»Deep Pore« von ­Liiek

Frisch in die Postpandemie

Platte Buch Von Vojin Saša Vukadinović

<p>Es gibt bekanntlich Zeiten, in denen äußere Umstände drohen, Tristesse und Monotonie zum Dauerzustand zu erheben. Was also tun, wenn sich die Ödnis partout nicht verziehen will?</p>

Es gibt bekanntlich Zeiten, in denen äußere Umstände drohen, Tristesse und Monotonie zum Dauerzustand zu erheben. Was also tun, wenn sich die Ödnis partout nicht verziehen will? Selbst zum Ereignis werden! Diesem Trick hat sich die Berliner Band Liiek zwar nicht explizit verschrieben, sie ist aber genau das: eine jener Unterbrechungen des Gewohnten, die aus dem Nichts aufzutauchen scheinen und für die man nur dankbar sein kann.

Das Trio, bestehend aus Denes Bieberich (Gitarre/Gesang), Anne-Sophie Lehmann (Schlagzeug) und Oskar Militzer (Bass), hat bereits eine LP und eine Single veröffentlicht. Zurzeit sind die Bandmitglieder mit denjenigen der Gruppe Pigeon identisch; aufzuzählen, wo sie sonst noch mitspielen, dafür reicht der Platz hier nicht aus. Nun haben Liiek ihr neues Album »Deep Pore« veröffentlicht, das sich Stück für Stück als überaus wirksames Mittel gegen Statik, Apathie und Langeweile erweist. Beschwingt und wendungsreich scheppern seine Melodien und Rhythmen auf das Unerwartete zu.

»Reckless« heißt einer der knalligsten Songs, der in weniger als zwei Minuten die informelle Losung ausgibt, die das Album durchzieht. So unbekümmert zu sein, ohne dabei ins Affirmative oder Destruktive abzugleiten, das vermögen nur wenige. Dass die beiden letzten Titel »Mentally Desperate« und »Regressed over Time« lauten, darf gleichwohl als unaufgeregter Kommentar zu ­besagter Ödnis verstanden werden.

Die am Post-Punk geschulte Zuversicht dieser LP besteht darin, auf das Versprechen postpandemischer Zeiten vorzugreifen. Und deshalb sind Liiek etwas weitaus Aufregenderes als die Band der Stunde, nämlich eine Lektion darin, was eine Stunde sein kann; und dafür brauchen sie gerade mal eine halbe. Elf Stücke in 29 Minuten, die in der zweiten Hälfte nochmals an Tempo zulegen, ruckartig, präzise in der Ruhelosigkeit, kühl in der Aufregung, dabei durchweg so frisch und elastisch wie Kaugummi. »Deep Pore« ist das Album für die Tanzfläche von morgen, auf der heute schon der Punk abgeht.

Liiek: Deep Pore (Adagio 830)