Die Sportpolitik in den Parteiprogrammen zur Bundestagswahlkampf

Die schönste Nebensache der Politik

Die Abschnitte über Sport in den Bundestagswahlprogrammen sind überschaubar. Große Unterschiede zwischen den Zielen der verschiedenen Parteien gibt es trotzdem.

Die Pandemie, der Klimawandel, der Umbau der Industriegesellschaft, die Digitalisierung und die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme: Es gibt viele Themen, die bei der Bundestagswahl im September eine größere Rolle als der Sport spielen – zumal der, wie beispielsweise Bildung und Polizei, in erster Linie in den Aufgabenbereich der Länder fällt. Doch ganz ohne Sport im Programm mag dann doch keine Partei antreten.

Der Profisport umfasst Bereiche wie Sport und Beziehungen zu anderen Staaten, Olympische Spiele, Paralympics, Welt- und Europameisterschaften, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen. Außerdem sind Millionen Menschen Mitglieder in einem Sportverein, gehen joggen oder zu Yogakursen – sie pflegen, mit anderen Worten, einen wenigstens leidlich sportlichen Lebensstil. Und denen wollen die Parteien offenkundig auch etwas bieten.

Im Gegensatz zum Sport in den Wahlprogrammen verspricht eine Sportpersonalie Spannung: Im thüringischen Wahlkreis 196 tritt für die SPD der ehemalige Biathlon-Star Frank Ullrich gegen CDU-Rechtsausleger Hans-Georg Maaßen an.

Bis auf die AfD. Die Rechtspopulisten konzentrieren sich bei ihren sportpolitischen Forderungen auf zwei Punkte: Muslimische Kinder sollen sich in der Schule am Sportunterricht beteiligen müssen, außerdem ist die AfD gegen die Verschärfung des Waffenrechts. Konkret lehnt die Partei die 2015 beschlossene EU-Feuerwaffenrichtlinie ab, weil vor »allem Sportschützen, Jäger und Waffensammler« davon betroffen seien. Außer der AfD nehmen sich nur die Grünen der Sportschützen an (sie wollen sie im Dialog ­davon überzeugen, künftig nicht­tödliche Schusswaffen zu verwenden). Im Vergleich zu dem, was SPD, CDU, »Die Linke«, FDP und Grüne aufzubieten haben, reicht das Programm der AfD gerade einmal für die Kreisliga C.

Sport ist kein Thema, bei dem sich die Ziele der Parteien grundsätzlich voneinander unterscheiden. Die großen ideologischen Auseinandersetzungen, so es sie denn überhaupt noch gibt, finden anderswo statt. Wenig überraschend und im Einklang mit den geltenden Gesetzen ­sowie diversen Konventionen, die die Bundesrepublik unterzeichnet hat, lehnen alle Parteien Doping ab. Am intensivsten behandeln FDP und GrüZne das Thema in ihren Programmen. Die Liberalen wollen »das ­Anti-Doping-Gesetz um eine Regelung zum Schutz von Kronzeuginnen und Kronzeugen sowie Whistleblowerinnen und Whistleblowern ergänzen«. Die Grünen wollen die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada stärken und die Dopingvergangenheit des deutschen Sports lückenlos aufklären.

Was den Leistungssport angeht, geht es bei diesem für die Grünen nicht vorrangig um das Sammeln von Medaillen; Leistungssportler gelten ihnen vor allem als Vorbilder für Breitensportler. Auch die Linkspartei sieht »Breitensport und Spitzensport als wechselseitiges Verhältnis«. Sie will neben dem Breitensport auch »mögliche Sportkarrieren unterstützen«. Die Union möchte den »Athletinnen und Athleten eine sichere und wertegebundene Basis für ihre Spitzenleistungen bieten«. Und die SPD bleibt sich treu und will den Leistungssport wie so vieles andere »fördern«.

