Sind Elon Musks Pläne für eine Rave-Höhle das Ende der Techno-Subkultur?

Techno-Höhle oder Techno-Hölle

Hätte das Virus die gegenwärtige Clubkultur nicht auf Eis gelegt, wäre sie mit Geld beerdigt worden.

Es gibt Tweets, die altern schlecht. Und es gibt Tweets, die altern katastrophal schlecht. Am 11. März fragte Elon Musk seine Follower, ob die von ihm geplante Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide eine gigantische, unterirdische Rave-Höhle mit »Subwoofern so groß wie Autos« beherbergen solle. Wie zu erwarten war, gab es nordkoreanische Abstimmungsergebnisse: 700 000 stimmten ab, 90 Prozent davon für die Höhle. Wenige Tage später schlossen aufgrund eines mittlerweile omnipräsenten Virus Bars und Clubs nicht nur in Berlin.

Feiern ist bis auf weiteres gefährlich: Unter den Gästen einer nicht ganz so gigantischen Rave-Höhle, des Berliner Technoclubs Kater Blau, befand sich während der sich entfaltenden Pandemie mindestens ein infizierter Gast, 17 Stunden lang.In der Vice sorgte sich ein Autor bereits um seinen Festivalsommer. Die drohende Absage aller Festivals habe ihm klargemacht, »dass das Coronavirus auch mein Leben verändern wird«. Sein Leben, sagt er, und nicht etwa die Gesundheit von vielen älteren Menschen. Sein Leben, und nicht etwa das von prekär Beschäftigten, die mit bedrohlichen Einkommenseinbußen rechnen müssen. Ego-Hedonismus im Endstadium: Nehmt mir alles, aber nicht meinen Bass!

Musks Pläne und vor allem die überbordende Zustimmung zu ihnen lassen jedoch erahnen, welche Zukunft das Kapital für Freunde elektronischer Tanzmusik bereithält: Das exklusive Flair einer umgenutzten, leerstehenden Industriehalle soll vollends dem Distinktionsgewinn dienen. War Techno einst eine Subkultur, die es wie der Punk gut verstand, Vorhandenes, Übriges und Überflüssiges so zu nutzen, dass jeder etwas davon abhaben konnte, steht ihr die komplette Vereinnahmung bevor. Während alternative Clubprojekte schon jetzt kaum noch die Miete zahlen können, zieht nun eine Zukunft herauf, in der Großinvestoren neuwertige Imitate dreckiger Bassbunker bauen, damit dort Leute feiern gehen können, die auf ihre gekaufte und falsche subkulturelle Coolness weiterhin nicht verzichten möchten – etwas, was dem Punk im Großen und Ganzen erspart geblieben ist.

Das Beispiel des der Gentrifizierung zum Opfer gefallenen Berliner Clubs Griessmühle veranlasste kürzlich eine Autorin des Tagesspiegel zu der These, die Technokultur leide »an ihrem eigenen Hype«. Sie sei »Gentrifizierungstreiber«, ganz so, als wäre es ein Naturgesetz, dass Dinge, die beliebt sind, automatisch schlimm werden müssen. Das Clubsterben trieb kürzlich auch den Techno-Boomer, DJ Matthias Roeingh alias Dr. Motte dazu, die Loveparade wiederzubeleben. Auf die Kommerzialisierung, auf das Clubsterben antwortete er mit einem gigantischen Crowdfunding, Verzeihung, »Fundraving«, forderte die Anerkennung der Clubkultur als Weltkulturerbe und natürlich ein Straßenfest für alle. Es dürfte noch lange dauern, bis die Wirkungsweisen des Kapitals von solchen Menschen erkannt werden. Vielleicht wird die Erkenntnis, dass industrialisierte Massenkultur nicht gleichzeitig Sub- oder gar Gegenkultur sein kann, nie über geschädigte Trommelfelle ins Resthirn dringen.

Hätte ein Virus der hiesigen Technokultur nicht für kurz oder lang die Bassvibrationen aus den Segeln genommen, hätten eben Musk und Motte verlässlich den Totengräber gespielt.