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In Frankreich erhöhen Regierung und Gerichte den Druck auf die extreme Rechte – zu offensichtlich sind deren gewalttätige Tendenzen.
Kommt nun ein zweiter Schub von Organisationsverboten gegen gewaltbereite rechtsextreme Gruppen in Frankreich? Ein halbes Dutzend Vereinigungen waren in den Wochen nach dem Tod des jungen Antifaschisten Clément Méric, den Skinheads Anfang Juni 2013 totschlugen, gesetzlich verboten worden. In einem Fall, dem des Vorsitzenden der verbotenen Kleinpartei L’Œuvre française, Yvan Benedetti, hat ein Gericht in Lyon im Juli 2018 erstinstanzlich eine Geldstrafe von achtzig Tagessätzen wegen Wiederbetätigung für eine verbotene Gruppierung verhängt. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Monate Gefängnis auf Bewährung gefordert. Das Berufungsverfahren gegen das Urteil findet diese Woche statt.
Nun wurde der »Bastion Social« per Kabinettsbeschluss verboten. So hieß seit der offiziellen Gründung im Frühjahr 2017 in Lyon eine faktische Nachfolgeorganisation der Gruppe »Groupe Union Défense« (Gruppe Einheit und Verteidigung, GUD), die zwischen 1969 und den späten Achtzigern stark war und später bedeutungslos, dann aber in Teilen wiederbelebt wurde. Diese gewalttätige und offen faschistisch auftretende Vereinigung war vor allem im rechten studentischen Milieu anzutreffen. Ihre Hochburg war die juristische Fakultät an der Universität Paris II, Panthéon-Assas. Eine Reihe »Alter Herren« des GUD-Milieus bewegen sich im Umfeld von Marine Le Pen, der Vorsitzenden des Rassemblement National (RN, der frühere Front National), die ebenfalls an dieser Universität Jura studiert hat. Sie verwalten insbesondere Gelder für Le Pen.
Der »Bastion Social« bestand vor allem aus Anhängern der extremen Rechten jüngerer Generation, die vom früheren GUD fasziniert waren. Er bemühte sich um ein vordergründig »sozialrevolutionäres« Profil, besetzte einzelne Häuser wie in Entzheim bei Straßburg und richtete in mehreren Städten sogenannte soziale Zentren ein. Erklärtes Vorbild war dabei die italienische Gruppierung »Casa Pound«, die mit solchen und anderen Mitteln einen »Faschismus des 21. Jahrhunderts« propagiert, jedoch über eine ungleich stärkere Basis und weitaus mehr Mittel verfügt. Die Gründung solcher Zentren führte in einer Reihe von Städten wie Marseille, Clermont-Ferrand, Chambéry, Straßburg und Lille zu antifaschistischen Demonstrationen, an denen jeweils mindestens mehrere Hundert Menschen teilnahmen.
Als Ärgernis für staatliche Behörden erwies sich der »Bastion Social« ab Dezember 2018, als einige seiner Mitglieder die Demonstrationen der »Gelben Westen« nutzten, um sich an einzelnen Orten Auseinandersetzungen mit der Polizei zu liefern. Ein Verbot war seit vier Monaten angekündigt.
Auch dem »Bloc Identitaire« oder zumindest seiner sogenannten Jugendorganisation »Génération Identitaire« könnte ein staatliches Verbot drohen. Seit die »Génération Identitaire« am 29. März in der Pariser Vorstadt Bobigny in einer spektakulären Aktion das Dach eines Sozialamts besetzte, um »Geld für französische Interessen statt für Ausländer« zu fordern, erwägt die französische Regierung ebenfalls, einen Auflösungsbeschluss gegen die Organisation zu fassen.
