Das iranische Regime weitet die Urananreicherung aus

Beschleunigte Anreicherung

Kommentar Von Detlef zum Winkel

Das iranische Regime beginnt, sich vom Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen zu verabschieden.

Gibt es etwas Neues in der bisher so zögerlichen westlichen Iran-Politik? Die sogenannten E3, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, haben im Gouverneursrat der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) eine deutliche Resolution gegen die Nuklearpolitik des Teheraner Regimes eingebracht.

Dies geschah gegen die Intentionen der USA, die den Iran nicht provozieren wollten, jedenfalls nicht vor ihrer anstehenden Präsidentschaftswahl. Am 5. Juni nahm der Gouverneursrat der IAEO die Entschließung mit 20 Stimmen bei zwei Gegenstimmen und zwölf Enthaltungen an. Mit Nein stimmten die Vertreter Russlands und Chinas.

Die Abwehr des iranischen Angriffs auf Israel am 14. April war nicht so souverän, wie sie ­zunächst wirkte. 99 Prozent der Flugkörper seien zerstört worden, erklärte ein Sprecher der israelischen Armee. Das heißt leider auch: nicht alle. 

Sogleich reagierte der Iran mit der Ankündigung, in seiner unterirdischen Urananreicherungsanlage von Fordo 1.400 zusätzliche Zentrifugen zu installieren, allesamt vom leistungsstarken Typ ­IR-6. Dies werde in den kommenden drei bis vier Wochen geschehen. Damit würde sich die Anreicherungskapazität in Fordo verdreifachen. Ein paar Tage später bestätigte die Wiener Atomagentur IAEA, dass bereits 350 neue Maschinen aufgebaut wurden.

Die Zuspitzung hatte am 14. April mit Irans Raketenangriff auf das israelische Territorium begonnen. Fast alle feindlichen Drohnen, Marschflugkörper und ballistischen Raketen konnten von der israelischen Abwehr abgefangen werden, militärische Einheiten der USA, Frankreichs und Großbritanniens nahmen daran teil, auch Jordanien und Saudi-Arabien sollen Israel geholfen haben.

Doch die Abwehr des Angriffs war nicht so souverän, wie sie ­zunächst wirkte. 99 Prozent der Flugkörper seien zerstört worden, erklärte ein Sprecher der israelischen Armee. Das heißt leider auch: nicht alle. Der Iran hatte zeitlich versetzt etwa 170 Drohnen, 30 Marschflugkörper und 120 ballistische Raketen abgefeuert. Er will nun auswerten, wie ein Schwarm von Geschossen anzuordnen wäre, um eine Handvoll Sprengkörper ins Ziel zu bringen.

Zermürbungskrieg an mehreren Fronten

Und wie sähe die Situation aus, fragt man in Israel, wenn die dem Iran hörige Hizbollah mit einer vierstelligen Zahl von Geschossen aus dem Libanon angreifen würde, unterstützt von gleichzeitigen Attacken aus dem Gaza-Streifen und dem Jemen? Der frühere Verteidigungsminister Israels, Ehud Barak, vertritt die Einschätzung, Iran wolle in den kommenden Monaten »einen Zermürbungskrieg an mehreren Fronten« führen, bis Israel zusammenbreche. Dann wolle er zu einem vernichtenden Schlag ausholen.

Israelische Experten, die sich auf die Beobachtung des iranischen Atom­programms spezialisiert haben, ergänzen mit der Warnung, was es bedeuten würde, wenn das Mullah-Regime über ein eigenes ­nukleares Arsenal verfügte. Dieses stößt derzeit immer offenere Drohungen aus.

So sagten zwei ehemalige Außenminister des Iran, Kamal Kharazi (1997–2005) und Ali Akbar Salehi (2011–2013), dass das Regime zur Konstruktion einer Atombombe in der Lage sei. Salehis Aussage ist von besonderem Gewicht, denn er leitete von 2013 bis 2021 die ­iranische Organisation für Atomenergie. In einem Interview gab er ein bezeichnendes Beispiel: »Stellen Sie sich vor, was ein Auto braucht: Es braucht ein Fahrgestell, einen Motor, ein Lenkrad, ein Getriebe. Sie fragen, ob wir das Getriebe hergestellt haben, und ich sage ja. Haben wir den Motor hergestellt? Ja, aber alles dient seinem eigenen Zweck.«
Hochrangige Revolutionsgardisten fordern bereits eine Überprüfung der bisherigen Nukleardoktrin, die entsprechend einer angeblichen Fatwa des Obersten Führers Ali Khamenei Atomwaffen verbiete. »Im Falle eines Angriffs auf unsere Nuklearanlagen durch das zionistische Regime wird sich unsere Abschreckung ändern«, sagte Kharazi, der zu den Beratern Khameneis zählt.

Die böse Überraschung besteht darin, dass China die russische Position teilt. 

Der Iran beginnt, sich vom Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen (NVV), auch als Atomwaffensperrvertrag bekannt, zu verabschieden. Auf diesen Punkt weisen die Außenministerien der E3-Staaten ausdrücklich hin: Der Iran habe sich einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der IAEO »durchgängig verweigert, den Zugang der Organisation durch Entzug der Akkreditierung erfahrener Inspekteure weiter eingeschränkt und sich mehrfach provozierend über seine technischen Fähigkeiten in Bezug auf den Bau von Kernwaffen geäußert, die Irans Verpflichtungen aus dem NVV entgegenstehen«; damit erschüttere er »die Grundfesten des Nichtverbreitungssystems«. Im Kommuniqué des G7-Treffens vom 14. Juni heißt es diesbezüglich: »Wir appellieren dringend an Teheran, nukleare Eskalationen zu unterlassen beziehungsweise zu deeskalieren und die fortgesetzten Aktivitäten zur Anreicherung von Uran einzustellen, für die es keine glaubhafte zivile Recht­fertigung gibt.«

David Albright, US-Experte für die Nichtverbreitung von Atomwaffen, hat die Initiative der E3-Staaten unterstützt und die Zurückhaltung seiner Regierung kritisiert. Allerdings werde bisher nur über die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs diskutiert. »Es ist an der Zeit, dass die IAEA den gesamten Eisberg freilegt und die Geschichte und Natur aller Aspekte der iranischen Atomwaffenaktivitäten rekonstruiert.« Dann sollte sie auch die in ihrer Satzung festgelegten restriktiven Maßnahmen ergreifen, fordert Albright, also den Iran von der Ausübung der mit der Mitgliedschaft in der IAEO verbundenen Rechte suspendieren.

Es ist klar, dass sich Russland einer solchen Initiative widersetzen würde. Die böse Überraschung besteht allerdings darin, dass China die russische Position teilt. Immerhin hatte Präsident Xi Jinping im November 2022 Bundeskanzler Olaf Scholz versichert, China ­lehne die Drohung mit Atomwaffen ab. Xis Äußerung, von Scholz mehrfach hervorgehoben, ist damit entwertet.