Die neueste Auflage der alten Klage der Unternehmer über die Faulheit der Arbeiter

An die Arbeit, faule Säcke

Kommentar Von Peter Kern

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der ­Deutschen Arbeitgeberverbände Steffen Kampeter, hat mit seiner Forderung nach »Bock auf Arbeit« eine Debatte ausgelöst. Aus ihr spricht die Sorge der Arbeitgeber, ihre Arbeiter und Angestellten könnten mehr fordern.

Der Arbeiter an sich ist faul. Das ist die Anthropologie des Kapitals, schon bevor Karl Marx das gleichnamige Buch geschrieben hat. Dort zitiert er einen seiner Vorläufer, den britischen Ökonomen Jacob Vanderlint, der schon im 18. Jahrhundert erklärt habe, »das Geheimnis der Kapitalistenklage über die Faulenzerei des Arbeitervolkes sei einfach, dass sie für denselben Lohn sechs statt vier Arbeitstage beanspruchen.«

Steffen Kampeter von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) variiert die alte Klage, indem er sie im Soziologenjargon aufhübscht: Der Postmaterialismus habe die deutsche Gesellschaft befallen, man sehe es an den guten Wahlergebnissen der Grünen. Stattdessen brauche es »Bock auf Arbeit«, sagte er im Februar in einem langen Interview mit der Online-Zeitung Table Media. Bei einem Talkshow-Auftritt bei »Hart aber fair« legte er nach: »Was für eine armselige Gesellschaft, wo work nicht zum life gehört.« So könne es nicht weitergehen: »Dieses Land gründet auf Arbeit, auf harter Arbeit.«

Rabiate Mittelständler
Wenn sich die BDA äußert, hört man in der Regel den O-Ton rabiater mittelständischer Unternehmer. Dort hat sich einiges an Frust aufgestaut: Angestellte, die zu früh in Rente gehen, das marode Bildungssystem, der Akademisierungswahn. Es fehle an der Wertschätzung der ehrlichen Arbeit, klagte Kampeter in dem erwähnten Interview. Die dafür benötigten Arbeitskräfte müsse man jetzt per Zuwanderung importieren. Groß seine Sorge, es kämen die Falschen. Ein bisschen verschwurbelt klingt das: »Wir brauchen einen Einladungscharakter im Kontext der Erwerbsmigration.«

Wer durch die Hallen eines beliebigen Autoherstellers geht, sieht, was die dort Beschäftigten ›Olympiamannschaften‹ nennen. Zu denen haben über 63jährige keinen Zutritt.

Natürlich ist für den ehemaligen CDU-Politiker an allem die derzeitige Regierung schuld. Seine Leute sind ja nicht drin. Der Bundesarbeitsminister versage, denn er müsse »Lust« darauf machen, »mehr zu arbeiten«. Kampeters Sorge über die Generation der so­genannten Babyboomer ist besonders groß, da diese sich in großer Zahl gerade in die Rente verabschiedet. Doch er hat eine gute Idee, um den nachfolgenden Generationen die Flucht in die Hängematte zu vermiesen. »Je besser die Ausbildung und je mehr sie verdient haben, desto früher gehen sie. Das reißt ein gewaltiges Loch in die Stabilität unserer Wirtschaft. Und es trägt dazu bei, dass Deutschland immer weniger die wirtschaftliche Lokomotive ist, die es mal war. Wir sind beim Wachstum unter den Schlusslichtern in der ­Eurozone.«

Den Angestellten und der Lokomotive Dampf machen
Folgt man dieser Logik, sind die Leute im Verlauf ihres Berufslebens schlechter zu bezahlen, damit sie länger arbeiten müssen, um im Ruhestand über die Runden zu kommen. So macht man den Angestellten Dampf und auch der Lokomotive.

Kampeters Auslassung zur Rente lässt auf Lücken seiner Allgemeinbildung schließen, die er in seinem Statement zum Bildungsnotstand beklagt. Die 2014 eingeführte abschlagsfreie Rente mit 63 gibt es nur noch für Beschäftigte, die auf 45 Berufsjahre kommen und vor 1953 geboren sind. Die sind nun, laut Adam Riese, schon über die 70. Die Jahrgänge 1964 und folgende müssen bis 67 arbeiten. Okay, man kann früher gehen, wenn man sich den dann fälligen Abzug erlauben kann. Der frühere Rentenbeginn kostet einen Abschlag von 0,3 Prozent pro Monat. Wer mit 63 gehen will, muss fast 15 Prozent weniger Rente in Kauf nehmen. Da kommt jemand aus dem Niedriglohnsektor schwer ins Grübeln.

Kampeter sollte die Arbeitsdirektoren aus der Großindustrie mal fragen, warum in deren Fabrikhallen die Grauhaarigen eine ganz seltene Spezies sind. Wer durch die Hallen eines beliebigen Autoherstellers geht, sieht, was die dort Beschäftigten ›Olympiamannschaften‹ nennen. Zu denen haben über 63jährige keinen Zutritt. Die Älteren sind kaputtgeschafft. Sie müssen es als ein Privileg begreifen, dass sie zur staatlichen noch eine betriebliche Rente angespart haben; denn diese erlaubt es ihnen, den Akkuschrauber an den Nagel zu hängen. Die Masse der Beschäftigten außerhalb der Großindustrie kann wegen fehlender Betriebsrente davon nur träumen.

Staatliche Unterstützung
Wer sein Berufsleben noch vor sich hat, der habe sich, so Kampeter, auf besorgniserregende Weise an staatliche Unterstützung gewöhnt. Denn die untergrabe die Verantwortung des Einzelnen für sich selbst. »Ich befürchte, die ganze Gesellschaft hat durch staatliche Fürsorge, durch Rettungsprogramme, Doppel-Wumms und alle möglichen Formen der staatlichen Abfederung vergessen oder verlernt, dass das Geld auch erwirtschaftet werden muss … Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit.«

Der Interviewer nimmt erhöhten Blutdruck wahr: »Sie klingen schon richtig genervt.« Kampeter: »Nein, im Gegenteil. Wir Arbeitgeber wissen einfach, dass sich die Lage gedreht hat. Die Situation, dass sich die Arbeitgeber die Beschäftigten aussuchen, die war gestern. Heute suchen sich die Beschäftigten ihren Arbeitgeber aus.« Das ist natürlich schwer zu ertragen, wenn sich der Arbeitsmarkt einmal zu Gunsten der Lohnabhängigen auswirkt.