Hundert Jahre Zionismus

Deutsch-arabische Freundschaften

In Basel findet, parallel zu den offiziellen Herzl-Gedenkfeierlichkeiten, ein Antizionisten-Kongreß statt

"Wir haben hier Juden an Bord entdeckt. Wißt ihr, was das ist?" Der Mann hielt die Reste des Montblanc-Kugelschreibers hoch und deutete auf den kleinen weißen Stern auf der Kappe: "Das ist ein Judenstern, der Davidstern. Morgen werde ich diese Juden erschießen, sie werden sich am Morgen freiwillig bei mir melden. Ich stelle sie in die offene Flugzeugtür und schieße ihnen von hinten eine Kugel in den Kopf. Sie fallen automatisch aus dem Flugzeug."

Diese Worte fielen, als die Kooperation deutscher und arabischer Terroristen im Zeichen des Antizionismus auf ihrem Höhepunkt war - sie wurden gesprochen von einem gewissen Mahmud an Bord der entführten Lufthansa-Maschine "Landshut" im Herbst 1977 und vor kurzem in Heinrich Breloers TV-Dokumentation "Todesspiel" in fast jedes Wohnzimmer übertragen. Nicht weniger mörderisch, wenn auch weniger bekannt, waren andere Kommandoaktionen deutscher Linksgruppen in jener Zeit, etwa die Molotowcocktails gegen jüdische Einrichtungen am Jahrestag der Reichspogromnacht 1969 in Westberlin (verantwortlich: "Schwarze Ratten Tupamaros Westberlin") und die Entführung einer Air France-Maschine 1976, ein Gemeinschaftswerk der "Revolutionären Zellen", der "Bewegung 2. Juni" und der palästinensischen PFLP. Am Zielflughafen Entebbe begann eine Selektion der Passagiere in jüdische und nicht-jüdische - durchgeführt von einem deutschen Kommandomitglied.

Auch wenn die kriminelle Energie dieser Gruppen im Laufe der Jahre nachließ, machte der unversöhnliche Antizionismus weiter Schlagzeilen - etwa während des israelischen Feldzuges im Libanon 1982 ("Endlösung der Palästinenserfrage", titelte der Arbeiterkampf) oder während des Golfkrieges 1991 (der grüne Spitzenpolitiker Christian Ströbele bezeichnete die irakischen Raketenangriffe als "logische Folge der Politik Israels"). Danach schien endlich jener Prozeß der "geistigen Selbstbestreitung" einzusetzen, zu der der Auschwitz-Überlebende Jean Améry seine sozialistischen Freunde schon während der Apo-Zeit aufgerufen hatte: konkret, wohl die einflußreichste linke Zeitschrift, rechnete mit dem Antisemitismus der deutschen Friedensbewegung scharf ab, die Reste der "Revolutionären Zellen" und die bekannte Journalistin Ingrid Strobl distanzierten sich unzweideutig von ihrer antizionistischen Vergangenheit.

Offensichtlich hat diese Selbstkritik die Tiefenschichten der Linken aber nicht erreicht: Dasselbe furchtbare Bündnis aus palästinensisch-arabischen Nationalisten und europäischen Antizionisten, dessen bewaffnete Speerspitze 1976/77 in Entebbe und Mogadischu agierte, kommt dieser Tage wieder in Basel zusammen. Unter dem Motto "Hundert Jahre Zionismus - kein Grund zum Feiern" wird zu einer Gegentagung zum offiziellen Herzl-Kongreß eingeladen. Der Aufruftext läßt keine antizionistische Lüge aus: Ohne jede Erwähnung der Gewalttaten von Hamas und Hizbollah heißt es dort, Israel sei dabei, "ein Apartheidsystem zu errichten und die Palästinenserfrage endgültig vom Tisch zu wischen". Mit der "Umsetzung des zionistischen Programms" habe vor hundert Jahren "für Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser ein endloser Alptraum begonnen". Die Shoah kommt in dem Aufruf nur als argumentativer Trick der Juden vor: "Die zionistische Führung hat versucht, die 1948 erfolgte Gründung des Staates Israel mit den Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden zu rechtfertigen." Dabei seien doch nicht die Juden, sondern die Palästinenser die eigentlichen Opfer des Nationalsozialismus gewesen: "Es ist nicht einzusehen, warum das palästinensische Volk für die Verbrechen des deutschen Faschismus bezahlen soll." Während die Tatsache, daß arabische Staaten Hitler unterstützten und seinen Schergen Asyl boten, nicht thematisiert wird, beschuldigt der Text die "zionistische Führung" der Kollaboration: "Hat sie sich nicht darauf beschränkt, eine gewisse Anzahl ausgewählter Juden und Jüdinnen vor der Vernichtung zu retten, um sie in Palästina anzusiedeln, und darauf verzichtet, sich am antifaschistischen Widerstand vor Ort zu beteiligen oder ihn zu organisieren?" Der Zionismus habe sich darin gefallen, "dem sich verschärfenden deutschen Nationalismus einen anderen, potentiell ebenso scharfen Nationalismus hinzuzufügen" - mit dieser Formulierung wird der Unterschied zwischen Tätern und Opfern eingeebnet, Hitler und Herzl, Eichmann und Weizman werden auf dieselbe Ebene gestellt.

Die Gegentagung findet vom 15. bis 17. August statt, als Organisatoren treten die "Schweizerische Friedensbewegung", die kommunistische "Partei der Arbeit" und weitere Linksgruppen, verschiedene pro-palästinensische "Freundschaftsgesellschaften" und das "Alternative Information Centrum Jerusalem" auf. In Deutschland rührt insbesondere die Sozialistische Zeitung die Werbetrommel, die vom PDS-Bundestagsabgeordneten Winfried Wolf mitherausgegeben wird. Das Blatt schickt auch mehrere Genossen als Referenten auf die Konferenz, unter anderem ihren Redakteur Jakob Moneta, langjähriges Mitglied des PDS-Bundesvorstandes. "Zionismus - Programm der Vertreibung" wird der Titel seines Basler Referates lauten.