Die russische Theaterregisseurin Jewgenija Berkowitsch steht wegen »Rechtfertigung von Terrorismus« vor Gericht

Erst gefeiert, dann eingesperrt

Porträt Von Katja Woronina

<p>Unter anderen Umständen stünden Jewgenija Berkowitsch viele Wege offen, ihre erfolgreiche Karriere als Theaterregisseurin fortzusetzen.</p>

Unter anderen Umständen stünden Jewgenija Berkowitsch viele Wege offen, ihre erfolgreiche Karriere als Theaterregisseurin fortzusetzen. Aber statt Stücke inszenieren zu können, steht sie gemeinsam mit der Dramatikerin Swetlana Petrijtschuk als Angeklagte vor einem Moskauer Gericht. Sie werden beide der »Rechtfertigung von Terrorismus« beschuldigt.

Berkowitsch führte 2020 Regie bei der Inszenierung von Petrijtschuks Stück mit dem Titel »Finist – heller Falke«, das 2022 mit der »Goldenen Maske« honoriert wurde, dem wichtigsten russischen Theaterpreis. Angelehnt an ein klassisches russisches Märchen dreht sich die Handlung um Frauen, die aufgrund von Heiratsversprechen Angehöriger der Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) nach Syrien gelangt sind. Trotz der expliziten Distanzierung zum IS unterstellt ein pseudowissenschaftliches Gutachten von Roman Silantjew, dem Leiter eines »Labors für Destruktologie« an einer Moskauer Universität, den Angeklagten IS-Propaganda. Beide befinden sich seit dem Frühjahr 2023 in Haft.

Allein schon aus ihrer eigenen Familienbiographie kennt die 1985 in Leningrad geborene Berkowitsch staatliche Unterdrückung. Ihr Urgroßvater wurde 1938 während des stalinistischen Terrors hingerichtet. Beide Großmütter brachten eine Affinität zur Literatur mit, so wie ihr in Israel lebender Vater. Ihre Mutter und eine der Großmütter, die sich um Menschenrechte kümmerten, dienten ihr als Vorbild. So adoptierte Berkowitsch zwei Kinder aus dem Waisenhaus.

Als Regisseurin ließ sie sich bei Kirill Serebrennikow ausbilden, der Russland 2022 verlassen hatte, nachdem er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Doch das war vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Berkowitsch hätte, wie so viele andere, sicherlich ebenfalls woanders Fuß fassen können. Aber sie entschied sich, in Russland zu bleiben, wo ihr nun bis zu sieben Jahre Gefängnis drohen.