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Die französischen Behörden haben kürzlich zehn mutmaßliche Mitglieder einer rechtsterroristischen Gruppe festgenommen. Als Anführer der »Action des forces opérationnelles« gilt ein ehe-maliger Polizist und Wahlhelfer des Front National.
Polizisten, Gendarmen, Berufssoldaten und dazu einige Personen, die sich für Intellektuelle halten – das sind die mutmaßlichen Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe Action des forces opérationnelles (Aktion der einsatzbereiten Kräfte, AFO). Die französischen Behörden hoben die Organisation Ende Juni aus.
Razzien erfolgten im westfranzösischen Bezirk Charente-Maritime – dem Verwaltungsbezirk von La Rochelle –, im ebenfalls westfranzösischen Bezirk Vienne, im Großraum Paris sowie auf Korsika. Zehn Personen, neun von ihnen Männer, wurden dabei im Lauf des letzten Juniwochenendes festgenommen. In der darauffolgenden Woche wurde ein Ermittlungsverfahren wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen die Verdächtigen eingeleitet, am 27. Juni wurden sie in Untersuchungshaft überstellt. Die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe sind zwischen 32 und 69 Jahre alt, manche wurden seit mehreren Monaten überwacht. Der 65jährige mutmaßliche Anführer der Gruppe und ein weiterer Verdächtiger wurden in der vergangenen Woche unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen.
32 Feuerwaffen, mehrere Tausend Schuss Munition sowie Uniformteile fanden die Beamten bei den Razzien, ferner eine Substanz, die zur Herstellung des Sprengstoffs TATP benutzt wird. Auch die Jihadisten, die die Anschläge in Paris am 13. November 2015 verübt hatten, verwendeten TATP. Der Sprengstoff ist relativ einfach herzustellen, jedoch gefährlich zu handhaben, weil er instabil ist und deswegen leicht detoniert. Deshalb sind zu seiner Produktion Spezialkenntnisse erforderlich.
Die Pläne der AFO, deren Mitglieder unter anderem auch Erste-Hilfe- und Überlebenstrainings durchlaufen haben sollen, waren den Angaben der Behörden zufolge noch nicht vollständig ausgereift. Offenbar stritten die Verdächtigen über die zu wählende Vorgehensweise. Einige wollten im Zuge des »Kriegs gegen die Islamisierung« in Frankreich und Europa, den die Zelle anstrebte, Nahrungsmittel vergiften, die als halal eingestuft sind, also islamischen Speisevorschriften genügen, um möglichst viele Opfer zu verursachen. Dieses »Halal-Projekt«, wie es nach jüngsten Medienberichten innerhalb der Gruppe bezeichnet wurde, war jedoch umstritten. Andere AFO-Mitglieder plädierten für gezielte Angriffe auf Personen und wollten beispielsweise Imame oder aus der Haft entlassene Islamisten attackieren. Erste Haftentlassungen für Jihadisten, die in den vergangenen Jahren
verurteilt worden waren, waren für Ende 2019 angekündigt worden. Eine weitere Überlegung der Gruppe war es den Behörden zufolge, Kopftuch tragende Frauen im öffentlichen Raum anzugreifen. Als Vorbild diente unter anderem die Organisation de l’armée secrète (Organisation der Geheimarmee, OAS). Die Gruppe verbreitete ab 1961, in der Schlussphase der Entkolonisierung Algeriens, tödlichen Terror hauptsächlich gegen muslimische Algerier, bei den sogenannten Algerienfranzosen und französischen Berufsmilitärs besaß sie Rückhalt.
32 Waffen und mehrere Tausend Schuss Munition fanden die Beamten bei den mutmaßlichen Rechts-terroristen, ferner eine Substanz zur Sprengstoffherstellung.
