrebten Gewerkschaftsverbund mit der Postgewerkschaft und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Den drei Gewerkschaften gehören rund 1,2 Millionen Mitglieder an. Viele haupt- und ehrenamtliche Funktionäre befürchten mittelfristig eine Fusion und damit einen Identitätsverlust. Der bayerische IG-Medien-Landesverband hat für Oktober einen außerordentlichen Gewerkschaftstag beantragt, auf dem die Befürchtungen thematisiert werden sollen.

Der geplante Verbund soll dem Strukturwandel im Kommunikations-, Medien- und Finanzsektor Rechnung tragen und zugleich eine Konkurrenz zwischen den Organisationen vermeiden. Denn keine der drei ist bislang in der Lage, dort die gewerkschaftsfreien Löcher zu stopfen. Expertenschätzungen gehen von einem zusätzlichen Organisationspotential von rund 2,5 Millionen Menschen aus.

Im Entwurf des Verbundvertrages, der zur Zeit in den Gewerkschaftsgliederungen diskutiert werden soll, heißt es zwar, der Verbund sei "ein neuer Weg jenseits von Kooperationen und Fusionen". Wie der jedoch aussehen und vor allem, wohin er führen soll, ist alles andere als eindeutig formuliert. Das veranlaßt viele IG Medien-Mitglieder zu Spekulationen. Soll ihnen die Fusion mit HBV und DPG vielleicht nur schonend schmackhaft gemacht werden?

Den "Verbund zu Ende denken" bedeute eine "Überführung der IG Medien in eine neue Gewerkschaft", heißt es aus Bayern zur Begründung für den außerordentlichen Kongreß. Ein solcher Prozeß müsse mit mehr "Beteiligung und mehr Demokratie" ausgestaltet werden. Dem hält die Vorsitzende aus Baden-Württemberg, Sybille Stamm, entgegen, daß mit dem Verbundvertrag keineswegs irreparable Weichen in Richtung Fusion gestellt, sondern nur ein neuer produktiver Prozeß verbindlicher Zusammenarbeit begonnen würde: "Was am Ende steht, ist offen und gestaltbar."

Dieses offene Ende scheint für viele Funktionäre nur schwer ertragbar. Hoffnung macht da fast eher, daß sowohl nach innen wie auch nach außen der Nutzen von Gewerkschaften in Frage gestellt ist, nachdem die Strategie der Umverteilungspolitik vorläufig gescheitert ist. Der anhaltende Mitgliederschwund zwingt die Gewerkschaften, über neue Strukturen nachzudenken. Dabei sollte auch der Sinn von Gewerkschaftstagen zur Diskussion stehen, auf denen Delegierte ihr Mandat in Form der "geliehenen Demokratie" ausüben. Fraglich ist, ob sie tatsächlich auch für diejenigen sprechen und abstimmen, von denen sie gewählt wurden.

Egal, wie man in der IG Medien an der Eigenständigkeit festhalten wird, die Gewerkschaftslandschaft wird sich ab Herbst so oder so verändern: Ende September entscheidet die Gewerkschaft Textil-Bekleidung über den Anschluß an die IG Metall, im Oktober die mit 170 000 Mitglieder kleinste DGB-Gewerkschaft Holz und Kunststoff. Im selben Monat findet der Vereinigungsgewerkschaftstag der IG Chemie, Papier, Keramik mit der IG Bergbau und Energie und der Gewerkschaft Leder statt.