Sportlerinnen und Sportler in Nordamerika reagieren auf den Ukraine-Krieg

Profis flüchten vor Putin

Auch im US-amerikanischen und kanadischen Sport wird auf den Krieg in der Ukraine reagiert.

Im europäischen Sport sind die Sanktionen gegen Russland deutlich spürbar. Die russische Fußballnationalmannschaft darf nicht mehr an der WM-Qualifikation teilnehmen und Spartak Moskau wurde aus der Uefa Europa League geworfen. Im Handball wurden die Russinnen aus der EM-Qualifikation, im Basketball die russischen Teams aus der Euroleague ausgeschlossen. Mit Jokerit Helsinki und Dinamo Riga zogen sich zudem die einzigen beiden westlichen Teams aus der russischen Eishockeyliga Kontinental Hockey League (KHL) zurück. Der Krieg in der Ukraine hat aber auch Auswirkungen auf den nordamerikanischen Sport.

Am stärksten betroffen ist die National Hockey League (NHL), in der Russen nach Schweden und Finnen mit 37 Spielern das drittgrößte Kontingent an Spielern stellen, die nicht aus den USA oder Kanada stammen. Der bekannteste von ihnen ist ohne Zweifel Alexander Owetschkin von den Washington Capitals. Der Kapitän des Teams und neunmalige Toptorjäger der Liga gilt als ausgesprochener Anhänger Wladimir ­Putins und hat sich immer wieder öffentlich zu ihm bekannt. Nun ­forderte er in einem Statement auf einer Pressekonferenz kurz nach dem russischen Einmarsch: »Please, no more war!«

Der Ukrainer Volodymyr Markovetskyy (University of San Francisco Dons) sprach in einem Interview darüber, wie es für ihn sei, von seiner Familie getrennt zu sein. Dabei unterstützten ihn seine Mitspieler Dzmitry Ryuny und Yauhen Massalski, die aus Belarus stammen.

Sicher, verglichen mit dem, wie andere Sportler sich über den Konflikt geäußert haben, klingt das äußerst zahm. Aber für jemanden, der 2014 die militärische Besetzung der Krim ausdrücklich begrüßt hatte und noch 2017 eine Internetseite namens Putin-Team zur Unterstützung des russischen Präsidenten initiierte, sind das überraschend kritische Worte.

Nur ein weiterer russischer NHL-Profi hat sich bisher zu Wort gemeldet. Nikita Zadorov von den Calgary Flames postete wenige Tage nach Ausbruch der Kriegshandlungen ein Bild auf Instagram, auf dem die Worte »No War« zu lesen waren, gefolgt von der Aufforderung »Stop it!« Zadorov ist wie Owetschkin russischer Nationalspieler, es ist jedoch fraglich, ob er das nach dieser Aussage auch bleiben wird.

Die NHL selbst hat in einer Pressemitteilung vom 28. Februar den Krieg verurteilt und angekündigt, alle Geschäftskontakte nach Russland zu kappen. Die Liga äußerte sich jedoch auch besorgt über das Wohlergehen ihrer russischen Spieler und betonte ausdrücklich, dass diese für ihre Teams und nicht für Russland spielten. Sie und ihre Familien seien in ­einer »extrem schwierigen Situation«, hieß es weiter.
In der Tat ist die Lage russischer NHL-Cracks schwierig. Zum einen wird von ihnen erwartet, sich zum Krieg, den ihr Herkunftsland führt, zu äußern. Zum anderen haben sie alle Verwandte in Russland und dürften sich nicht zu Unrecht Sorgen machen, was passiert, wenn sie sich zu kritisch äußern. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass auf den Social-Media-Kanälen der Spieler derzeit weitgehende Funkstille herrscht. Denn egal, was sie sagen, auf der ­einen oder der anderen Seite des Atlantiks wird es nicht gut ankommen.

Ukrainische Profis gibt es in der NHL keine, aber dafür zwei in der Basketballliga NBA, die ebenfalls alle Geschäftsbeziehungen nach Russland eingestellt hat. Bei den Sacramento Kings spielt Alex Len und bei den Toronto Raptors Swjatoslaw ­Mychajljuk. Nur einen Tag nach dem Einmarsch russischer Truppen veröffentlichten beide ein gemeinsames Statement, in dem sie den Krieg verurteilten, die Menschen in der Ukraine zu Geschlossenheit aufriefen und klarstellten, dass sie hinter ihnen stünden. In Sacramento gab es zudem eine Schweigeminute vor der Partie gegen die Denver Nuggets.

Dass sich beide Spieler gemeinsam äußern, hat durchaus Symbolcharakter. Mychajljuk stammt aus Tscherkassy, rund 200 Kilometer südöstlich von Kiew, Len aus Antrazyt auf dem Gebiet der sogenannten Volksrepublik Luhansk. Sie repräsentieren also die beiden Teile des Landes, von denen es nicht erst seit Samuel P. Huntingtons »Kampf der Kulturen« heißt, sie seien durch einen unüberwindbaren kulturellen Graben getrennt.