Als Anführer der AFO gilt der mittlerweile aus der Untersuchungshaft entlassene Guy S., ein 65jähriger, seit 2004 pensionierter Polizist, den die Behörden bereits als aktiven Rechtsextremen eingestuft hatten. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme lebte er im westfranzösischen Tonnay-Charente. Dort hatte er sich bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von April bis Juni 2017 als Beisitzer in einem Wahlbüro engagiert. Der rechtsextreme Front national (FN), der seit dem 1. Juni offiziell Rassemblement national (Nationale Sammlung, RN) heißt, hatte ihn für diese Aufgabe ernannt.
Die ehemalige FN- und derzeitige RN-Vorsitzende Marine Le Pen sagte angesichts dieser Enthüllungen, S. sei »weder Mitglied noch Kandidat« ihrer Partei gewesen. Sie verwahre sich dagegen, verschiedene Themen zu vermischen, ihre Partei habe »zu keinem Zeitpunkt Gewalttaten hervorgerufen oder begünstigt«. Diese Behauptung ist falsch. Drei Plakatkleber des damaligen FN hatten im Februar 1995 in Marseille den 17jährigen Ibrahim Ali ermordet. An ihrem Prozess im Juni 1998 hatten die beiden damaligen obersten Parteiführer Jean-Marie Le Pen und Bruno Mégret persönlich als Leumundszeugen der drei Angeklagten teilgenommen. Und nach seiner Haftentlassung wurde einer der drei Täter umgehend im Rathaus von Vitrolles in der Nähe von Marseille angestellt – wo Bruno Mégrets Gattin Catherine Mégret von 1997 bis 2002 als Bürgermeisterin amtierte.
Dennoch stimmt es, dass der FN beziehungsweise der RN als Partei eine institutionelle, auf Wahlerfolge ausgerichtete Strategie verfolgt und nicht den Straßenterror oder gar bewaffneten Kampf anstrebt. Aber die Niederlage Marine Le Pens als Präsidentschaftskandidatin bei der Stichwahl im Mai 2017, die deutlicher ausgefallen war als vielfach erwartet, ließ die Frustration an der rechtsextremen Basis wachsen. Manche Mitglieder und Sympathisanten der Partei zweifeln stärker als zu-vor an der Tauglichkeit des »demokratischen Wegs«.
Die Mitglieder der AFO hatten sich zuvor bei der legal agierenden rechtsextremen Gruppe Volontaires pour la France (Freiwillige für Frankreich, VPF) engagiert. Deren Vordenker ist Yvan Blot, der früher war, als rechtsextremer Multifunktionär bekannt war, bevor er sich weitgehend auf seine Tätigkeit als Schriftsteller beschränkte. Blot baute in den siebziger Jahren mit anderen den rechten Debattierzirkel Club de l’horloge auf, machte sich dann zusammen mit dessen Funktionären auf einen »Marsch durch die Institutionen« in den Parteien der bürgerlichen Rechten und schlug zugleich eine gehobene Beamtenlaufbahn ein. In den achtziger Jahren war er ein Führungsmitglied der neogaullistischen Partei RPR, einer Vorläuferin der derzeitigen konservativen Partei Les Républicains (LR), bevor er 1989, später als manche seiner Gleichgesinnten, zum FN überlief. Die Spaltung zwischen den Anhängern Jean-Marie Le Pens und Bruno Mégrets sorgte für Blots anfänglich verbittert und verwirrt wirkenden Rückzug aus der Parteipolitik. Ab 2004 war er Mitglied der konservativen UMP, der Nachfolgerin des RPR und Vorläuferin der LR, zog sich jedoch später aus ihr zurück. Er arbeitete als hoher Beamter im Innenministerium. Mittlerweile ist er im Rentenalter und berät den »Internationalen Diskussionsclub Waldai«, der der russischen Regierung ausgesprochen nahesteht.
Blots diskursive Bemühungen – zu seinen Lieblingsthemen gehören das zivilisatorische Erbe des antiken Griechenland, generell die nichtchristlichen, heidnischen »Wurzeln Europas« und die Behauptung einer in »allen menschlichen Gesellschaften notwendigen Ungleichheit« – scheinen den mutmaßlichen Mitgliedern der AFO auf die Dauer zu ermüdend gewesen zu sein. Sie zogen handfestere Betätigungen vor.