Die französischen Identitären, nach deren Vorbild sich 2012 bis 2014 in Österreich und Deutschland die »Identitäre Bewegung« gründete, haben derzeit noch weitere Probleme. Der »Bloc Identitaire« und die »Génération Identitaire« waren 2002 / 2003 aus der Organisation »Unité Radicale« (UR) entstanden. Diese war im August 2002 infolge des von einem ihrer Mitglieder, Maxime Brunerie, am 14. Juli 2002 auf den damaligen Staatspräsidenten Jacques Chirac verübten Mordversuchs verboten worden. Ihre Nachfolgerorganisationen distanzierten sich in einigen Punkten ideologisch von der UR, insbesondere grenzte sich der »Bloc Identitaire« formell vom Antisemitismus ab.
Nun hat das französische Original ähnliche Probleme wie die »Identitäre Bewegung Österreich«. Deren Anführer Martin Sellner musste Ende März den Eingang einer Spende in Höhe von 1 500 Euro von dem Attentäter von Christchurch, Brenton Tarrant, im Jahr 2018 bestätigen und handelte sich in diesem Zusammenhang einiges Ungemach ein, unter anderem eine Hausdurchsuchung. Die »Génération Identitaire« in Frankreich räumte Anfang April öffentlich ein, ebenfalls Spenden von Tarrant erhalten zu haben, in ihrem Falle jedoch sogar deren vier in einer Gesamthöhe von 2 200 Euro. Tarrant hatte am 15. März in zwei neuseeländischen Moscheen 50 Menschen ermordet und etwa 50 weitere verletzt. Er rechtfertigte seine Tat in einem Manifest unter anderen mit der Verschwörungsideologie vom »Großen Austausch« – die ihn mit den französischen, österreichischen und deutschen Identitären und anderen extremen Rechten verbindet.
Vor allem die Spenden warfen in der französischen Öffentlichkeit kein gutes Licht auf die Identitären. Wenige Tage später landeten diese allerdings einen Propagandacoup, als sie dem französischen Innenminister Christophe Castaner (La République en marche) eine Ehrenmitgliedschaft antrugen. Den Anlass dazu lieferte Castaner selbst, als er sich Anfang April abfällig über NGOs äußerte, die Seenotrettung für Migranten im Mittelmeer organisieren. Castaner zufolge seien das »Helfer der Schlepper« – so wie es auch die extreme Rechte gerne darstellt.
Aber auch die offen antisemitische extreme Rechte in Frankreich hat Probleme. Der prominente rechtsextreme Antisemit Alain Soral wurde Mitte April wegen »Aufstachelung zum Rassenhass«, in etwa das französische Pendant zum deutschen Tatbestand der Volksverhetzung, verurteilt – nicht zum ersten Mal. Diesmal erhielt der 60jährige jedoch eine Haftstrafe von einem Jahr ohne Bewährung. Eine gleichlautende Verurteilung, die wegen eingelegter Berufung noch nicht rechtskräftig ist, erfolgte in einem anderen Verfahren gegen ihn im Januar in der Pariser Vorstadt Bobigny. Damals hatte es das dortige Bezirksgericht noch vermieden, einen sofortigen Strafantritt anzuordnen – was möglich gewesen wäre. Ein Vierteljahr später in Paris ging es für Soral weniger glimpflich aus. Das Gericht beschloss für den Serientäter einen sofortigen Haftantritt und – da das Urteil in Abwesenheit erging – zusätzlich einen Haftbefehl.
Dieser wurde allerdings bislang nicht vollstreckt, wie die gegen Geschichtsrevisionismus engagierte Initiative »Mémorial 98« vergangene Woche in einem online veröffentlichten Text scharf kritisierte. »Die Staatsanwaltschaft Paris schützt Alain Soral«, heißt es da. Tatsächlich weigert sich die Strafverfolgungsbehörde bislang, eine Vollstreckung des vorliegenden gerichtlichen Haftbefehls anzuordnen. Soral selbst behauptete in einem Video, er sei flüchtig, und fügte hinzu: »Die Einzigen, die mir am Zeug flicken wollen, sind die Juden.«