Die Diskussion muß weitergehen

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Endlich, wir haben es hinter uns. Vorbei das ARD-"Todesspiel", vorbei auch das Spiegel-Szenario vom "Herbst der Terroristen". Genauso pünktlich, wie das Hamburger Magazin die künftige Wahrheit über die Stammheimer Todesnacht festgeschrieben hat, werden die Bilder jetzt wieder aus den Medien verschwinden. Das ist zunächst angenehm. Keine weiteren Farbfotos eines in Blutlachen liegenden Andreas Baader, keine nachgestellten Szenen eines durchgeknallten Hijackers Zohair Akache, die zur Auseinandersetzung über Antisemitismus in palästinensischen Organisationen wenig beitragen.

Doch mit der medialen Präsenz verschwindet, so ist zu befürchten, auch die reale. Dabei gibt es wohl keine Phase, die die herrschenden bundesrepublikanischen Verhältnisse besser auf den Punkt gebracht hat als jene Tage im Herbst 1977. Da gesellte sich ein Bonner Krisenstab, der Gewaltenteilung nötigenfalls ebenso ignoriert wie Gesetze, um den Feind zu eliminieren, nahtlos zum Mob. Innerhalb - und damit als Teil - dieser Verhältnisse muß man allerdings auch das Vorgehen der RAF betrachten. Ohne Eingebundenheit in einen politischen Organisierungsprozeß, der diesen bewaffneten Kampf strategisch oder taktisch hatte begründen können, spitzte die Gruppe 1977 eine Konfrontation zu, von der weder die Linke, geschweige denn die Bevölkerung, noch etwas wissen wollte. Ohne politische Rückendeckung konnte die RAF folglich die militärische Konfrontation nur verlieren - oder sie so eskalieren, daß sie mit emanzipatorischer Politik nichts mehr gemein hatte. Spätestens, als dieser Schritt mit der Entführung der "Landshut" durch ein palästinesisches Kommando begangen wurde, verabschiedeten sich selbst jene militanten Linken, die noch kritisch- solidarisch die RAF verteidigt hatten. Was in den kommenden Jahren folgte, war demnach auch geprägt von Voluntarismus und militaristischen Kriterien und erschien so nur noch als Farce dessen, was einst als Konzept Stadtguerilla entworfen wurde.

Da die Dynamik kapitalistischer Gesellschaften immer wieder die Frage militanter Organisierung auf den Plan rufen wird, ist eine schonungslose Auseinandersetzung mit den Fehlern der RAF jedoch unerläßlich. Nicht zuletzt, weil diese Debatte nicht stattfindet, dominieren jene moralischen Spiegel-Darstellungen, die hinter dem Bild des "gewalttätigen Terroristen" die Brutalität der Verhältnisse verschwinden lassen. Am vergangenen Wochenende hat mit Stefan Wisniewski erstmals ein an der Schleyer-Entführung Beteiligter das Wort ergriffen, der sich nicht, wie Peter-Jürgen Boock, dieser Spiegel- Wahrheit verpflichtet fühlt. Wie Knut Folkerts übt auch er heftige Kritik: an der Entführung der "Landshut", an der starren Haltung gegenüber einer Freilassung Schleyers, an der Unfähigkeit, die historische Rolle des ehemaligen SS-Mannes zu thematisieren und in der Konfrontation zu nutzen. "Wir waren so unheimlich konsequent, als es darauf angekommen wäre, menschliche Stärke und Großzügigkeit zu zeigen, und waren politisch so wenig radikal, sogar harmlos, als es darum ging, die gesellschaftlichen Verhältnisse umzuwälzen und zum Tanzen zu bringen", sagte er der taz. Kritiken, die Ansatzpunkte zur weiteren Diskussion bieten. Doch dazu muß Stefan Wisniewski, der seit 16 Jahren im Knast sitzt, ebenso wie die anderen RAF-Gefangenen endlich raus.