Konkreter wird es bei einem Problem, das gerade im Sommer immer wieder zu Todesfällen führt: Immer weniger Kinder lernen schwimmen (Unsichere Menschen in unsicheren Gewässern), die Zahl der tödlichen Badeunfälle hat zugenommen. Umfassende Statistiken für 2021 gibt es natürlich noch nicht, aber einem Bericht der Berliner Morgenpost zufolge kamen in der zweiten Juniwoche 18 Menschen bei Badeunfällen ums Leben – und das nicht nur, weil sie sich zur Abkühlung in Flüsse wie den Rhein begeben hatten, die durch tückische Strömungen auch für gute Schwimmer lebensgefährlich sein können. In den Wahlprogrammen von Union, Linkspartei und Grünen wird das Problem aufgegriffen. CDU und CSU wollen »den Sanierungsstau der kommunalen und vereinseigenen Sportstätten und Schwimmbäder« abbauen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf energetische Sanierung, Barrierefreiheit und Digitalisierung gelegt werden. Die Linkspartei möchte, dass Kindern im Rahmen des Schulbesuchs Schwimmunterricht angeboten wird. Die Schwimmbäder sollen saniert und die Eintrittspreise gesenkt werden. Auch die Grünen wollen Schwimmbäder sanieren und sicherstellen, dass jedes Kind schwimmen lernt.

Auch der E-Sport hat es in die meisten Wahlprogramme geschafft, sowohl Union als auch FDP, SPD und Grüne haben das Thema für sich entdeckt. Die Union ist dabei noch recht zurückhaltend und verspricht nur, den E-Sport weiter zu unterstützen. Die Anerkennung seiner Gemeinnützigkeit kann damit wohl nicht gemeint sein, denn CDU/CSU und SPD beschlossen sie in der auslaufenden Legislaturperiode nicht, obwohl es im Koalitionsvertrag stand. Die konventionellen Sportverbände hatten sich bei einer Anhörung zu dem Thema fast alle dagegen ausgesprochen.

Die FDP will das ändern: E-Sport soll nicht nur als Sport, sondern auch als gemeinnützig anerkannt werden. Die Grünen unterstützen die Gemeinnützigkeit des E-Sports ebenfalls und wollen ihn auch »im Hinblick auf Diversität, Nachhaltigkeit, Jugendschutz sowie Medienkompetenz fördern und zusammen mit Gamer*innen, Verbänden und Wissenschaft gestalten; gemeinsam mit allen Akteur*innen stellen wir uns gegen Diskriminierung und Hatespeech.« Nur den Klimawandel haben die Grünen bislang nicht als Endgegner ausgemacht. Hier gibt es offenbar noch Nachholbedarf. Die Sozialdemokraten heben andere Aspekte hervor. Für sie sind Games »Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor«.

Ob Hallen, Schwimmbäder oder Vereine – Sport braucht Geld. Das haben die Parteien erkannt und alle außer der FDP wollen entsprechend den Städten und Gemeinden helfen, ihre Sportstätten zu sanieren oder auszubauen. Auf feste Summen legen sie sich allerdings nicht fest. Nur die Linkspartei nennt eine Zahl: Sie beziffert den Sanierungsbedarf von Sporthallen, Sportplätzen und Schwimmbädern auf rund 31 Milliarden Euro.

Jenseits aller Programme wird am Wahlabend das Thema Sport in per­sonalisierter Form viel Aufmerksamkeit erhalten: Um das Direktmandat im thüringischen Wahlkreis Suhl–Schmalkalden-Meiningen–Hildburghausen–Sonneberg bewirbt sich für die SPD Frank Ullrich, der dort gegen den CDU-Rechtsausleger Hans-Georg Maaßen antritt. Ullrich ist vor allem im Osten ein Star: Er nahm 1976, 1980 und 1984 als Biathlet an den Olympischen Winterspielen teil und gewann 1980 in Lake Placid Gold über zehn Kilometer. Dazu kommen noch etliche weitere Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Bei der Eröffnungs­feier der Winterspiele in Sarajevo 1984 war Ullrich Fahnenträger der DDR-Olympiadelegation. Der Sozialdemokrat könnte Maaßens Einzug in den Bundestag verhindern, denn der ist nicht über die Landesliste abgesichert. Nach einer Forsa-Umfrage liegt Ullrich in seinem Wahlkreis mit 22 Prozent knapp von Maaßen, der auf 20 Prozent kommt.