Die sezessionistischen Bestrebungen in Bosnien und Herzegowina

Brandstifter als Feuerwehr

Kommentar Von Krsto Lazarević

Serbische Nationalisten drohen in Bosnien und Herzegowina mit einer Abspaltung der Republika Srpska.

Am Freitag vergangener Woche stimmte die Mehrheit der Abgeordneten des Regionalparlaments der Republika Srpska in Banja Luka für einen Rückzug ihrer Entität aus der Armee, dem Justiz- und Steuersystem des Gesamtstaats Bosnien und Herzegowina. Verantwortlich dafür ist vor allem die Partei Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD), die de facto ultranationalistisch ist. Viele Oppositionelle blieben der Abstimmung aus Protest fern. Die Republika Srpska macht 49 Prozent der Fläche von Bosnien und Herzegowina aus und stellt rund ein Drittel der Bevölkerung. Ohne die Entität gäbe es kein Bosnien und Herzegowina mehr.

Als Hauptverantwortlicher für den Rückzug aus dem Gesamtstaat gilt das serbische Mitglied des dreiköpfigen Präsidiums von Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, der auch Vorsitzender der SNSD ist. Er hat mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen, 2020 verlor seine Partei die Bürgermeisterwahlen in Banja Luka gegen den damals 27jährigen Oppositionspolitiker Draško Stanivuković und selbst vielen nationalistisch gesinnten bosnischen Serbinnen und Serben gilt sein Führungsstil als zu autoritär. Daher sehen manche Beobachter seine jüngsten Schritte auch als gefährliches Wahlkampfmanöver, mit dem er versucht, seine Macht zu festigen.

Ein wichtiger Verbündeter Dodiks ist der bosnisch-kroatische Politiker Dragan Čović. Dieser fasst es als Majestätsbeleidigung auf, dass er bei den Wahlen 2018 als Kandidat für den kroatischen Sitz im Staatspräsidium dem Mitte-links-Politiker Željko Komšić unterlag, und möchte eine Wahlrechtsreform und eine eigene kroatische Entität innerhalb von Bosnien und Herzegowina erzwingen, das aus der Republika Srpska, der Föderation Bosnien und Herzegowina sowie dem Distrikt Brčko besteht.

Der kroatische Präsident Zoran Milanović sagte kürzlich in einem Interview, das Problem in Bosnien und Herzegowina sei nicht Dodik, und insinuierte damit, dass dies vielmehr die Bosniaken seien, die bosnischen Muslime. Diese Konflikte erinnern viele Menschen in Bosnien und Herzegowina an die Jugoslawien-Kriege in den neunziger Jahren und an den März 1991, als der damalige serbische Präsident Slobodan Milošević und der kroatische Präsident Franjo Tuđman sich noch vor Kriegsbeginn über die Aufteilung von Bosnien und Herzegowina zwischen Kroatien und Serbien (beziehungsweise Restjugoslawien) verständigten.

Weitere Unterstützung für seine Politik erhält Dodik aus Russland und von den rechtspopulistisch geführten Regierungen in Serbien, Ungarn und Slowenien. Hier zeigt sich auch, dass es nicht nur um einen ethnischen Konflikt geht, sondern vor allem um einen Kampf zwischen rechten Kräften, die das Zusammenleben in einem pluralistischen Staat wie Bosnien und Herzegowina ablehnen, auf der einen Seite und Progressiven, die das nicht tun, auf der anderen.

Eine Abspaltung der Republika Srpska würde das Leben der meisten Menschen nicht besser machen, aber die Macht der Ultranatio­nalisten stärken. Sie ist moralisch nicht vertretbar, weil die Tatsache, dass die bosnisch-serbische Bevölkerung in der Republika Srpska heutzutage deutlich in der Mehrheit ist, das Ergebnis von Kriegsverbrechen ist, darunter der Völkermord in Srebrenica.

Um Dodik aufzuhalten, bräuchte es Sanktionen gegen ihn, seine Familie und seine Machtclique in der SNSD, Sanktionen, die sich gegen Einzelpersonen richten, nicht gegen die Bevölkerung der Republika Srspka. Denn es handelt sich bei den SNSD-Kadern nicht durchgängig um ultranationalistische Überzeugungstäter; viele sind eher Zyniker der Macht, die das tun, wovon sie und ihr engerer Kreis am meisten profitieren. Leider führen ihre Drohungen oft dazu, dass die EU und die sogenannte internationale Gemeinschaft Appeasement betreiben. Um die SNSD-Kader von einer weiteren Destabilisierung Bosnien und Herzegowinas abzuhalten, sollte man ihnen nicht entgegenkommen; das hieße, die Brandstifter zur Feuerwehr zu ernennen. Man sollte den Preis für diese Politik so in die Höhe treiben, dass sie sich nicht mehr lohnt.