In den anderen großen Profiligen Nordamerikas spielen derzeit weder Russen noch Ukrainer. Im American Football ist die Saison zudem gerade erst vorbei und im Baseball hat sie nach Tarifstreitigkeiten zwischen Spielern und Teambesitzern noch nicht wieder begonnen. Nur im Fußball, in der Major League Soccer (MLS), wird gespielt. Dort gab es an den ersten beiden Spieltagen der neuen Saison ­etliche Solidaritätsbekundungen in Form von ukrainischen Fahnen auf den Rängen, Schweigeminuten auf dem Feld und Stellungnahmen in den sozialen Medien. Einen Schritt weiter ging Gabriel Slonina, der Torhüter von Chicago Fire. Er präsentierte beim Spiel gegen Inter Miami ein Shirt mit der Aufschrift »No War in Ukraine«. Seine Solidarität kommt nicht von ungefähr: Slonina ist zwar US-Amerikaner, seine Familie stammt jedoch aus Polen, dem Nachbarland der Ukraine.

Auch im College-Basketball war der Krieg in einigen Hallen Thema. Insgesamt sieben Ukrainer spielen in der höchsten Klasse der NCAA (National Collegiate Athletic Association). Einer von ihnen ist Pavlo Dziuba an der University of Maryland, der kürzlich bei einem Heimspiel mit der ukrainischen Fahne auflief und dafür vom Publikum bejubelt wurde. Der Twitter-Account des Teams teilte zudem ein Foto des in Kiew geborenen Spielers zusammen mit dem Hashtag »StandWithUkraine«.

Am anderen Ende des Landes äußerte sich Volodymyr Markovetskyy, der für die University of San Francisco Dons spielt und aus Truskawez im Westen der Ukraine stammt, in einem Videointerview dazu, wie schwer es jetzt für ihn sei, von seiner Familie getrennt zu sein. Er saß dabei vor einer ukrainischen Flagge. Links und rechts von ihm saßen, um ihn zu unterstützen, seine Mitspieler ­Dzmi­try Ryuny und Yauhen Massalski. Das Pikante daran: Beide stammen aus Belarus.

Ebenfalls zu Wort meldeten sich etliche bei ukrainischen Teams spielende US-amerikanische Basketballprofis, die dort vom Krieg überrascht wurden. Viele von ihnen sind inzwischen wieder sicher in den USA angekommen. Lucious Jones von BC Ter­nopil postete auf Instagram bewegende Bilder von seiner Flucht zur rumänischen Grenze, auf die er sich gemeinsam mit zwei weiteren US-Amerikanern und einem litauischen Mitspieler begeben hatte, nachdem sie vom Verein gewarnt worden waren, es werde Zeit zu gehen, weil die Russen bald mit Bombardements beginnen werden.

Mehr Glück hatte Jerome Randle, der auf der College-Ebene sehr erfolgreich für UC Berkeley gespielt hatte, danach aber im NBA-Draft nicht ausgewählt wurde. Gegenwärtig spielt er für BK Budiwelnyk Kiew. Seit 2015 hat er zudem einen ukrainischen Pass und spielt für die ukrainische Nationalmannschaft. Als der Krieg ausbrach, war er wegen eines WM-Qualifikationsspiels in Spanien. Das Spiel in Córdoba fand tatsächlich wie geplant statt und Randle erzielte 21 Punkte. Wirklich auf das Spiel konzentrieren können habe sich jedoch niemand, hieß es aus Teamkreisen. Nach dem Spiel reiste Randle nach Kalifornien, aber seine Gedanken seien bei den Menschen in der Ukraine, sagte er am Rand des Spiels seiner Alma Mater gegen den Erzrivalen Stanford. Sein Vertrag in Kiew wurde aufgelöst. Wahrscheinlich wird er nun nach Spanien oder in den Iran wechseln.

Auch in der KHL gibt es nordamerikanische Profis. Vor den Play-offs, die am 1. März begonnen haben, hatten jedoch etliche von ihnen, darunter Kenny Agostino von Torpedo Nischni Nowgorod, Geoff Platt von Salawat Julajew Ufa und Shane Prince von Awtomobilist Jekaterinburg, ihre Verträge aufgelöst und das Land verlassen. Erwähnenswert dabei ist, dass Platt und Prince nach ihrer Einbürgerung bereits für die belarus­sische Nationalmannschaft gespielt haben.

Ebenfalls betroffen sind Basketballerinnen aus der WNBA. Da in der nordamerikanischen Frauenprofiliga nur das Sommerhalbjahr über gespielt wird, schließen sich viele Spielerinnen für den Rest des Jahres Teams in Europa an. So spielen für den amtierenden russischen Meister und Euroleague-Sieger UGMK Jekaterinburg gleich sechs WNBA-Profis. Emma Meeseman ist inzwischen sicher in ihrem Herkunftsland Belgien angekommen. Auch drei ihrer vier US-amerikanischen Mitspielerinnen sowie Jonquel Jones, die einen bosnischen und einen bahamaischen Pass hat, sollen sich inzwischen außerhalb Russlands aufhalten. Wie erst am Wochenende bekannt wurde, befindet sich Brittney Griner dagegen in Haft. Als die in der US-Saisonpause beim UGMK Jekaterinburg aktive Spielerin im Februar von New York kommend einreiste, sei in ihrem Gepäck eine Substanz gefunden worden, die als Cannabis-Öl identifiziert worden sei, erklärte die russische Zollbehörde. Nähere Einzelheiten wie der genaue Termin ihrer Verhaftung wurden nicht mitgeteilt. Sollte ­Griner tatsächlich wegen Drogenschmuggels angeklagt werden, droht ihr eine langjährige Haftstrafe.