Wenn Fremdwörter aus zweifelhaften Gründen gebraucht werden

Das Sagrotan der höheren Bildung

Das letzte Wort Von Oliver Schott

Das letzte Wort. Wie lässt sich Kohlenstoffdioxid reduzieren?

Kleider machen Leute, heißt es. Das Kleid der schreibenden Berufe jedoch ist ihre Sprache, und so könnte man sagen: Fremdwörter machen ­Intellektuelle. Um auf professionelle Weise mitzuteilen, dass es etwas gibt, schreibt man, es existiere; Vorurteile nennt man lieber Stereotype; und soll etwas weniger werden, so schreibt man: »reduzieren«.

Dass beispielsweise der CO2-Ausstoß reduziert werden soll, ist sprachlich und inhaltlich durchaus korrekt; genauso gut könnte man freilich von »verringern« oder »senken« sprechen. In vielen Texten werden diese vulgären Verben jedoch selbst dann verschmäht, wenn es gälte, die x-te Wiederholung von »reduzieren« zu vermeiden (im Idiom: »reduzieren« zu reduzieren). Das Fremdwort wird hier nicht als der am besten passende Ausdruck gewählt, sondern weil es gebildet, gehoben, wissenschaftlich »klingt«. Es dient vor allem dem Effekt.

Wo liegt das Problem? Das Wort »reduzieren« wird doch korrekt verwendet und ist allgemein verständlich. – Wirklich? Anlass zu Zweifeln gibt die Häufigkeit, mit der die Formulierung auftaucht, »CO2« solle reduziert werden. Auf CO2 bezogen, muss das Verb »reduzieren« eigentlich in seiner chemischen Bedeutung verstanden werden. In dieser bezeichnet es das Gegenstück zu »oxidieren« in einer Redoxreaktion. CO2-Reduktion ist für das Thema ­Klimaerwärmung durchaus von Belang, sie vollzieht sich beispielsweise in der Photosynthese, bei der CO2 zu Zucker reduziert wird, während der Reaktionspartner Wasser zu ­Sauerstoff oxidiert wird.

Aber, so mag man einwenden, ein Missverständnis droht an den fraglichen Stellen nicht, da der chemische Sinn des Wortes hier gar nicht in Betracht kommt. Vielmehr handelt es sich um eine saloppe Ellipse. Zu antworten, dass »CO2« sprachlich sinnvoll allenfalls für den CO2-Gehalt der Atmosphäre, nicht aber den CO2-Ausstoß stehen kann, würde wohl als pedantisch abgetan. Warum aber würden die wenigsten elliptisch ­schreiben, CO2 solle »gesenkt« oder »verringert« werden? Es liegt eben doch an der suggestiven Wirkung des Fremdworts, das den klugen Gedanken so sicher verbürgt wie das Genderzeichen die feministische Reflektiertheit.

Man kann es auch so sehen: Es mit der sprachlichen Genauigkeit locker genug zu nehmen, um »CO2« statt »CO2-Ausstoß« zu schreiben, zugleich aber mit dem Fremdwort »reduzieren« Intellektualität zu markieren, ist so ähnlich, wie das Bad nicht zu putzen, dafür aber Desinfektionsmittel ans Waschbecken zu stellen.